A71 - Restrisiko für Trinkwasser?

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Der Muschelkalkboden im Schutzgebiet ist besonders durchlässig. Auch deshalb wurde die Forderung umgesetzt, eine Wasseraufbereitungsanlage für den Notfall zu installieren (im Hintergrund). Foto: Carmen Schmitt
Der Muschelkalkboden im Schutzgebiet ist besonders durchlässig. Auch deshalb wurde die Forderung umgesetzt, eine Wasseraufbereitungsanlage für den Notfall zu installieren (im Hintergrund). Foto: Carmen Schmitt
Leonhard Rosentritt vom WWA hat die Planung und den Bau der A71 begleitet. "Ich hätte diese Autobahn lieber nicht im Schutzgebiet", sagt er. Foto: Carmen Schmitt
Leonhard Rosentritt vom WWA hat die Planung und den Bau der A71 begleitet. "Ich hätte diese Autobahn lieber nicht im Schutzgebiet", sagt er.  Foto: Carmen Schmitt
 
An der Ortsverbindung Poppenlauer - Maßbach wurden am 6. Oktober 2005 - zwei Monate vor der Eröffnung der A71 - die letzten Lücken in den Beton-Leitplanken geschlossen. Foto: Archiv/Thomas Malz
An der Ortsverbindung Poppenlauer - Maßbach wurden am 6. Oktober 2005 - zwei Monate vor der Eröffnung der A71 - die letzten Lücken in den Beton-Leitplanken geschlossen.  Foto: Archiv/Thomas Malz
 
Foto: Carmen Schmitt
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Eine Autobahn im Wasserschutzgebiet - gibt´s nicht? Gibt´s ja wohl: Die A71 durchschneidet ein sensibles Gebiet, aus dem einige Tausend Menschen ihr Trinkwasser beziehen. Das Restrisiko ist gedrosselt - aber da.

Die Autos peitschen vorbei. 40-Tonner prügeln die Steigung bergauf. Der Nebel hängt über der Fahrbahn. Der Belag glänzt feucht. Nicht nur die Nässe sammelt sich auf dem dunklen Asphalt der A71. Unsichtbar, aber da: Streusalz, Reifenabrieb und Öl. Diese Stoffe sind gefährlicher als sie klingen. Vor allem auf diesen sieben Kilometern auf der Höhe von Münnerstadt.

Die Autobahntrasse durchschneidet ein sensibles Wasserschutzgebiet. Zweieinhalb Millionen Kubikmeter Wasser werden jedes Jahr aus dem Münnerstädter Graben gefördert. Das Wasser, das bei vielen Bad Kissingern, Münnerstädtern und Nüdlingern aus den Hähnen sprudelt, stammt aus diesem Schutzgebiet. Damit sichergestellt werden kann, das dieses Wasser sauber ist, braucht es "Gürtel und Hosenträger", sagt Leonhard Rosentritt.

Heute ist der 58-Jährige leitender Baudirektor am Wasserwirtschaftsamt (WWA) Bad Kissingen. Damals, als die A71 geplant und gebaut wurde, war er Abteilungsleiter und hat das Projekt von Anfang bis Ende begleitet. "Ich hätte diese Autobahn lieber nicht im Schutzgebiet. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir das Restrisiko minimiert haben", sagt er.


Besonderer Schutz

"Das Restrisiko bleibt", sagt Helmut Schultheiß vom Bundnaturschutz (BN) in Nürnberg. "Wenn der Trinkwasser- und der Umweltschutz ernst genommen worden wäre, hätte die Autobahn nicht gebaut werden dürfen." Für den damaligen bayerischen Umweltminister Thomas Goppel (CSU) stand fest: Die geplante Autobahn birgt keine Gefahr für die Trinkwasserversorgung im Raum Bad Kissingen. Aber: "Besondere bauliche Maßnahmen" mussten her. Zwar habe der Umweltverband erreicht, was "unter realistischen Umständen zu erwarten war", dennoch sind diese "besonderen Maßnahmen" für Helmut Schultheiß nichts weiter als eine "Zweitlösung".


"Hauptargument gegen A71"

Karl und Ilse Schwarz aus Poppenlauer hatten sich mit einigen anderen in der "Bürgeraktion B19/A81" organisiert. Sie ergründeten ab 1992 mit dem "Arbeitskreis Wasser" die Gefährdung des Trink- und des Grundwassers, die sie mit dem Bau der Autobahn befürchteten. "Der Wasserschutz war das Hauptargument gegen die Autobahn", sagt Karl Schwarz. Das Hauptproblem: der Untergrund. Der Muschelkalk in der Schutzzone hat Risse und Spalten. Der Fels wirkt nicht wie ein Filter, sondern ist durchlässig. Und der Boden darüber ist ohnehin nicht besonders dick. Die Bürgerinitiative hielt die Risiken für "unverantwortlich". Dass die Trasse durch genau diese Schutzzone geplant wurde, passte den Umweltschützern gar nicht. Nicht nur denen: Der Widerstand in der Region war enorm. Nicht zuletzt aus Angst, das Trink- und das Grundwasser könnte verunreinigt werden. Ihr Protest lief nicht ins Leere: "Die Aktion hat höhere Anforderungen an den Bau gebracht", sagt Karl Schwarz heute. Ihr Erfolg: Die empfindliche Schutzzone wurde besonders sensibel behandelt.

Hunderte Betonelementen haben sich entlang der Autobahn als Schmutzschleuße formiert. Auf sieben Kilometern rauschen Autos und Lkw durch eine abgedichtete Betonwanne. Ein doppelter Boden einen halben Meter unter der Fahrbahn soll dafür sorgen, dass im Notfall wirklich nichts in die Erde sickert. Über dieser Schicht fließt alles in Richtung eines Rohrsystems. Darüber wird das Wasser auf Höhe der Maßbacher Autobahnabfahrt abgeleitet. Alle fünf Jahre wird geprüft, ob die Rohre dicht sind. An der nächsten Station soll sich der Schmutz in Wasserbecken absetzen. Dann fließt das Wasser weiter in die Lauer.

Ein "neuralgischer Punkt" ist das Gebiet unter der Thalwasserbrücke, meint Leonhard Rosentritt. Eine Dichtungsschicht aus Lehm soll im Boden unter der Brücke für den Fall der Fälle sicherstellen, dass nichts durchkommt. Den allerletzten Schutz soll die Wasseraufbereitungsanlage bieten. Die steht auf Abruf bereit, sollte das Trink- und Grundwasser gefährdet sein. Ohne Autobahn hätte es all diese "besonderen Maßnahmen" nicht gebraucht. "Es wäre auch eine kleinere Lösung möglich gewesen", sagt Karl Schwarz. Der Bau der A71 - eine politische Entscheidung.

Das Wasser wird regelmäßig untersucht. "Die Werte und Befunde haben ergeben, dass die Wannenlösung funktioniert", urteilt das Bad Kissinger Gesundheitsamt. "Das Menschenmögliche ist getan", sagt Leonhard Rosentritt vom WWA.