Streit in Wirtschafts- und Finanzpolitik
Es gibt noch andere große Brocken in der Ampel. Zwar sind sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner in der Analyse einig. Angesichts der Konjunkturflaute und struktureller Probleme wie einer im internationalen Vergleich hohen Steuerlast und hohen Energiepreisen müssten Unternehmen in Deutschland entlastet werden, um sich auch künftig auf den Weltmärkten behaupten zu können.
Aber wie Entlastungen aussehen sollen, darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Habeck will ein milliardenschweres, schuldenfinanziertes Sondervermögen, um zum Beispiel Steuergutschriften für Investitionen in den Klimaschutz zu ermöglichen. Ein von der Bundesregierung geplantes Wachstumspaket könnte in einem Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag ziemlich gerupft werden.
Die FDP aber lehnt mehr Schulden ab, wie auch eine Reform der Schuldenbremse. Sie schlägt neben weniger Bürokratie unter anderem vor, den Solidaritätszuschlag komplett zu streichen, was bei SPD und Grünen umstritten ist.
Doch nicht nur in der Wirtschafts- und Finanzpolitik tun sich Gräben in der Koalition auf. Auch in der Energiepolitik ist vieles unklar - zum Beispiel, ob es Unterstützung für Solarfirmen geben soll, damit diese angesichts der Billigkonkurrenz aus China weiter in Deutschland produzieren. Zurückhaltend ist die FDP auch bei Plänen aus dem Agrarministerium von Ressortchef Cem Özdemir (Grüne) für eine neue Verbrauchssteuer - einen «Tierwohlcent» als Preisaufschlag für Fleisch im Supermarkt, um Bauern beim Umbau der Tierhaltung zu finanziell zu unterstützen.
Kritik an FDP
SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte, es sei gängige Praxis, dass die Bundesregierung sich bei Entscheidungen in der EU enthalte, wenn kein Konsens innerhalb der Regierung bestehe. «Ärgerlich ist, wenn zunächst Zustimmung zu Kompromissen zugunsten der Interessen Deutschlands signalisiert wird, diese dann aber in letzter Minute zurückgezogen wird. Das schwächt das Vertrauen in Deutschland und verschlechtert unsere Verhandlungsbasis. Politik ist mehr als zu sagen, was nicht geht.» Sie müsse vor allem verlässlich sein. «Ich erwarte hier konstruktive Zusammenarbeit seitens unseres Koalitionspartners.»
Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jusos, kritisierte: «Die FDP kennt aktuell insbesondere auf europäischer Ebene nur einen Zustand: Blockade.» Die Liste an Themen, bei denen sie sich nicht einmal mehr gesprächsbereit zeige, werde immer länger. «Bisher sorgte das vor allem dafür, dass die selbst ernannte Fortschrittspartei zu einer Partei des Stillstands wird.»
Greenpeace-Mobilitätsexperte Benjamin Stephan sagte: «Es ist höchste Zeit, dass Olaf Scholz die FDP-Posse über Lkw-Grenzwerte zur Chefsache macht. Der Kanzler muss diese neue Rückwärtsrolle der FDP stoppen, bevor die Partei mit ihren inszenierten Blockaden Deutschland in der EU endgültig zu einem unzuverlässigen Wackelkandidaten macht.»