Ausbau besser steuern
Der zentrale Hebel aus Sicht Reiches ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze «systemdienlich» erfolgt. Das wichtigste Entscheidungskriterium für die Zukunft sollten die Systemkosten sein - die Summe aus den Kosten für Erzeugung, Netze, Speicher und Versorgungssicherheit. «Damit muss gelten, wir bauen so viel zu, wie wir tatsächlich brauchen und es ökonomisch effizient ist», sagte die Ministerin. «Wir vermeiden somit ineffiziente Überkapazitäten.»
Reiche sprach zum Beispiel von einer Anpassung beim Ausbau der Windkraft auf See. Zudem müsse der Zubau von Erneuerbaren-Anlagen und Speichern besser räumlich gesteuert werden - auch um den der Netzausbau bedarfsgerecht zu optimieren. Es gehe nicht um einen «Abgesang» von Zubauzielen, sondern um eine intelligente Steuerung. Das soll auch helfen, den massiven Investitionsbedarf zu verringern.
Beim Ausbau der großen Stromnetze strebt Reiche wie im Koalitionsvertrag angelegt Änderungen an. Bisher gilt ein Vorrang für Erdkabel. Die Nutzung von Freileitungen bei neuen Vorhaben aber würde zu erheblichen Einsparungen führen, heißt es in einem Papier des Ministeriums. Vorantreiben will Reiche den Einbau digitaler Stromzähler, auch als Smart Meter bezeichnet. Sie ermöglichen die Übermittlung aktueller Verbrauchsdaten.
Förderungen
Zum Zehn-Punkte-Plan Reiches zählt, das «Förderregime» der Energiewende zu überprüfen und Subventionen «systematisch» zu senken. Die bisherige Förderung kostet jedes Jahr viele Milliarden. Reiche bekräftigte ihre Pläne, dass neue, kleine Solaranlagen auf dem Dach keine Förderung mehr bräuchten, weil sie sich für die Verbraucher rechneten. Generell soll bei den erneuerbaren Energien im Zuge von EU-Plänen die bisherige fixe Einspeisevergütung für Neuanlagen abgeschafft und durch «differenzierte Finanzierungsmodelle» ersetzt werden.
Neue Gaskraftwerke
Eine große Rolle, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sollen neue Gaskraftwerke spielen. Sie sollen im Zuge des Kohleausstiegs künftig als Backups einspringen, wenn der Strombedarf durch erneuerbare Energien nicht zu decken ist - in «Dunkelflauten», wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht. Geplant ist eine staatliche Förderung, die Milliarden kosten dürfte. Reiche bekräftigte, bis Ende des Jahres sollten erste Ausschreibungen starten.
Reaktionen auf Reiches Pläne
Innerhalb der Koalition dürfte es zu Debatten kommen. So warnte SPD-Fraktionsvize Armand Zorn, bei den Annahmen über den prognostizierten Strombedarf zu konservativ zu sein. «Wir brauchen weiterhin ein Energiesystem, in dem der Ausbau dem Bedarf vorausgeht. Das Energiesystem darf in zehn Jahren nicht die Wachstumsbremse der deutschen Wirtschaft sein.»
DIHK-Präsident Peter Adrian sagte, es sei richtig, dass Reiche stärker auf Kosteneffizienz setze. Der aktuelle Kurs führe zu einer Belastung für Unternehmen und Haushalte, welche die Volkswirtschaft nicht stemmen könne.
Umweltverbände wie Greenpeace dagegen warfen Reiche vor, sie wolle an fossilen Energieträgern festhalten und den Ausbau der erneuerbaren Energien ausbremsen. Der Grünen-Energiepolitiker Michael Kellner sagte, je mehr Erneuerbare ausgebaut würden, desto kleiner werde der Bedarf an teuren Gaskraftwerken. Die Denkfabrik Agora Energiewende kritisierte, den Erneuerbaren-Ausbau auf Basis einer niedrigeren Stromverbrauchsprognose für 2030 zu bremsen, sei «kurzsichtig, kostspielig» und sende das falsche Signal an die Wirtschaft.