Während die Menschen in der Ukraine unter Bomben und Raketen leiden, streiten wir uns über ein Tempolimit. Wie zynisch kann eine angebliche Freiheit noch verteidigt werden? Ein Kommentar.
In der Ukraine herrscht Krieg. Das Land wurde von seinem Nachbarn überfallen und wehrt sich verzweifelt gegen eine Invasion. Eine unvorstellbare Situation, die man vor einigen Jahren noch als völlig unmöglich abgetan hätte.
Deutschland zahlt währenddessen den Preis für die Abhängigkeit von russischen Öl- und Gasimporten. Jahrzehntelang hat man verschlafen, sich davon freizumachen. Importe aus Russland waren der bequemere Weg, für alle günstig und gemütlich. Das rächt sich jetzt. Die Preise für Benzin und Diesel explodieren. Einige werden sich bald die Strecke zur Arbeit kaum mehr leisten können. Deswegen aber den Fuß vom Gaspedal nehmen und etwa durch ein Tempolimit wertvolles Öl einsparen? So weit kommt es noch! Da sind die Prioritäten in Deutschland klar verteilt.
Blut gegen Benzin: Unsere Bequemlichkeit hat einen hohen Preis
Es ist bezeichnend, dass sich nicht einmal eine Regierung unter Beteiligung der Grünen und Führung der SPD auf ein allgemeines Tempolimit einigen konnte. Geschuldet ist dies der FDP, deren Freiheitsbegriff offenbar nicht mit simpelsten Straßenregeln zu vereinbaren ist, die in anderen Ländern völliger Alltag sind. Das war schon vor dem Ukraine-Krieg absurd und angesichts der kommenden Klimakatastrophe geradezu surreal. Dass man in der aktuellen Krise ein Tempolimit nicht als erste und einfachste Maßnahme ergriffen hat, lässt da schon tief blicken in die Abgründe der deutschen Seele.
Sollen doch die anderen bluten für unsere Freiheit, mit Tempo 200 über die Autobahn zu heizen. Was soll denn eigentlich noch passieren, damit in Deutschland beim Thema Tempolimit die Vernunft regiert? Es gibt viele Ansätze, um die deutsche Abhängigkeit von Gas und Öl zu reduzieren - und das Tempolimit ist sicher nicht der einzige und größte Hebel. Doch was wäre einfacher, als etwas nicht zu tun? Fuß vom Gaspedal, Vernunft statt Geschwindigkeitsrausch herrschen lassen und schon könnten wir im Nu rund 2,5 Prozent der deutschen Ölimporte einsparen. Auch dem Klima wäre damit geholfen und niemand hätte eine ernsthafte Einschränkung erfahren. Mit diesem kleinlichen Hickhack über Selbstverständlichkeiten hält man sich auf und vertut wertvolle Zeit, um über größere Hebel und wichtiges Umdenken in der Energiepolitik zu reden. Abhaken und weitermachen, nicht verharren und Debatten aus dem letzten Jahrhundert führen!
Was sind die Deutschen bereit aufzugeben, nur, um mit Autos, die sie sich nicht mehr leisten können und einem Tankinhalt, der zum Luxusgut wird, zu einer Arbeit zu fahren, die ebenfalls immer unsicherer wird? Wie viele Kriege sollen noch mit deutschem Geld finanziert werden? Der Preis der deutschen Energie-Gemütlichkeit wird gerade hauptsächlich von den Menschen in der Ukraine bezahlt. Putins Kriegskasse wird täglich weiter gefüllt, weil wir es nicht auf die Reihe bekommen haben, uns freizumachen von der Bequemlichkeit per Pipeline. Während wir kleinliches Hickhack aufführen in unserer Wohlstandsverwahrlosung, zahlen die Menschen in der Ukraine und wer weiß, wo noch in Zukunft, einen bitteren Preis. Sie bluten für unser Benzin. Damit muss Schluss sein.
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Glaubt doch nicht alles
1 Barrel Öl 2008 = 147€
1 Barrel Öl 2022 = 127€
Kann jeder googeln! Wir
haben kein Ölpreisproblem, sondern ein Steuerproblem.
