Auf die Frage, warum sie so lange auf das Einschreiben habe warten müssen, sei ihr gesagt worden, dass die Post vor Ort viel weniger Zustellpersonal habe als früher.
Beschwerdezahlen seit dem Sommer 2022 deutlich gestiegen
Solche Beispiele sind zunächst zwar nur Einzelfälle, die auch individuelle Besonderheiten enthalten können. Die Summe der Fälle ergibt jedoch ein ernüchterndes Bild. Lange hielten sich die Post-Beschwerdezahlen auf eher niedrigem Niveau, bevor es im Sommer 2022 deutlich nach oben ging und das Unternehmen das Thema zunächst herunterspielte. Schließlich räumte es lokale Probleme ein und begründete diese mit Personalproblemen.
Als Reaktion auf die Halbjahreszahlen sagt ein Post-Sprecher, dass jede Beschwerde eine zu viel sei und dass sein Unternehmen täglich an Qualitätsverbesserungen arbeite. Er weist zudem darauf hin, dass der Anteil der Beschwerden an den Milliarden an zugestellten Sendungen gering sei. Der Bonner Konzern stellte im vergangenen Jahr in Deutschland 12,2 Milliarden Briefe und 1,8 Milliarden Pakete zu.
Der Firmensprecher räumt jedoch ein, dass es im ersten Halbjahr phasenweise Einschränkungen in den betrieblichen Abläufen gegeben habe, etwa die Warnstreiks zu Jahresbeginn und Folgen der Hitzewelle im Juni, als das Arbeitspensum reduziert werden musste. Dies habe an einzelnen Standorten zu Rückständen und Verzögerungen geführt.
Änderungen des Postgesetzes nicht allen Briefkunden bekannt?
Des Weiteren führt der Post-Sprecher die Beschwerde-Entwicklung auf Änderungen des Postgesetzes zurück, die zum Jahresbeginn in Kraft getreten sind. Seither hat das Unternehmen bei der Beförderung von Briefen viel weniger Zeitdruck als früher: Mussten vorher die allermeisten Briefe schon nach ein bis zwei Werktagen angekommen sein, so greift so eine Pflicht inzwischen erst am dritten Werktag - die durchschnittliche Wartezeit auf Briefe steigt also. Dadurch kann die Post Kosten senken und ihr Zustellsystem umstellen. Der Logistiker befördert im Digitalzeitalter immer weniger Briefe, wodurch das klassische Briefgeschäft unter Druck gerät.
Inzwischen bündelt die Post ihre Sendungsmengen: Soll etwa ein Empfänger am Dienstag und Mittwoch je einen Brief bekommen, so wird der Dienstagsbrief nun zurückgehalten und erst am Mittwoch zusammen mit dem zweiten Brief zugestellt. Dadurch spart sich der Briefträger einmal den Weg zum Briefkasten. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das allerdings auch, dass sie im Schnitt häufiger in einen leeren Briefkasten schauen als früher - und zwar nicht nur wegen des Internet-Zeitalters, in dem E-Mails und Chat-Nachrichten die klassischen Briefe verdrängen, sondern eben auch wegen der Postgesetz-Reform.
Auf die Folgen der Gesetzesänderungen weist auch der Post-Sprecher in seiner Reaktion auf die Beschwerdezahlen hin. "Die Postversorgung heute ist eine andere als in den Jahren davor: Zum Jahreswechsel haben sich die Brieflaufzeiten gemäß Postgesetz verlängert." Man stelle fest, dass die Änderungen nicht allen Briefkunden bekannt seien und sich daher Kunden mit Fragen an das Unternehmen wendeten.
420.000 Beschwerden direkt bei Post
Separat zu den Beschwerden bei der Bundesnetzagentur (direkt zur Website) können sich Verbraucher auch direkt bei der Post melden. Im vergangenen Jahr gingen dort circa 420.000 Beschwerden ein.
In der Politik behält man das Thema im Blick. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff sagt, dass die Tendenz bei den Beschwerden ernstzunehmen sei. Roloff hat die Postgesetz-Reform mitverhandelt. "Die neuen Regeln bei der Postzustellung müssen sich tatsächlich erst einspielen, allerdings hat die Post durch den Gesetzgeber mehr Spielraum und Flexibilität bekommen, was sich eigentlich in mehr Zuverlässigkeit auswirken sollte", meint der Sozialdemokrat. "Das ist die klare Erwartung auch an die Personalplanung der Post."
Übrigens gilt auch für den Versand von Paketen seit Anfang des Jahres eine neue Regelung, die Kunden von DHL und Hermes beachten müssen. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen.