"Jessica"-Prozess: Anklage spricht von Mord

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Ein Polizei-Absperrband hängt vor dem Wohnhaus des Mordopfers Jessica am Donnerstag (01.07.2010) in Erlangen (Mittelfranken) während einer Tatorbegehung. Foto: Daniel Karmann/dpa

Lebenslange Haft oder Freispruch: Mit weit auseinanderklaffenden Forderungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung ist der Nürnberger "Jessica"-Mordprozess am Donnerstag in die Schlussrunde gegangen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth will sein Urteil in dem aufwendigen Indizienprozess am Dienstag (27. Juli) verkünden.

Die angeklagte 28-Jährige beteuerte derweil erneut ihre Unschuld. "Ich bin während des Prozesses nur deshalb so ruhig geblieben, weil ich Jessica nicht getötet habe", versicherte sie nach Abschluss der Plädoyers vor dem voll besetzten Schwurgerichtssaal.

Die Angeklagte soll ihre damals 26 Jahre alte Nachbarin Jessica im April 2008 mit 40 Stichen und Schlägen getötet haben, um einen Kreditkartenbetrug zu vertuschen. Insgesamt habe sie mit der gestohlenen Kreditkarte der zweifachen Mutter rund 7000 Euro abgehoben. Zu der Tat ist es nach Einschätzung der Anklagebehörde gekommen, nachdem die Bestohlene ihre Bekannte am 26. Juni 2008 wegen der Betrügereien zur Rechenschaft gezogen hatte. Mit dem Verlust der 7000 Euro sei für Jessica ein Lebenstraum geplatzt. Der Betrag sollte den Grundstein für einen Hauskauf bilden.

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft haben neben DNA- Spuren auch andere Indizien die Nachbarin des Opfers eindeutig überführt. Zudem hätten widersprüchliche Aussagen ihre Glaubwürdigkeit erschüttert, betonte die Staatsanwaltschaft. Sie stuft die Tat als Mord aus niederen Beweggründen ein.

Für die Täterschaft der Angeklagten spricht nach Ansicht des Staatsanwalts auch das "katastrophale Aussageverhalten" ihrer Verwandten. Diese hätten ihre Angaben ständig nachgebessert und mit allen Kräften versucht, das zweifelhafte Alibi der Angeklagten zu stützen; zugleich versuchten sie, den Witwer des Opfers zu belasten. Dieser sei aber zu Tatzeit auf der Arbeit gewesen. Auch die DNA- Spuren des Opfers unter den Fingernägeln der Angeklagten seien ein klares Indiz für die Täterschaft der 28-Jährigen.

Dagegen reichen nach Ansicht der Verteidigung die vorgelegten Indizien für eine Verurteilung keineswegs aus. "Die Indizienkette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied", betonte der Verteidiger. Auch die Widersprüche in den Aussagen der Angehörigen der Angeklagten machten die 28-Jährige nicht zwangsläufig zu einer Mörderin. Zudem sei es schwer vorstellbar, dass die zur Tatzeit zierliche Frau zu einer solchen Bluttat mit rund 40 Stichen und Schlägen in der Lage war. Auch den DNA-Beweis hält die Verteidigung für nicht ausreichend stichhaltig; es seien lediglich unter einem Fingernagel der Angeklagten DNA-Spuren des Opfer gefunden worden. dpa