Die Steuern und Abgaben auf Kraftstoffe sind seit 2008 nur um wenige Cent gestiegen. Die Energiesteuer ist seit 2008 gleich geblieben, lediglich die CO2-Abgabe ist dazu gekommen (hätte man auch googeln können). Das alleine rechtfertigt keinen um über 60ct/l höheren Spritpreis im Vergleich zu 2008. Da (freie) Tankstellen bereits im Einkauf (inkl. Steuern) deutlich über 2€/Liter zahlen, kann man sich an einer Hand abzählen, wo der unverschämte Preisaufschlag hängen bleibt, wenn die Rohstoffkosten nicht deutlich gestiegen sind.
Oh je, diese wehleidige Spritpreisdiskussion, nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen Ländern. Es geht nun erstmal um eine temporäre Maßnahme im zeitlichen Zusammenhang mit Putins Krieg. Was würden wir sagen wenn Putin Bomben über Deutschland wirft und der Rest der Welt debattiert über deren steigende Benzinpreise. Völlig absurd, für mich gilt einfach mal eine Zeitlang weniger Fahren und fertig. Und dann dieses ewige Gerede von "Gutmenschen". Letztendlich waren diese von vielen erzkonservativ gepägten eher verhassten Menschen doch diejenigen die versucht haben das was sie kaufen per Lieferkette konsequent zu durchdenken. Eben das haben wir doch mit den Rohstoffen und im Grunde fast allen importierten Gütern nie gemacht.
Oh man... Solche Kommentare abgeben und dann über Leute wundern, die verbal ausrasten. Ich sag es hier gerne auch nochmal. Von 20 tsd. km, die ich im Jahr fahre, sind 16 tsd. dafür um zur Arbeit zu kommen. Ich habe keine Wahl! Also kann ich maximal bei den 4 tsd. einsparen, wo ich auch kein Problem mit habe! Ich würde bei dauerhaft erhöhten Preisen (2,20€) alleine 2.400 Euro nur für Sprit für Fahrten zur Arbeit zahlen im Jahr. Mehr als einen netto Monatslohn. Was soll ich tun? Siehe auch meine ausführliche Antwort auf den Kommentar von Abraxas2021!
Die Überschrift ist sicher eine Provokation. Wer aber schon einmal, so wie ich, in Lemberg war, der tut sich schwer, wenn man in der Familie die u. U. erwarteten 3 Euro für den Liter Kraftstoff als "Horrorentwicklung" betrachtet. Dort, in Lemberg, haben junge Menschen gerade andere Probleme! Wenn ich zudem als gelegentlicher Zugfahrer meist unter Asylberwerbern und Menschen mit internationaler Herkunft von vielen Bekannten als "gestrig" betrachtet werde, "die blöde Bahn kriegt ja nichts auf die Reihe", denke ich mir schon meinen Teil dazu. Viele wollen und wollten zudem stadtnah wohnen, parken die Autos, die man aber trotzdem zahlreich hat, dann auf der engen Straße und fangen ja bald einen Bürgerkrieg an, wenn der Parkplatz einmal von jemanden anderen belegt ist. Die Politik hat allerdings versäumt, auf diese Entwicklung zu reagieren. Wer kein tolles Auto hat, ist ja in Deutschland ein Niemand! Da fehlt es ja schon an der passenden gesellschaftlichen Wertevermittlung. Arbeitsplatz: der lag bei mir zu Beginn meines Erwerbslebens immer im Zentrum einer Stadt, mit dem Zug gut zu erreichen, später - wegen der besseren Straßenanbindung des Betriebes immer im Hinterland, meist ohne vernünftige Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln! Bus- und Bahnanbindung waren dort schon gar nicht geplant, da blieb ja nur das Auto oder ein hoher Zeit- und Wegeaufwand, den man auf sich genommen hat ... Viele Kolleginnen und Kollegen haben die dann höhere Belastung schon da nicht mehr so einfach tragen können!