Schüler löschte bei Ansbacher Amoklauf die Molotow-Brände - heute ist er Lehrer

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Vor 16 Jahren befand sich Johannes Knoblach während des Amoklaufs von Ansbach zeitweise alleine mit dem Täter in der Schule. An das Erlebte erinnert er sich genau.

Die Flucht des Amokläufers von Ansbach aus einer forensischen Psychiatrie in Erlangen beschäftigt momentan die Region - auch wenn Ärzte und Polizei den mittlerweile 34-Jährigen als ungefährlich einstufen. Dennoch bleiben die Bilder der Tat am 17. September 2009 lebendig. Der Polizist, der den Amokläufer damals stoppte, berichtete von der Begegnung, den zahlreichen Schüssen, die er abgeben musste. Nur wenige Meter entfernt stand Johannes Knoblach, damals selbst Schüler des Carolinum-Gymnasiums ins Ansbach.

Im Gespräch mit inFranken.de erzählt er: Er sei im selben Jahrgang gewesen, Georg R. war sein Mitschüler. Als zurückgezogener Einzelgänger, der stets unauffällig war, beschreibt er ihn. An dem Tag des Anschlags habe er zunächst nur die Brände durch die Molotowcocktails wahrgenommen. Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr lag Knoblachs Fokus darauf, diese zu löschen. Dass er sich dadurch zeitweise alleine in dem evakuierten Gebäude mit dem Täter befand, ahnte er damals nicht.

Amoklauf in Ansbach 2009: Johannes Knoblach sah, wie Georg R. die Kugeln trafen

Zum Tatzeitpunkt habe er in der Cafeteria gesessen, ein panischer Schüler habe ihn auf die Tat aufmerksam gemacht. "Erst dachte ich, das ist ein Scherz", erinnert er sich. Dass es keiner war, habe er realisiert, als der erste Molotowcocktail ins Treppenhaus flog. Auch wenn er noch nicht ahnte, dass es sich um einen Amoklauf handelte, habe er einen Notruf abgesetzt und mit dem Feuerlöscher der Schule erste Glutnester gelöscht. 

Danach habe er die Zimmer des dritten Stockwerks, in dem sich auch der Täter befand, nach Bränden abgesucht und weiter gelöscht, bis zwei Polizisten ins Gebäude gestürmt kamen. Sofort habe ihn die Angst gepackt, man könne ihn - an diesem Tag mit schwarzem Mantel und dunklem Hut gekleidet - für den Täter handeln. "Nein, ich lösche hier nur. Ich lösche hier nur", habe er darum immer wieder gesagt. Die Polizisten beschrieben ihn in ihrem Bericht später als "verstörten Jungen".

Gemeinsam mit den Beamten und dicht hinter ihnen sei er schließlich an der Jungentoilette angekommen. Knoblach stand nur zwei Meter daneben, als Georg R. den Polizisten attackierte und mit mehreren Schüssen von ihm überwältigt wurde. "Damals hatte ich das Gefühl, dass die Polizisten das alles sehr gut unter Kontrolle haben", erzählt er. Erst rückblickend war ihm klar geworden, wie gefährlich auch die 15 Minuten waren, in denen er alleine, nur einige Räume vom Täter entfernt, im dritten Stock die Brände löschte.

Schüler wird als "Held von Ansbach" gefeiert: "Eine Rolle, mit der ich mich nie anfreunden konnte"

Nach diesem Tag bekam er Auszeichnungen von Feuerwehr und Innenministerium, wurde von vielen Medien als "Held von Ansbach" gefeiert. "Für mich als Jugendlicher eine Überforderung - das war eine Rolle, mit der ich mich nie anfreunden konnte", erzählt er heute. "Ich hab ja einfach nur das getan, was ich als Feuerwehrler gelernt habe." Die Auszeichnungen habe er daher eher stellvertretend für alle entgegengenommen, "die täglich bei der Feuerwehr so viel leisten."

Auch wenn das Thema durch Gerichtstermine, zu denen er als Zeuge geladen war, und Interviews immer sehr präsent in seinem Leben gewesen sei, habe er das Erlebte gut verarbeiten können - auch mithilfe der damaligen Schulpsychologen. Das wichtigste Auffangnetz sei jedoch der Jahrgang und die Schulfamilie gewesen, mit denen viel aufgearbeitet worden sei.

An seiner Entscheidung, Lehramt zu studieren, änderte die Tat nichts. Heute ist er Gymnasiallehrer für Geschichte und Deutsch und auch als Studienrat tätig. Angst, in dieser Rolle erneut einen Amoklauf zu erleben, habe er nicht. "Ich vertraue meinen Schülern und glaube, dass wir als Schule gute Wege haben, Schüler, denen es nicht gut geht, früh aufzufangen", begründet er. Nachdem es in den 2000ern mehrere Amokläufe in Deutschland gegeben habe, seien die Frühwarnsysteme an Schulen im ganzen Land verbessert worden. Dennoch habe ihn das Erlebte sensibilisiert. "Ich achte seitdem sehr auf menschliches Miteinander und darauf, dass sich keiner alleine fühlt", erzählt Knoblach.

"Mulmiges Gefühl" nach Flucht von Ansbacher Amokläufer aus Erlanger Psychiatrie

Seit der Flucht seines ehemaligen Mitschülers aus der Psychiatrie beschleiche ihn nun ein "mulmiges Gefühl". Angst, wenn er unterwegs ist, habe er jedoch nicht, da er auf die Einschätzung der Ärzte und Psychologen vertraue. "Und generell ist es ja auch sinnvoll, dass jeder, egal was er getan hat, das Recht hat, wieder die Freiheit zu erlangen", betont er.

Vorschaubild: © Collage inFranken.de / Daniel Karmann, dpa; privat