Mutmaßlicher Terroranschlag in München: Söder äußert schlimmen Verdacht

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Nachdem ein 18-Jähriger am Donnerstag beim israelischen Konsulat in München auf Polizisten geschossen hatte und daraufhin von den Beamten getötet wurde, gehen Ermittler von einem terroristischen Motiv aus. Mittlerweile wird immer mehr zum Täter bekannt, Politiker äußern sich zu den Hintergründen.

Update vom 06.09.2024, 9.50 Uhr: Mutmaßlicher Täter hatte Waffenverbot - Noch Teil-Sperrungen am Tatort

Am Tag nach dem dem vereitelten mutmaßlichen Terroranschlag auf das israelische Generalkonsulat in München setzen die Behörden ihre Ermittlungen zu den Ursachen fort. Dabei könnten auch Aufnahmen von Autofahrern, Passanten und Anwohnern von Bedeutung sein. Die Münchner Polizei hatte die Bevölkerung dazu aufgerufen, den Ermittlern über ein Upload-Portal Videos und Fotos des Vorfalls zur Verfügung zu stellen, wobei sich der Aufruf auch an Verkehrsteilnehmer richtet.

Die Bereiche um den Tatort sind am Freitagmorgen (6. September 2024) noch teilweise gesperrt. "Die Straßen sind frei, aber einzelne Gebäude oder Bereiche noch abgesperrt", sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Da finden auch heute noch Spurensicherungsmaßnahmen statt." Es handle sich nach wie vor um einen Tatort. 

Inzwischen ist bekannt geworden, dass gegen den 18-jährigen Österreicher aus dem Salzburger Land, der am Donnerstagmorgen in einem Schusswechsel mit der Polizei getötet wurde, wegen des Verdachts der religiösen Radikalisierung ermittelt wurde. Der Mann mit bosnischen Wurzeln hatte zudem ein Waffenverbot auferlegt bekommen, das frühestens 2028 hätte enden sollen, so die Angaben der Salzburger Polizei. Der damals 17-Jährige war den Behörden nach einer Bedrohung von Mitschülern und einer Körperverletzung aufgefallen. In diesem Kontext wurde ihm die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, hieß es. Laut Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA wurde auf seinem Mobiltelefon Propaganda der Terrororganisation Islamischer Staat gefunden.

Staatsanwaltschaft hatte Ermittlungen gegen 18-Jährigen eingestellt 

Doch die Staatsanwaltschaft Salzburg stellte die Ermittlungen im April 2023 ein, erklärte die Polizei. Seitdem sei der 18-Jährige nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten. Nach dem Schusswechsel in München wurde auch sein Wohnort im Salzburger Land durchsucht. Zahlreiche Beamte rückten nach Neumarkt am Wallersee aus, um Beweise und Spuren sicherzustellen, wie ein Salzburger Polizeisprecher der dpa mitteilte.

Der 18-Jährige lebte in Neumarkt mit seinen Eltern. Zur Sicherheit seien das Wohnhaus und die angrenzenden Gebäude evakuiert worden, sagte der Polizeisprecher. Im Nachhinein habe sich jedoch herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden habe.

Auf deutscher Seite hat die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) die weiteren Untersuchungen übernommen. Sie gehen von einem geplanten Terroranschlag auf das Konsulat aus. "Die Hintergründe der Tat müssen noch aufgeklärt werden", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Allerdings: "Wenn jemand hier unmittelbar in Sichtweite zum israelischen Generalkonsulat parkt, dann mit dem Gewehr um dieses Generalkonsulat herum geht, da mit dem Schießen beginnt", sei das "sicherlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Zufall".

Zusammenhang mit Attentat-Jahrestag möglich

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach mit Blick auf den zeitgleichen Jahrestag des Olympia-Attentats in München von einem schlimmen Verdacht. "Ein Zusammenhang ist möglicherweise gegeben. Es muss noch geklärt werden", sagte er in der Nähe des Tatorts. Am Abend sagte er im ZDF-"Heute Journal", man müsse die Ermittlungsergebnisse abwarten, um beurteilen zu können, was hinter der Tat stecke.

Die bayerischen Einsatzkräfte hätten sehr gut gearbeitet. "Die Polizei hat sehr beherzt, sehr besonnen, aber auch sehr konsequent durchgegriffen und den Täter ausgeschaltet und es ist nichts passiert."

Bei dem Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in München hatten am 5. September 1972 palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer erschossen und neun Geiseln genommen. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb am Donnerstagabend auf der Plattform X: "Die schnelle Reaktion der Einsatzkräfte in München hat heute womöglich Grausames verhindert. ... Ich sage es ganz deutlich: Antisemitismus und Islamismus haben bei uns keinen Platz."

