Wer in Franken noch einen Wachszieher-Azubi treffen will, muss ganz weit nach Westen fahren. Die Firma Richard Wenzel in Aschaffenburg bildet solche Kerzenmacher aus. Einer der Hauptkunden sind die Kirchen.
So richtig wusste André Ihl nach der Mittleren Reife nicht, was er für eine Ausbildung machen sollte. Beliebte Berufe wie Kfz-Mechatroniker kamen für ihn nicht infrage. "Mit Autos kann ich nichts anfangen", sagt er. Dann sah er, dass die Firma Richard Wenzel Lehrlinge sucht. Dem 17-Jährigen aus Hösbach war der Kerzenfertigungsbetrieb ein Begriff. Das Aschaffenburger Unternehmen in der Nähe seines Heimatortes ist mit 180 Mitarbeitern einer der großen Kerzenproduzenten in Deutschland. "Wir machen 150 Millionen Kerzen im Jahr und 200 Millionen Tee- und Opferlichter", berichtet Andreas Jaksch, der zusammen mit seinem Bruder die Firma führt. Richard Wenzel war Jakschs Großvater. Der Urgroßvater hat den Betrieb vor genau 120 Jahren gegründet.
Als der 54-jährige Wachsziehermeister vor 39 Jahren seine Ausbildung im Familienbetrieb begonnen hat, hatten sie zwölf Mitarbeiter. Der Ende der 1970er Jahre geborene Trend, daheim bei Tisch Kerzen abzubrennen, habe den Aufschwung gebracht. "Die Kerze ist inzwischen ein Dekorationsartikel. Auf diesen Zug sind wir aufgesprungen und immer größer geworden", sagt Jaksch. Es sei allerdings schwer, sich gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu behaupten. Die sitze in China oder Polen. Aber dort sei die Qualität nicht so wie hier.
Wenn es um Qualität geht, kommt der Wachszieher ins Spiel, der seit kurzem Kerzenhersteller heißt. "Um normale Kerzen zu machen, brauche ich so etwas nicht. Unsere Kerzenmacher sind für die Sparte Kirche tätig, zum Beispiel um in Handarbeit eine Osterkerze zu fertigen", erklärt Jaksch.
André Ihl, derzeit im ersten Lehrjahr, ist nicht der einzige Azubi in der Firma. "Wir bieten die Ausbildung jedes Jahr an, haben aber in den vergangenen acht bis zehn Jahren niemand gefunden", berichtet der Chef. Aktuell beschäftigt er vier Lehrlinge: zwei Kerzenhersteller und zwei Wachsbildner. Letztere veredeln und gestalten fertige Kerzen künstlerisch. Die Kerzenmacher dagegen stimmen Wachs und Docht aufeinander ab.
Der Name Wachszieher kommt dabei von einem Arbeitsschritt ganz zu Beginn der Kerzenherstellung. Das flüssig angelieferte Wachs (in der Regel Paraffin) schwimmt in einer langen Wanne am Boden einer der beiden großen Zugmaschinen. Darüber laufen auf großen metallenen Rollen nebeneinander, meterweise aufgewickelt, die Baumwolldochte. Diese werden nun immer wieder durch das flüssige Wachsbad gezogen, kühlen dazwischen ab, bis die gewünschte Stärke erreicht ist. Der Azubi lernt, die flüssigen Wachse nach einem Rezept anzumischen, in die Maschinen zu füllen, den meterlangen Docht aufzuziehen und regelmäßig den Produktionsablauf der Anlagen zu überprüfen. Anschließend muss er die geschnittenen Kerzenstränge zum Beispiel glätten oder Fuß (Lochen) und Spitze (Köpfeln) bearbeiten. Neben dem Ziehen gibt es noch drei weitere Arten, Kerzen herzustellen: Die gängigste Art ist das Pressen, außerdem bei sehr langen Kerzen das Übergießen und schließlich das Tunken. 7500 Tonnen Wachs werden so jedes Jahr in Aschaffenburg verarbeitet.
Die Firma Wenzel beliefert hauptsächlich den Floristik-Großhandel, das andere Standbein ist die Kirche. Man sieht es einer Kerze von außen nicht an, wie die Qualität ist. "Selbst der Profi kann das nicht", sagt Wenzel. Anbieter wie Ikea zielten auf Masse ab und auf billig. "Da akzeptiert der Kunde zum Beispiel bei Teelichtern, dass er die Hälfte des Kaufs wegschmeißt", wundert sich Jaksch.
Bei Wenzel bedeute Qualität, dass saubere Rohstoffe ohne Gifte verwendet werden und dass Docht und Brennmasse so aufeinander abgestimmt sind, dass die Kerze wenig rußt, erklärt Jaksch.