Aktion Weihnachtshilfe: Wichtiger als Geschenke

2 Min
Wenn die Patchworkfamilie heute zusammen sitzt, wird Karen Holzinger* alle vier Kerzen auf dem Adventskranz anzünden. Die Geldsorgen rücken an Heilig Abend in den Hintergrund. Die Gedanken sind besonders jetzt bei der verstorbenen Schwester und Tochter Nicole. Foto: Carmen Schmitt
Wenn die Patchworkfamilie heute zusammen sitzt, wird Karen Holzinger* alle vier Kerzen auf dem Adventskranz anzünden. Die Geldsorgen rücken an Heilig Abend in den Hintergrund. Die Gedanken sind besonders jetzt bei der verstorbenen Schwester und Tochter Nicole. Foto: Carmen Schmitt

Dank der Aktion Weihnachtshilfe der Saale Zeitung hat Familie Holzinger* über Weihnachten ein paar Sorgen weniger. Geld ist für sie aber längst nicht so viel wert wie ihr Zusammenhalt, mit dem sie ihr Leben und Schicksal besteht.

Die Familie Holzinger* (*alle Namen von der Redaktion geändert) bekommt heute keine Geschenke vom Weihnachtsmann. Auch nicht vom Christkind. Die bunten Päckchen stammen in diesem Jahr vom Caritasverband, dem viele Spender Geschenke besorgt haben. Karen Holzinger* hat kein Geld, um für ihre Kinder und ihren Mann etwas unter den Weihnachtsbaum zu legen. Es wird öfter mal eng in der Haushaltskasse der Patchworkfamilie.
Besonders jetzt, wo das Baby ihrer Tochter Anna-Lena* unterwegs ist und das Dach ausgebaut werden muss. Ein Fall für Gabriele Morath, Sozialberaterin beim Caritasverband des Landkreises.

Karen Holzinger wüsste nicht, was sie ohne ihre "Frau Morath" tun sollte. Drei bis vier Mal im Jahr geht sie auf sie zu. Dann, wenn gar nichts mehr geht. "Sie hilft uns dann mit einem Einkaufsgutschein aus", sagt sie. Die Beraterin steuert auch einmal etwas zur Holzrechnung bei oder streckt einen Teil der Reparaturrechnung fürs Auto. Die Spenden der Aktion Weihnachtshilfe der Saale Zeitung machen das möglich. Für viele sind es nur ein paar Euro, für die Holzingers bedeuten die eine Menge Sorgen weniger.

Karen Holzinger kann nicht arbeiten. Sie ist seit 2008 krank geschrieben. Sie kämpft mit Depressionen, Panikattacken und Angstzuständen. Ihr erster Ehemann behandelte sie nicht gut. Vor sechs Jahren hat sie wieder geheiratet und ist in einem Dorf im Landkreis endlich angekommen: "Das hier ist für mich Heimat", sagt sie heute.Testweise hatte sie versucht, 15 Stunden pro der Woche langsam in einen Arbeitsalltag zu finden. Der Versuch schlug fehl. "Ich bin froh, wenn ich gerade so meinen Haushalt schaffe", sagt sie.

Seit Nicole nicht mehr da ist

In dem Haus leben sie und ihr Mann, die drei Kinder ihres Mannes, eine ihrer eigenen Töchter, ihr Schwiegersohn in Spe und drei kleine Hunde. Ihr Enkelsohn soll im Frühjahr auf die Welt kommen.

Karen Holzingers Augen sind glasig. Sie sitzt vor dem Adventskranz und blinzelt ihre Tränen weg. Es ist ein anderes Weihnachten, das die Familie seit drei Jahren feiert. Denn eine feiert nicht mehr mit. Nicole*. Ein Autounfall im Sommer 2011: Der Fahrer und die zwei anderen Mädels überleben. Die 18-Jährige stirbt. "Es hat uns aus den Fugen gerissen. Sie fehlt an allen Ecken und Enden", sagt Karen Holzinger. Jedes Jahr stellt die Familie Nicole einen kleinen Weihnachtsbaum auf ihrem Grab auf. Geschmückt in ihrer Lieblingsfarbe, Pink. Nicole ist noch immer ein Teil der Familie. Für sie brennt eine Kerze auf der Kommode im Wohnzimmer - wenn alle zusammensitzen und essen, wenn sie an ihre Schwester und Tochter denken.

Die Familie hält zusammen. Das Erlebte hat sie zusammengeschweißt. Karen Holzinger hat ihr Lachen nicht verloren. Sie strahlt. Herzlich und echt. In ihrem Inneren sieht es manchmal anders aus. "Ich kann es mir nicht anmerken lassen, ich muss für die anderen da sein." Ihre Kinder nehmen viel Rücksicht auf sie und ihre Krankheit, erzählt sie stolz. "Wir verzichten auf viel", sagt sie. Trotzdem wird es oft knapp. Karen Holzinger ist verschuldet. Vor einem Jahr hat sie Privatinsolvenz angemeldet. "Ich stehe überall in der Kreide." Seit sie mit 16 Jahren zum ersten Mal schwanger wurde ist sie abhängig vom Amt. Jetzt hofft sie auf die Erwerbsunfähigkeitsrente.

In vielen Momenten rückt das Geld in den Hintergrund. Dann ist es nicht mehr wichtig, dass es Rindsrouladen nur gibt, wenn sie gerade im Angebot sind. Dann zählt nur noch eins: die Familie. So wie heute an Heilig Abend, wenn die Patchworkfamilie um den Adventskranz sitzt und eine Kerze für Nicole anzünden.