Grippe: Fachleute warnen schon jetzt vor deutlich spürbarer Krankheitswelle
Autor: Agentur dpa
Deutschland, Donnerstag, 21. Sept. 2023
Die Warnsignale sind da: Im Winter könnte laut Fachleuten eine deutlich spürbare Grippewelle kommen. Auch wenn die Impfung die Infektion nicht immer verhindern könne, sei sie keineswegs überflüssig.
Influenzaviren konnten während der Sars-CoV-2-Pandemie fast in Vergessenheit geraten: Grippewellen im klassischen Sinn fielen wegen der in vielen Ländern verhängten Corona-Maßnahmen aus oder verliefen anders als gewohnt. Nun sind Maske, Abstand und Vorsicht für die meisten Menschen Geschichte. Auch die Grippe könnte da wieder leichteres Spiel haben. "Vielen Kindern und Erwachsenen fehlt die Immunität durch vorherige Infektionen in den Pandemie-Jahren", sagt Folke Brinkmann, die die Sektion Pädiatrische Pneumologie an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein leitet.
In rund zwei Wochen beginnt die Grippesaison - im Zeitfenster von Oktober bis Mitte Dezember raten Fachleute gefährdeten Gruppen wie ab 60-Jährigen zur Grippeschutzimpfung. Rund 18,8 Millionen Impfstoffdosen sind nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts bislang freigegeben. Ihren Höhepunkt erreicht die Grippewelle meist erst nach dem Jahreswechsel. Als Warnsignal werten mehrere Experten den Verlauf der Grippesaison im australischen Winter. Diese gilt manchen als Marker für das bevorstehende Geschehen in Europa. Generell lassen sich der Verlauf und die Schwere der Welle nicht vorhersagen.
Nach Corona: Grippewelle besonders gefährlich?
Australiens Zahlen deuteten darauf hin, dass auch hier mit einer zumindest deutlich spürbaren Welle zu rechnen sei, sagte Markus Beier, Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, am Mittwoch in Berlin. Er appellierte an die Gruppen, die unter die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) fallen, die Impfung zu nutzen, um "möglichst schadlos" durch den Winter zu kommen.
In Australien gab es Beier zufolge in Teilen eine Impfmüdigkeit, und Anzeichen dafür gebe es auch hier. In Beratungen zeige sich teils ein gewisses Misstrauen nach der Diskussion um Corona-Impfstoffe, aber auch der Wunsch nach Normalität nach der Pandemie. Es gehe den Hausärzten nun nicht um Alarmismus, sagte Beier. "Es ist einfach so, dass die steigende Anzahl der Fälle einfach das ambulante System an sein Limit bringen wird und dann irgendwann auch das stationäre System."
Laut Robert Koch-Institut (RKI) stecken sich während einer Welle je nach Stärke schätzungsweise 5 bis 20 Prozent der Bevölkerung an, also bis zu 16 Millionen Menschen. Wie bei Corona zeigt die Statistik lediglich laborbestätigte Fälle. Aus Sicht von Experten nutzen die Deutschen daher die Grippeschutzimpfung bisher viel zu wenig. Bei Älteren werden 75 Prozent Geimpfte angestrebt, tatsächlich ließ sich in der Saison 2020/21 bei den ab 60-Jährigen jedoch weniger als jeder Zweite gegen Grippe impfen.
Grippe als oftmals unterschätzte Krankheit
Der Begriff Grippe wird umgangssprachlich auch manchmal leichtfertig bei harmlosen Beschwerden wie Unwohlsein und Schnupfen verwendet, die durch ganz andere Erreger hervorgerufen werden. Die echte Influenza hat jedoch ernstere Konsequenzen, bei manchen Patienten kommt es zu Komplikationen. Bei der heftigsten Grippewelle seit Jahrzehnten in Deutschland in der Saison 2017/18 starben nach Schätzungen etwa 25.000 Menschen. Die Schwere der Wellen kann von Saison zu Saison ganz unterschiedlich ausfallen.
Corona-Schnelltest von CITEST: Den Testsieger der Stiftung Warentest bei Amazon ansehenDie Impfung sei die wichtigste Maßnahme gegen die Erkrankung, auch wenn sie keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion biete, schreibt das RKI. Das unterstreicht Nicola Buhlinger-Göpfarte, erste stellvertretende Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes: Man dürfe den Menschen nicht das falsche Versprechen geben, dass sie dank Impfung nicht krank würden. Vielmehr müsse man Patienten erklären, dass die Immunisierung Schlimmeres verhindert habe: "Sie sind nicht auf der Intensivstation gelandet. Sie hatten keine Pneumonie." Fachleute betonten zudem den Nutzen der Impfung zum Vermeiden von Grippe-Folgeerkrankungen des Herzens.