Update vom 05.09.2024, 17.30 Uhr: Ermittler gehen von Terror aus - Politiker aus Deutschland und Israel reagieren

 Nach dem Schusswechsel nahe dem israelischen Generalkonsulat in München gehen Ermittler von einem versuchten Terroranschlag des Getöteten aus. Nach derzeitigen Erkenntnissen sehe man bei dem Angriff des mit einem Gewehr bewaffneten 18-jährigen Österreichers einen "Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel", teilten Polizei und Generalstaatsanwaltschaft München mit. 

Die Ermittlungen unter Federführung der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus konzentrieren sich demnach auf das genaue Motiv des 18 Jahre alten Österreichers, der bei dem Schusswechsel mit der Polizei schwer verletzt und noch am Ort gestorben war. Infolge des Vorfalls waren in der Münchner Innenstadt rund 500 Polizisten im Einsatz, darunter auch Spezialkräfte. Abgesehen von dem mit einem Karabiner samt Bajonett bewaffneten Schützen wurde laut Polizei niemand verletzt.

Der Schütze wohnte nach Polizeiangaben in Österreich. Informationen der österreichischen Presse-Agentur APA zufolge hat er bosnische Wurzeln und war den österreichischen Behörden als mutmaßlicher Islamist bekannt. Demnach war er im vergangenen Jahr bei der Staatsanwaltschaft Salzburg wegen Verdachts in Richtung terroristischer Vereinigung angezeigt worden. Auch mehrere andere Medien hatten zuvor darüber berichtet.

Es soll sich bei ihm laut APA zwar um keinen sogenannten Hochrisiko-Gefährder gehandelt haben. Auf seinem Handy seien aber Daten und ein Computerspiel sichergestellt worden, die eine Nähe zu islamistisch-terroristischem Gedankengut bezeugten. Ein Verfahren wegen Mitgliedschaft bei der radikalislamischen Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) sei aber eingestellt worden, hieß es. Die Salzburger Polizei, die Staatsanwaltschaft Salzburg und das Innenministerium in Wien bestätigten diese Angaben auf Anfrage zunächst nicht.

Österreich hat derweil nach Angaben von Innenminister Gerhard Karner seine eigenen Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Die Staatsschutzbehörde DSN habe deswegen bereits mit der israelischen Botschaft und der israelischen Kultusgemeinde Kontakt aufgenommen, sagte er. "Die österreichischen Sicherheitsbehörden sind in intensivem Austausch mit den deutschen Kollegen." Details zu dem jungen Mann oder zu dem Wissensstand seiner Beamten nannte er nicht.

52 Jahre nach dem Attentat auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen von München spricht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) von einem "schlimmen Verdacht" und einem "schlimmen Tag". Nachdem am Donnerstagmorgen in unmittelbarer Nähe des israelischen Generalkonsulats in der bayerischen Landeshauptstadt Schüsse fielen und dabei ein bewaffneter 18-Jähriger getötet wurde, gehen die Behörden davon aus, dass der junge Österreicher einen Terroranschlag verüben wollte. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) geht nicht von einem Zufall aus, wenn "jemand hier unmittelbar in Sichtweite zum israelischen Generalkonsulat parkt, dann mit dem Gewehr um dieses Generalkonsulat herum geht, da mit dem Schießen beginnt."

Auch in Israel schlug der Vorfall Wellen. Nur wenige Stunden nach den Schüssen spricht Israel Staatspräsident Izchaak Herzog nach seinem Telefonat mit seinem deutschen Amtskollegen Steinmeier von einem "Terroranschlag heute Morgen in der Nähe des israelischen Konsulats in München". Er schreibt: "Gemeinsam sind wir stark im Angesicht des Terrors." Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zeigt sich schockiert: "Nach den jetzigen Informationen scheint es erneut einen islamistischen Hintergrund zu geben, wie bereits in Solingen vergangene Woche als drei Menschen von einem Attentäter ermordet wurden."

Update vom 05.09.2024, 13.45 Uhr: Update zum Schützen 

Nach dem tödlichen Schusswechsel mit einem Bewaffneten in der Nähe des israelischen Generalkonsulats in München gibt die Polizei vorerst Entwarnung. "Uns wurde gemeldet, dass sich im Bereich um den Einsatzort Menschen in Gebäuden versteckt oder verbarrikadiert haben", teilte die Münchner Polizei auf der Plattform X mit. "Wir können Entwarnung geben, es besteht keine Gefahr mehr für die Bevölkerung."

Derweil gibt es Hinweise, dass es sich bei der Tat um eine islamistisch motivierte Straftat handelt: Laut übereinstimmenden Medienberichten von Standard und Spiegel handelt es sich beim Täter um einen jungen Mann aus Österreich, der wohl bereits zuvor als Islamist aufgefallen sei.

