Er gilt als größter Steuerskandal der Bundesrepublik: Bei Cum-Ex-Geschäften prellten Investoren den Fiskus um mindestens zehn Milliarden Euro. Nur ein Teil davon wurde zurückgeholt. Der Verein Finanzwende fordert mehr Tempo.
Die Hochphase der illegalen Cum-Ex-Aktiendeals liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück, doch der Fiskus hat erst einen Teil der entgangenen Steuergeld-Milliarden zurückgeholt. Nun fordert der Verein Bürgerbewegung Finanzwende auch angesichts der Haushaltskrise eine schnellere Aufarbeitung des größten Steuerskandals der Bundesrepublik. Zudem müssten 2024 die Ermittlungen bei verwandten Cum-Cum-Deals vorankommen.
«Derzeit werden händeringend Milliarden für Einsparungen gesucht, aber unberechtigte Gewinne der Banken werden nicht konsequent zurückgeholt», sagte Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, der dpa. «Das ist eine politische Frage.»
«Werden nie das ganze Ausmaß erfahren»
Schick forderte mehr Ehrgeiz von der Politik. «Je länger es dauert, Fälle aufzuarbeiten und Verfahren abzuschließen, desto schwieriger wird es, Täter zu bestrafen und Gelder einzutreiben.» Ohnehin werde man nie das komplette Ausmaß von Cum-Ex erfahren und das ganze Steuergeld zurückbekommen. «An die entgangenen Summen vor 2007 kommt man nicht mehr heran», sagt der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete.
Bei Cum-Ex-Aktiengeschäften ließen sich Banken und andere Investoren einmal gezahlte Kapitalertragssteuern auf Dividenden mehrfach vom Staat erstatten. Dabei nutzten Investoren eine damalige Gesetzeslücke: Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit («Cum») und ohne («Ex) Ausschüttungsanspruch zwischen Beteiligten hin- und hergeschoben, um die Finanzämter zu verwirren. Geschätzt entstand ein Steuerschaden von mindestens zehn Milliarden Euro.
Erst 2012 wurde das Schlupfloch geschlossen, 2021 stufte der Bundesgerichtshof Cum-Ex als Steuerhinterziehung ein. Immer mehr Angeklagte wurden verurteilt, etwa der Steueranwalt Hanno Berger sowie Ex-Beschäftigte der Maple Bank und der Hamburger Warburg-Bank. Vor Gericht steht zudem der Warburg-Bankier Christian Olearius.
Es gebe zwar inzwischen mehr Staatsanwälte für Cum-Ex-Verfahren, aber es fehle an Ermittlern und Kriminalbeamten, kritisiert Schick. Zudem mangele es weiter an Rückendeckung der Politik. Das zeige die «versuchte Entmachtung» der Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker.
Bisher wurden nach Zahlen des Bundesfinanzministeriums 149 Cum-Ex-Fälle rechtskräftig abgeschlossen. Dabei wurden 3,4 Milliarden Euro an Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zurückgefordert oder entsprechende Erstattungsanträge abgelehnt. Nach jüngsten Daten von Ende 2022 waren 418 Cum-Ex-Verdachtsfälle in Bearbeitung gemeldet mit einem Steuervolumen von rund 3,9 Milliarden Euro.