"Würgeengel der Kinder": Schulkind (10) in Deutschland stirbt an Diphterie

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Die Berliner Charité - hier wird der an Diphtherie erkrankte Junge offenbar behandelt
Ein an Diphtherie erkranktes Schulkind wird derzeit offenbar an der Berliner Charité behandelt und intensivmedizinisch betreut.
Die Berliner Charité - hier wird der an Diphtherie erkrankte Junge offenbar behandelt
Monika Skolimowska/dpa

Ein zehn Jahre alter Junge ist an der lebensgefährlichen Infektionskrankheit Diphtherie gestorben. Die auch als "Würgeengel der Kinder" bekannt gewordene Erkrankung forderte Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland mehr als 50.000 Todesopfer - und galt fast als ausgerottet.

Update vom 29.01.2025: Mit Diphtherie infiziertes Schulkind (10) gestorben

Ein Junge, der an Diphtherie erkrankt war, ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin gestorben. Zuvor berichtete der "Tagesspiegel" darüber. Das Kind aus dem Havelland in Brandenburg war nach früheren Angaben des Brandenburger Gesundheitsministeriums nicht geimpft.

Das damals zehn Jahre alte Schulkind war im September wegen einer akuten Entzündung der Rachenmandeln in die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Potsdam gekommen. Später wurde Diphtherie diagnostiziert. Aufgrund des Gesundheitszustandes war das Kind in eine Berliner Klinik verlegt und dort invasiv beatmet worden. Der Junge ging in eine Waldorf-Schule in Berlin. Durch Kontaktnachverfolgung des Gesundheitsamts war bei einem weiteren Menschen aus dem familiären Umkreis des Kindes Diphtherie festgestellt worden. Aufgrund eines Impfschutzes habe die Person allerdings nur einen leichten Erkrankungsverlauf gehabt, teilte der Landkreis Havelland damals mit. 

Nur schwer zu behandeln - Zehnjähriger stirbt an Diphterie

"Viele denken, dass die Ärzte diese Krankheiten heutzutage schon behandeln können. Aber so ist es in vielen Fällen eben nicht", sagte der Leiter der Kinder-Notfallmedizin des Klinikums Westbrandenburg, Bernhard Kosak, der "Märkischen Allgemeinen" im Herbst. "Das stimmt nicht für Meningokokken, nicht für Pneumokokken, nicht für Masern, Mumps, Röteln, nicht für Diphtherie und Tetanus. Die kann ich eben nicht oder nur bedingt behandeln – ein hohes Risiko für Folgeschäden bleibt."

Erkrankte Menschen können im Fall einer Hautdiphtherie Wunden auf der Haut oder, im Fall einer Rachendiphtherie, einen entzündeten Nasen-Rachen-Raum haben. Symptome einer Rachendiphtherie umfassen laut Robert Koch-Institut (RKI) unter anderem Halsschmerzen, Fieber, pfeifende Geräusche beim Einatmen, Schwellungen der Halslymphknoten. Später kann eine Mandelentzündung auftreten.  Diphtherie-Todesfälle sind in Deutschland nach RKI-Angaben sehr selten. 2023 wurde dem RKI ein Todesfall aufgrund einer Hautdiphtherie bei einer erwachsenen Person übermittelt. 2024 war es bislang ein Todesfall aufgrund einer respiratorischen Diphtherie bei einem Erwachsenen.

Einst war die Diphtherie dagegen als "Würgeengel der Kinder" bekannt. 1892 erlagen der Infektion in Deutschland mehr als 50.000 meist junge Menschen. 1913 wurde die Impfung eingeführt, wodurch die Zahl der Infektionen deutlich sank. 2024 gab es dem RKI zufolge in Deutschland 51 bestätigte Erkrankungen, 2025 bislang 2. Die Impfung bietet laut RKI einen zuverlässigen Schutz gegen die Symptome der Diphtherie, nicht aber vor der Infektion mit dem Erreger. Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät allen zur Diphtherieimpfung. Normalerweise erhalten Säuglinge zur Grundimmunisierung drei Dosen im Alter von zwei, vier und elf Monaten. Eine erste Auffrischungsimpfung empfiehlt die Stiko bei fünf- bis sechsjährigen Kindern, eine zweite im Alter von 9 bis 17 Jahren. Erwachsene sollten den Impfschutz alle zehn Jahre auffrischen lassen.

"Die Durchimpfungsrate ist sehr gut", sagte Tobias Tenenbaum, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie bereits vor einiger Zeit der dpa. Deswegen sei die Gefahr, dass es nach einem Fall einen Ausbruch gebe, in Deutschland nicht so hoch. Allerdings könne so ein Ausbruch dann passieren, wenn es eine empfängliche Gruppe gebe, wie etwa eine Schulklasse mit vielen ungeimpften Kindern. Eine Impfpflicht gegen Diphtherie hält er nicht für zielführend.

