Impfpflicht: Die Debatte um Bußgelder ist total daneben

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Ein Kommentar von Io Görz
Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, hier in Nürnberg
Wie mit Menschen umgehen, die sich gegen eine Impfung verweigern, wenn die Impfpflicht kommt? Darüber debattiert die Politik. Teilweise geht die Debatte völlig fehl.
Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, hier in Nürnberg
- (dpa)

Tübingens OB Boris Palmer hat bei "Maischberger, die Woche" hohe Bußgelder für Vergehen gegen eine mögliche Impfpflicht aufgebracht. Die Kritik daran geht völlig fehl, denn bei Strafen sollte man nicht danach gehen, ob mögliche Delinquent*innen trotzig und aggressiv reagieren. Ein Kommentar.

Kommt eine Impfpflicht oder doch nicht? Die Debatte um eine allgemeine oder eingeschränkte Impfpflicht, etwa für Menschen ab 50 oder 60, erhitzt die Gemüter. Zuletzt hat Tübingens OB Boris Palmer bei Sandra Maischberger für Aufsehen gesorgt mit der Forderung nach hohen Bußgeldern im Fall einer Impfpflicht – 5000 Euro schweben dem Grünen-Politiker vor. 

Nicht nur in der Sendung „Maischberger, die Woche“, sondern auch sonst, kommt gerade aus den Reihen der FDP Kritik an harten Strafen für Impfverweiger*innen. Am 12. Januar bei Maischberger hat FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg zurückhaltend gezeigt, was harte Strafen wie Bußgeld oder Beugehaft bei renitenten Impfgegner*innen angeht. Harte Strafen würden „Trotz und Widerstand“ erzeugen, so Teuteberg, man würde "diejenigen, die nicht zu überzeugen sind, noch aggressiver machen".

Besänftigung statt Klarheit: Die Politik richtet sich an die Falschen

Das ist das Ärgerliche an der Debatte um die Impfpflicht: Die Politik schreckt vor einer radikalen Minderheit zurück und gerade bei der FDP versucht man sich in Appeasement-Rhetorik in Richtung der Impfgegner*innen. Man stelle sich vor, es ginge um ein anderes Thema, bei dem als Grund gegen Strafen angeführt würde, damit würde man die Delinquent*innen aggressiv und trotzig machen. Das ist absurd und in der Ausrichtung völlig falsch. Man richtet Strafen nicht daran aus, wie sehr sie potenziellen Bestraften gefallen, sondern daran, wie wirksam sie sind und in welchem Verhältnis sie stehen zum Vergehen. Es ist beschämend, wie sich die Politik vor einer lauten und radikalisierten Minderheit windet und erniedrigt. 

Natürlich ist eine Impfpflicht nichts, was man ob des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit auf die leichte Schulter nehmen darf. Doch diese Debatte muss völlig unabhängig davon geführt werden, wie man dann mit jenen umgeht, die sich nachhaltig weigern und sich der Pflicht nicht beugen. Geht man nach Abwägung von Risiken und Nutzen davon aus, dass eine Impfpflicht maßgeblich zur Beendigung der Corona-Pandemie beiträgt, muss man sie mit Augenmaß, aber eben auch mit Klarheit durchsetzen. 

Es wäre nämlich durchaus mehr als angebracht, nicht immer nur an die Befindlichkeiten von krakeelenden Impfgegner*innen zu denken, sondern auch an die Stimmung bei der großen Mehrheit der Bevölkerung, die unter dem irrationalen Trotz von Wenigen leiden muss. Vor allem dann, wenn die Politik zu feige ist, mit offenem Visier und Klarheit die notwendigen Maßnahmen in Gang zu bringen und dann auch durchzusetzen.