Die freie Bamberger Theatertruppe "Wildwuchs" spielt Kathrin Rögglas "Junk Space" in einem Parkhaus.
Ein rögglagesättigtes Wochenende. Während im E.T.A.-Hoffmann-Theater Teilnehmer eines international besetzten Kolloquiums über "Literatur im Ausnahmezustand" debattierten, lud die freie Theatergruppe "Wildwuchs" in ein weniger angenehmes Ambiente. Für Kathrin Rögglas "Junk Space" von 2004 suchten sich die jungen Schauspieler unter der Regie von Frederic Heisig und Kristina Greif einen ungewöhnlichen Spielort: das dritte Deck eines Parkhauses.
Ein exemplarischer "Junk Space" im Sinne Rem Koolhaas'. Der niederländische Architekt beschrieb damit öde Orte, "Fallout der Modernisierung". Existiert dazu auch humaner Fallout? Schopenhauers "Fabrikware der Natur" fällt einem dazu ein. Welcher Art sind die psychischen Deformationen der Individuen dieses "Systems"? Die Autorin hat ausgiebig recherchiert und das gewonnene Material zu einer Momentaufnahme von Angestelltenhöllen zusammenmontiert. Es ist ein mittelmäßiges Stück geworden, das in einer Reihe steht etwa mit Andreas Veiels "Himbeerreich", mit den grellen Dramen René Polleschs, mit Roland Schimmelpfennigs "Push Up".
Beschädigte Männlichkeit
Wir erleben also sieben Teilnehmer eines Seminars gegen Flugangst mit Allerweltsnamen. Auch die Männerrollen werden von Frauen gespielt mit Zeichen (beschädigter) Maskulinität: einer schiefen Krawatte, einem derangierten Schnauzer, einem Brustband. Die Atmosphäre von klaustrophobischem Masochismus überträgt sich schnell durch am Premierenabend saunaartige Temperaturen, stickige Luft, deprimierende Betonwände und Stahltüren, noch unterstrichen durch kalte Neonbeleuchtung und einen einzigen Scheinwerfer. Sitzbälle kullern herum, wohl nicht ungewöhnliche Requisiten derartiger Veranstaltungen. Auf ihnen hüpfen Herr Schmidt und Konsorten herum, sich zunehmend selbst zerfleischend wie Ratten im Selbsterfahrungs-Käfig, da der Seminarleiter Herr Klose niemals erscheint.
Da ist Herr Schorf (Jennifer Aigner Anderson), der die Regeln der (Arbeits-)Welt bis zur Lächerlichkeit internalisiert hat und die psychisch derangierte Praktikantin Frau Schneider (Christine Renker) vergewaltigen wird. Als Macho-Mann mit Domina-Stimme und eingeschnürten Brüsten tritt Herr Schneyder (Eugeniya Ershova) auf, der Kerl fürs Grobe auch und gerade im Wirtschaftsleben. Er thematisiert die Brutalität der Regeln, denen die "kofinanzierten Menschen", diese Klasse an sich, die niemals eine für sich werden wird, unterliegen. Zwei verhuschte, weiß gekleidete Wesen, Herr Schulze (Mirjam Stumpf) und Frau Schultze (Alexandra Kaganowska) mäandern am Rande der Bühnen-Parknische herum und halten sich aus den verquälten Tiraden der anderen heraus.
Im Lauf des Stücks zerfasern die Phrasen moderner Personalführung zu Sprechblasen wie aus dem Psychojargon der 70er Jahre, wie aus Encounter-Seminaren und ähnlichen Schreckensveranstaltungen. "Über Ängste sprechen, Probleme umarmen" ist vermutlich immer noch in diversen Esoterikszenen kurrent. Am Ende sind diese Charaktermasken so weit wie am Anfang, keine Entwicklung, nirgends.
Beeindruckend die Leistungen der jungen (Laien-)Schauspielerinnen, so wie das Engagement des gesamten Teams, das einen ungewöhnlichen Spielort erschlossen hat und überzeugend nutzt. Junges, wildes Theater für ein junges Publikum. Der Zusammenhang der Tanz-Performance Alexander Kunkels jedoch, der sich schreiend verrenkt und wälzt, mit dem "Junk Space" erschloss sich nicht unmittelbar.
Termin und Karten
Spielort Bamberg, Parkhaus Zentrum Süd, Schützenstr. 2, 3. Parkdeck
Weitere Vorstellung 27. Juli
Karten Buchhandlung Collibri, Tel. 0951/30182710, und bvd, Tel. 0951/98082-20