Gleich zu Beginn sieht man, dass erstens sein Amüsement längst der Langeweile gewichen und zweitens die Gräfin von Ceprano nicht bloßes MeToo-Opfer ist. Gilda, die Tochter Rigolettos, ist für ihn auch deshalb reizvoll, weil sie anders ist als die enthemmten Partydamen. Dass Gilda von einer japanischen Sopranistin verkörpert wird, nutzt die Inszenierung inhaltlich: Ihre drängenden Fragen nach der unbekannten Mutter bekommen einen zusätzlichen Sinn, und dass der angebliche Student ihr zum heimlichen Treffen Kirschblütenzweige und einen Kimono mitbringt, stärkt sie. Wenn am bitteren, aber selbstbestimmten Ende tatsächlich der Geist der Mutter auftaucht, ist das kein Kitsch, sondern eine szenisch und musikalisch brillante Lösung.
Gesellschaftlicher Zynismus
Akiho Tsujii bringt in die Rolle nicht nur die passende Stimme, sondern eine traumwandlerisch richtige Körpersprache ein: Ihre Gilda wirkt blutjung, bewegt sich und reagiert entsprechend.
Plötzlich versteht man, warum der Vater sein noch nicht erwachsenes Kind schützen will - und in welcher Sandwichposition er steckt: Hofnarr Rigoletto ist ein Clown, der den gesellschaftlichen Zynismus auf die Spitze treiben soll, treiben muss.
Federico Longhi als Gast ist sängerdarstellerisch ebenfalls eine ideale Besetzung. Mit seinem geschmeidigen und fülligen Bariton offenbart er das Drama eines Mannes, der nicht aus seiner Haut kann.
Seine Wut auf alle anderen und sich selbst führt zu einer überraschenden und tief gehenden Bildfindung: Der Clown, der immer wieder auch mit Handpuppen agiert, mutiert im zweiten Akt gewissermaßen zum durchaus gefährlichen Krokodil aus dem Kasperltheater. Auch der Superhit "La donna è mobile" wird sinnfällig inszeniert. Der Duca, der nicht nachvollziehen kann, warum die entführte Gilda ihn nach der ersten Liebesnacht verlässt, glaubt in seiner Enttäuschung, dass alle Frauen trügerisch sind, und tröstet sich bewusst mit der scheinbar käuflichen, aber ebenfalls selbstbewussten Maddalena (souverän: Katharina von Böhm).
Dramaturgische Wahrhaftigkeit
Roberto Ortiz ist wie geschaffen für diesen Lebemann: ein junger, sehr beweglicher Tenor, der viel Leichtigkeit einbringt und dennoch zeigt, dass auch der Herzog Täter und Opfer zugleich ist - wie fast alle Männer hier!
Igor Tsarkov als Sparafucile, Kosma Ranuser als Graf von Monterone (der mehrfach als Rigoletto alterniert), die weiteren Solisten und der von Anton Tremmel einstudierte Chor sorgen für einen großen Opern-abend. Enrico Calesso im Orchestergraben treibt das Geschehen musikalisch unerbittlich an. Wie er das Orchester im Griff hat und zu Höchstleistungen bringt, wie er mitsingend gleichzeitig die Solisten auf Händen trägt, selbst wenn einem das Tempo manchmal aberwitzig vorkommt, ist ein Ereignis.
Er verhilft dem abgenudelten "Rigoletto" zu einer dramaturgischen Wahrhaftigkeit, die im Zusammenwirken mit der schlüssigen Inszenierung ihresgleichen sucht. Eine Sternstunde, die hoffentlich nicht singulär bleiben möge!