Alles andere als typisch

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In Sam Bobricks Komödie "Ein Herz im Gepäck" sind sich Phyllis (Claudia van Veen) und Bradley (Raúl Richter, rechts) sicher, dass sie miteinander glücklich werden, doch der selbstgefällige Psychologe Dr. Jonathan Alexander (Matthias Beier) versucht unermüdlich, aber vergeblich, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Foto: Gerhild Ahnert
In Sam Bobricks Komödie "Ein Herz im Gepäck" sind sich Phyllis (Claudia van Veen) und Bradley (Raúl Richter, rechts) sicher, dass sie miteinander glücklich werden, doch der selbstgefällige Psychologe Dr. Jonathan Alexander (Matthias Beier) versucht unermüdlich, aber vergeblich, sie vom Gegenteil zu überzeugen.  Foto: Gerhild Ahnert

"Ein Herz im Gepäck" begeisterte im Kurtheater, weil die Liebesgeschichte von Sam Bobrick nicht nur die vorhersehbaren Irrungen und Wirrungen kennt.

"Ein Herz im Gepäck" ist eine Boulevardkomödie des in Deutschland nicht sonderlich bekannten amerikanischen Bühnenautors und alten Theaterhasen Sam Bobrick (84). In der Ausgangsszene in einem typischen Apartment glaubt man schon zu wissen, wie es weitergeht. Zwei Koffer wurden am Flughafen in New York vertauscht, er, Bradley Naughton, macht sich auf zu der eigentlichen Besitzerin Phyllis Novak, da die nur ein paar Straßen weiter wohnt. Sie ist eine zickige Lektorin mit Beziehungsproblemen, er ein Finanzbeamter, den seine Frau verlassen hat. Phyllis hat seinen Koffer durchwühlt und weiß alles über seine Ehegeschichte. Während dieser Beginn den Zuschauer auf einen reichlich romantischen Pfad lockt, geht es keinesfalls weiter mit einer Falling-in-Love-bis-zum-Happy-End-Geschichte.
Den Reiz des Stückes machen die ungewöhnlichen Hindernisse auf dem Weg dorthin aus. Thomas Rohmer, Leiter der "Theatergastspiele Fürth", erkannte das Potenzial des Stücks. In seiner Bearbeitung entpuppten sich die zwar witzigen, aber gelegentlich doch recht farblosen Dialoge und die raffiniert konstruierte Geschichte als passgenaues Samstagabendvergnügen für Bad Kissingens Gäste, die sich köstlich amüsierten.
Die beiden gehen essen - und dann stürmt ein Herr aus dem Publikum mit seiner Aktentasche die Bühne. Ganz so überrascht waren die Umsitzenden allerdings nicht, denn allzu bekannt ist Matthias Beier, der eineinhalb Jahre die Hauptrolle des Jonas Schelling in "Verbotene Liebe" in der ARD gegeben hatte. Hier spielte er den selbstgefälligen Psychologen Dr. Jonathan Alexander, unterbrach die Beziehungsgeschichte und teilte dem Publikum mit, dass er sich von Berufs wegen berufen fühlt, "präventiv" zu wirken, wenn er mitbekommt, dass eine sich anbahnende Liebesgeschichte seiner Erkenntnis nach auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt ist. Und dafür sieht er alle Anzeichen in dem Konstrukt, in dem Phyllis angeblich dem bei jedem Gedanken an seine verlorene Ehefrau in Tränen ausbrechenden Bradley helfen will, diese zu vergessen. Er geht auf ihren Versuch eingeht, ihn von einem lächerlichen Weichling zu einem Traummann zu modellieren. Ganz entsprechend den vielen Hindernissen, die in der Boulevardkomödie das Happy End aufhalten, verliebt sie sich natürlich just in dem Moment in das nun begehrenswerte Produkt ihrer Erziehungsmaßnahmen, als die Ex-Frau Bradley zurückhaben will. Das stürzt die bisher so coole Karrierefrau in Liebesschmerz, und hier entert Seelenklempner Alexander vertrautes Milieu und bietet ihr Hilfe an.
Aber der geschäftstüchtige Seelenklempner scheitert auf der ganzen Linie: Als Bradley, tief gerührt von Phyllis' Liebeseingeständnis, zurückkehrt und sie beschwört, ihre Beziehung nicht auf platonische Freundschaft zu beschränken, sind sich die beiden Happy-End-Kandidaten ihrer Verbindung schon so sicher, dass sie Alexanders Partnertest zur Feststellung der psychologischen Untauglichkeit der beiden zu einem Liebespaar unterziehen, bei dem nicht ihre Beziehung, sondern der Psychologe kläglich scheitert. Aber auch er kriegt sein Happy End, denn er erobert mit diesem Test Phyllis' nicht sonderlich intelligente Freundin Mitzi Cartright.
Bei den Akteuren setzte Rohmer zum einen wieder auf bekannte Namen aus der Fernsehunterhaltung und beliebten Serien wie bei Matthias Beier, der den Psychologen in näselnd-arroganter Egomanen-Pose gab, und auch dem Darsteller des Bradley Naughton, Raúl Richter, der durch die Seifenoper "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" bekannt wurde. Schauspielerin Nadine Badewitz (Mitzi) hatte eine Rolle im Franken-"Tatort". Claudia van Veen, mit Bühnenpräsenz als Moderatorin wie Schauspielerin ausgestattet, versuchte als Phyllis Novak dieser zentralen Figur ein wenig psychologische Tiefe zu verleihen, was ihr trotz der Tatsache, dass der Autor ihr keine wirkliche Vita gibt, ansatzweise gelang.
So machten die Fürther mit einer einfallsreichen und witzigen Bearbeitung aus einem nicht so ganz starken Stück einen vergnüglichen Theaterabend, was ihnen das Publikum mit sehr langem Applaus dankte.