Tanja Tetzlaff spielte zwei Solosuiten von Johann Sebastian Bach technisch überlegen und mit einem starken Zug zum Persönlichen.
Sie stehen ein bisschen im Schatten der Sonaten und Partiten für Violine solo von Johann Sebastian Bach, aber für die Cellisten sind seine sechs Solosuiten ein Muss - trotz oder gerade wegen ihrer Schwierigkeiten durch die Mehrstimmigkeit.
Tanja Tetzlaff spielte bei der Matinee im Kloster Maria Bildhausen jetzt zwei dieser Suiten, die C-dur-Suite Nr. 3 BWV 1009 und die c-moll-Suite BWV 1011, und sie tat das so, wie man es erwartet und erhofft hatte: technisch absolut überlegen, was der klanglichen Reinheit sehr zugute kam, und mit einem starken Zug zum Persönlichen, zu einer agogisch sehr differenzierten Gestaltung und einem wunderbaren Spielfluss. Sie hatte die bis zu vierstimmigen Akkorde genau analysiert und die melodieführenden Töne herausgestellt, dass trotz des gebrochenen Anstreichens die thematischen Linien nicht unterbrochen wurden. So trat die Schönheit dieser Musik zu Lasten der abstrakten Konstruiertheit in den Vordergrund.
Eine Besonderheit hat die c-moll-Suite Nr. 5, eine Skordatur. Da wird - in diesem Fall- die a-Saite, die höchste, um einen Ganzton auf g heruntergestimmt. sie klingt dadurch gedeckter und ermöglicht Akkorde, die sich sonst nicht realisieren ließen.
Eine einzige Frage blieb offen angesichts der relativ lockeren Souveränität, mit der Tanja Tetzlaff spielte: Warum musste das alles so ernst sein, fast ein bisschen weihevoll. Vor allem die schnellen Sätze hätten ein bisschen Witz vertragen. Bach hätte nichts dagegen gehabt, und Tanja Tetzlaff kann das.
Ein ungutes Gefühl konnte man trotz aller lockerer Virtuosität schon bekommen: Da hatte Esa-Pekka Salonen "YTA III" komponiert, angeregt von Skrjabins "Vers la flamme", in dem er sich vorstellte, wie es mit einer Motte weitergeht, die in ein offenes Licht geflogen ist. Natürlich ist das ein Filetstück für Cellisten, frei in der Gestaltung, aber extrem virtuos. Und es macht auch Spaß zuzuhören und zuzuschauen. Aber es ist auch eine Kulinarisierung eines elenden Todes, die das Vergnügen trübt. Wenn man um die Geschichte hinter der Musik nicht wüsste, käme man vielleicht auf einen Hummelflug mit 2,3 Promille. So galt der Beifall mindestens der spannenden, trotz allem witzigen Umsetzung der Höchstschwierigkeiten.
Als Zugabe spielte Tanja Tetzlaff noch einmal die c-moll-Sarabande, "das Zentrum der sechs Suiten". So musste sie nicht noch einmal umstimmen, und das Publikum war glücklich.