Ursprungsmeldung: "Würgeengel der Kinder" - Mit Diphtherie infiziertes Schulkind (10) muss beatmet werden

Nach einem Nachweis der lebensgefährlichen Infektionskrankheit Diphtherie bei einem Schulkind in Berlin ist ein zweiter Fall aus dem Umfeld des Kindes bekanntgeworden. "Im Rahmen der Kontaktpersonennachverfolgung" sei bei einem weiteren Menschen ein positiver Labornachweis erbracht worden, teilte der Landkreis Havelland mit. Aufgrund eines Impfschutzes habe die Person allerdings nur einen leichten Erkrankungsverlauf und sei bereits wieder negativ getestet worden. Weitere Angaben zu dem Fall machte der Landkreis mit Verweis auf die Persönlichkeitsrechte nicht.

Das ungeimpfte Schulkind war zunächst wegen einer akuten Entzündung der Rachenmandeln in einem Krankenhaus in Brandenburg behandelt worden, wie der Landkreis mitteilte. Das Krankenhaus habe am 27. September einen Verdacht auf respiratorische Diphtherie gemeldet. Der Verdacht habe sich durch Laboruntersuchungen bestätigt. Medienangaben zufolge handelt es sich um einen zehn Jahre alten Schüler einer Berliner Waldorfschule.

Schulkind (10) an Diphtherie erkrankt - Infektionskrankheit kann tödlich enden

"Die Information über den Befund haben wir am 28. September erhalten, waren dann mit dem Gesundheitsamt in Verbindung, das empfahl, die engeren Kontakte des Kindes auf Diphtherie testen zu lassen", sagte der Geschäftsführer der betroffenen Waldorfschule Havelhöhe in Berlin, Merten Bangemann-Johnson.

Neben anderen Maßnahmen wurden die Kinder der Klassenstufe des betroffenen 10-Jährigen für mehrere Tage vom Unterricht befreit. Aktuell bestehe laut Bangemann-Johnson keine erhöhte Diphtherie-Gefahr an der Schule. "Wir haben keinen anderen Gefährdungsstatus als andere Schulen." 

Trotz der Krankheitsfälle sieht der Sprecher des Brandenburger Gesundheitsministeriums aktuell keinen Grund zur Panik. "Bei den Kindern haben wir eine sehr hohe Impfquote, die über dem bundesweiten Schnitt liegt", erklärte er. Aufgrund der sehr hohen Impfquote bei Kindern bestehe keine Sorge, vor einer weiteren Ausbreitung.

Ende des 19. Jahrhunderts starben mehr als 50.000 Menschen in Deutschland an Diphtherie

Aufgrund des Gesundheitszustandes war der betroffene Zehnjährige in eine Berliner Klinik verlegt worden, wie der Landkreis weiter erklärte. Dort wurde es intensivmedizinisch behandelt und zunächst invasiv beatmet. Der Bild-Zeitung zufolge wird das Kind an der Charité behandelt. Die Charité verwies auf Anfrage auf die ärztliche Schweigepflicht. Auch zum Gesundheitszustand des Kindes machte er keine Angaben.

Erkrankte Menschen können, im Fall einer Hautdiphterie, Wunden auf der Haut oder, im Fall einer Rachendiphterie - wie bei dem Zehnjährigen - , einen entzündeten Nasen-Rachen-Raum haben. Symptome einer Rachendiphtherie umfassen laut Robert Koch-Institut (RKI) unter anderem Halsschmerzen, Fieber, pfeifende Geräusche beim Einatmen, Schwellungen der Halslymphknoten, später kann eine Mandelentzündung auftreten. Die Erkrankung kann tödlich enden.

Einst war die Diphtherie als "Würgeengel der Kinder" bekannt. 1892 erlagen der Infektion in Deutschland mehr als 50.000 meist junge Menschen. 1913 wurde die Impfung eingeführt, wodurch die Zahl der Infektionen deutlich sank. 20 Jahre lang galt die Krankheit in Deutschland sogar fast als ausgerottet.

"Würgeengel der Kinder": Krankheit galt fast 20 Jahre fast als ausgerottet

In diesem Jahr gab es dem RKI zufolge in Deutschland bisher 37 bestätigte Fälle, davon zwei in Berlin. Seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001 liegen die Fallzahlen für Deutschland jährlich im ein- oder zweistelligen Bereich. Lediglich 2022 und 2023 wurden mehr als 100 Fälle registriert. 

Eine Impfung gegen Diphtherie gehört zu den von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlenen Standardimpfungen für Säuglinge und Kinder und wird auch als Auffrischungsimpfung für Erwachsene alle zehn Jahre empfohlen.

Brandenburgs Gesundheitsministerium dringt angesichts der Diphtherie-Fälle auf einen besseren Impfschutz. "Nur durch gute Impfquoten lässt sich verhindern, dass sich die Diphtherie verbreitet", erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage. Es sei auch für Erwachsene wichtig, auf einen Impfschutz zu achten.