Das Kammerorchester des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gastierte zum ersten Mal beim Kissinger Sommer und ermöglichte ein interessantes Experiment.
Eigentlich erstaunlich; Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks kommt eigentlich jedes Jahr zum Kissinger Sommer. Aber auf das Kammerorchester des BR mussten die Festivalbesucher 33 Jahre warten. Das Gastspiel am Sonntagabend war längst überfällig. Schön, dass es jetzt endlich geklappt hat. Und das Schönste: Die Münchner waren in diesem Jahr das Orchester, das den Gewinner des letztjährigen KlavierOlymps begleitete - fast. Denn Juan Pérez Floristán, der "wahre Gewinner" löste seinen Preis nicht ein. Er hatte um Verschiebung gebeten, weil er am derzeit laufenden Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb teilnehmen wollte - und den gibt es für klavier nur alle drei Jahre.
So kam der Zweitplatzierte zum Zuge: Martin James Bartlett wusste seine Chance zu nutzen. Es war aber auch ein tolles Angebot: die beiden Klavierkonzerte d-moll-BWV 1052 und D-dur BWV 1054 von Johann Sebastian Bach - das erste mit ihm als Solisten, das zweite mit dem Franzosen Cyprien Katsaris, der in diesem Jahr auch die KlavierOlympioniken coacht. Und dann , mit ihnen beiden, Bachs Doppelkonzert c-moll BWV 1060 an zwei Flügeln.
Ein Vergleich bei der Begegnung der Generationen war schon deshalb möglich, weil die Voraussetzungen gleich waren. Das BR-Kammerorchester unter Leitung von Radoslaw Szulc bediente die beiden Solisten mit einem außerordentlich klaren Orchestersatz, sehr engagiert, mitunter ein bisschen provozierend, sehr differenziert, sehr modern, dass der Einsatz von Konzertflügeln nicht nur sinnvoll, sondern auch spaßfördernd war.
Man konnte feststellen: Erstaunlicherweise war James Martin Bartlett der Wirkungsvollere. Er hatte sich viele Gedanken gemacht über die Artikulation, über dynamische Differenzierungen. Er zeigte, dass die Melodie durchaus nicht immer nur in der rechten Hand liegt und ließ sich auf einen manuell hervorragend vorbereiteten, schwungvollen Dialog mit dem Orchester ein. Das Einzige, was man monieren konnte: Er spielte erfreulich viele Verzierungen, aber mitunter waren sie doch etwas vernuschelt, nicht ganz ernst genommen.
Bei Cyprien Katsaris war der erste Eindruck der der Routine, der zweite - auch. Sein Spiel war flächiger, weniger strukturiert, ging weniger auf die Angebote des Orchester ein - war einfach weniger interessant als das des jungen Briten.
Bei dem Doppelkonzert war die Sache etwas anders. Da fühlte sich Cyprien Katsaris gefordert, suchte die Abgrenzung durch pointiertere Artikulation. Erstaunlicherweise funktionierte die Strukturierung ausgezeichnet, trotz "genetisch" identischen Klangmaterials der beiden Flügel.
Edvard Griegs "Aus Holbergs Zeit - Suite im alten Stil für Streichorchester" ist eines von den Stücken, die man in einer bestimmten Altersphase so oft gehört, dass fast nur noch Knacken und Kratzen auf dem Vinyl übrig geblieben ist - Holberg war Kult - um plötzlich möglichst immer einen Bogen um sie zu machen. Es war das Verdienst des BR-Kammerorchesters, diese Verweigerungshaltung gründlich aufzulösen, weil es einiges klarstellte.