Der 18-Jährige habe im Salzburger Land gewohnt und sei mit dem Auto nach München gefahren. Dort habe er mit einem älteren Repetiergewehr mit Bajonett auf die Polizisten geschossen, die das Feuer erwiderten und den Schützen mehrfach trafen. Noch vor Ort starb der Täter. Die Angaben zum Schützen wurden von der Polizei und den Sicherheitsbehörden zunächst nicht bestätigt. 

Nach dem Schusswechsel war die Polizei mit zahlreichen Kräften und einem Hubschrauber in der Innenstadt im Einsatz. Zudem prüften Ermittler ein Fahrzeug, das möglicherweise dem Verdächtigen zuzuordnen sei - unter anderem, ob dort Sprengfallen versteckt sein könnten. Mittlerweile gab die Polizei Entwarnung.

Update vom 05.09.2024, 11.15 Uhr: Angreifer nach Schüssen tot

Der Mann, der in München mit einer großen Schusswaffe in der Nähe des israelischen Generalkonsulats unterwegs war und von der Polizei niedergeschossen wurde, ist tot. Das gab Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in Burghausen bekannt. Die Identität des Mannes sei noch nicht geklärt. Über ein mögliches Motiv machte Herrmann zunächst keine Angaben. 

Polizeibeamte hatten in der Nähe des Konsulats und des NS-Dokumentationszentrums in München am Vormittag einen Verdächtigen niedergeschossen. Weitere Verdächtige gab es demnach nicht. Die Polizei ist mit zahlreichen Kräften und einem Hubschrauber in dem Bereich im Einsatz.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schätzt die Schüsse in München als gravierenden Vorgang ein. "Es ist ein schwerwiegender Vorfall", sagte die Politikerin in Berlin. Sie wolle aber nicht spekulieren, es gelte abzuwarten. 

"Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Münchner Polizei, die da einen guten Einsatz aus meiner Sicht machen", sagte Faeser. "Der Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen, das wissen Sie, hat oberste Priorität." 

Herrmann verwies auf die Tatsache, dass die Schüsse am Jahrestag des Olympia-Attentats von 1972 fielen. Damals hatten palästinensische Geiselnehmer Mitglieder des israelischen Olympiateams ermordet.

Erstmeldung vom 05.09.2024, 10 Uhr: Großeinsatz nach Schüssen in Münchner Innenstadt

Großer Polizeieinsatz in München: Genau 52 Jahre nach dem Olympia-Attentat in München fallen in München wieder Schüsse. Wie die dpa berichtet, seien in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums und des Israelischen Generalkonsulats offenbar mehrere Schüsse gefallen. Eine Person sei von der Polizei niedergeschossen worden.

Ein Anwohner berichtete gegenüber der Süddeutschen Zeitung von Schüssen und Polizeisirenen. Dutzende Beamte seien vor Ort. Es seien die Rufe "Lauft! Lauft!" zu hören. 

Auf X bestätigte die Münchner Polizei einen größeren Einsatz: "Im Bereich der Briennerstraße und dem Karolinenplatz läuft derzeit ein größerer Einsatz. Wir sind mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort", hieß es am Donnerstag gegen 9.30 Uhr. 

Wenig später gab sie bekannt, dass "viele Einsatzkräfte [...] auf der Anfahrt zur Einsatzörtlichkeit im Bereich des NS-Dokuzentrums" seien. Demnach sei es zu einer Schussabgabe durch die Polizei im Bereich des Karolinenplatz gekommen. Eine verdächtige Person sei dabei getroffen worden.

Hinweise auf weitere Verdächtige gebe es derzeit nicht, so die Polizei. "Wir haben jedoch keinerlei Hinweise auf weitere Einsatzörtlichkeiten bzw. weitere verdächtige Personen", schreibt sie auf X. Bilder und Videos des Einsatzes sollten laut der Beamten nicht auf Social Medi geteilt werden. Stattdessen bitten die Einsatzkräfte darum, diese auf einem extra eingerichteten Portal hochzuladen

Die Hintergründe des Einsatzes am Jahrestag des Olympia-Attentats in München im Jahr 1972 waren zunächst nicht bekannt. Am 5. September 1972 erschossen palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer und nahmen neun Geiseln. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter. Die Terroristen wollten mehr als 200 Gefangene in Israel und die RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof freipressen.

Auf X kommentiert die Polizei: "Wir erhalten Kommentare mit Spekulationen und Falschinformationen. Ihr könnt uns am meisten helfen, wenn ihr dies unterlasst und Gerüchte nicht teilt." Zudem verwiesen die Beamten darauf, dass die "Kollegen auf Hochtouren [arbeiten]". rowa/sl mit dpa

Wie wir künstliche Intelligenz einsetzen 
Vorschaubild: © Matthias Balk/dpa