Im EU-Parlament in Straßburg: Die Bühne der europäischen Politik

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Der Plenarsaal des EU-Parlaments von der Pressetribüne aus: Hier sitzen 751 Abgeordnete aus 28 Nationen. Die Debatten werden simultan in 24 Sprachen übersetzt. Fotos: Andreas Schmitt
Der Plenarsaal des EU-Parlaments von der Pressetribüne aus: Hier sitzen 751 Abgeordnete aus 28 Nationen. Die Debatten werden simultan in 24 Sprachen übersetzt.  Fotos: Andreas Schmitt
Die oberfränkische Abgeordnete bei einer Pressekonferenz
Die oberfränkische Abgeordnete bei einer Pressekonferenz
 
Monika Hohlmeier (l.) und ihre Assistenten in ihrem Abgeordnetenbüro
Monika Hohlmeier (l.) und ihre Assistenten in ihrem Abgeordnetenbüro
 

Auf den Gängen, in der Großraum-Kantine, im Pressebereich: Das EU-Parlament ist einer der rastlosesten Orte des Kontinents. Ein Blick hinter die Kulissen.

Drei Stühle, ein Schreibtisch, zwei kleinere Schreibflächen. Geschätzt vielleicht zehn Quadratmeter. Etwas weniger, wenn die als Ablage genutzte Couch ausgeklappt ist. Im Eingangsbereich ein schlichter Garderobenbügel, daneben der Drucker. Hinter einer Tür ein Mini-Bad, in dem man theoretisch duschen könnte, das aber in der Regel als Abstellkammer fungiert. So schlicht und funktional sieht es aus, ein Abgeordnetenbüro im EU-Parlament in Straßburg.

"Wenn wir zu dritt im Raum sind, dann kann es schon eng werden", sagt Jakob Nies. Nach einem langen Weg durch das schier unendliche Gewirr aus Aufzügen und Gängen sperrt der Assistent der oberfränkischen EU-Abgeordneten Monika Hohlmeier gerade die Bürotür auf. Ein paar Schritte nur, dann ist man an der Fensterfront und kann nach unten schauen auf den Innenhof, um den das Gebäude gebaut ist. "Aber", sagt der 27-Jährige, "wir sind ja sehr viel zu Sitzungen und Meetings im Haus unterwegs."


Kontaktpflege und Interviews

Denn das Straßburger Parlament ist nicht der Ort, an dem die Abgeordneten an Details von Arbeitspapieren oder Richtlinien arbeiten. Das geschieht meist in Brüssel. Die vier Tage im Elsass, sie sind die offizielle Bühne der europäischen Politik. Hier wird vom Plenum das beschlossen, was vorher auf Fachebene erarbeitet wurde. Hier pflegt man Kontakte, gibt Pressekonferenzen und Interviews.

In ihrem Büro ist Monika Hohlmeier, die für die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) Mitglied des Innen- und Haushaltsausschusses ist, in den vier Tagen selten. Dort koordinieren zwei ihrer vier parlamentarischen Assistenten - die anderen beiden bleiben im Hauptbüro in Brüssel - die Termine.

Jakob Nies erklärt gerade den Online-Kalender der 54-jährigen Abgeordneten - ein Sammelsurium von Farben und Abkürzungen. "Vor der Fraktionssitzung hat sie ein paar Minuten Zeit für Sie", sagt er.

Der Treffpunkt: Die Flowers Bar neben dem Plenarsaal. Ein guter Ort, um die Stimmung der so eigenen Parlamentswelt zu beschreiben. An den Tischen über dem der Bar ihren Namen gebenden Blumenteppich herrscht er - dieser typische Mix aus lockerem Umgang und wichtigen Themen. In entspannter Atmosphäre gibt es Kaffee und Kuchen. Eine interessante Mischung europäischer Sprachen durchdringt den Raum. Und man merkt, was auch wichtig ist: Zu sehen, wer mit wem wie lange spricht.

"Ich habe viel Kontakt zu fast allen Fraktionen. Im EU-Parlament müssen Mehrheiten immer wieder neu organisiert werden", sagt Monika Hohlmeier, die hier fast jeden kennt. Ein Handschlag dort, ein paar Worte hier. Variabel wechselnd auf Deutsch, Englisch, Französisch.

Ihren Kuchen isst sie derweil sehr schnell, typisch für Straßburg. Hier kommt das Essen öfter zu kurz, muss eilig zwischen zwei Terminen erledigt werden.

Doch Monika Hohlmeier stört das nicht. Ihr ist es wichtiger, über Politik zu sprechen. Zu berichten, welche Abgeordnete anderer Fraktionen bei der Abstimmung auf ihrer Linie sind. Zu erklären, worauf es beim Kampf gegen den Terrorismus ankommt. Das ist ihre Leidenschaft, das könnte sie stundenlang machen. Bis Franziska Lattermann unterbricht: "Sie müssen zur Fraktionssitzung", erinnert die 27-jährige Assistentin, die aus Bayreuth stammt.


Saaldiener bringt wichtige Post

Szenenwechsel: Am nächsten Tag spricht Monika Hohlmeier vor größerem Publikum. Vormittags präsentiert sie die von ihr verhandelte Anti-Terrorismus-Richtlinie der europäischen Presse, nachmittags wird darüber im Plenarsaal diskutiert. Einige Stunden lang, während derer Hohlmeier den Kollegen meistens zuhört, zwischendurch aber auch Unterlagen liest, am Handy tippt, sich unterhält und einmal auch Post empfängt. Ihre Assistenten haben ihr eine wichtige Nachricht zukommen lassen. Allerdings nicht persönlich. In den Plenarsaal dürfen sie nicht. "Man kann Unterlagen am Eingang abgeben, ein Saaldiener bringt sie an den Platz", erklärt Jakob Nies.

Im weiteren Tagesverlauf trifft sich Monika Hohlmeier mit einer US-Wirtschaftsdelegation und führt Gespräche in der Fraktion. Während des Abendessens in Kehl, der deutschen Nachbarstadt Straßburgs östlich des Rheins, beantwortet sie Fragen des Reporters (siehe Interview unten). Auch noch weit nach 23 Uhr, als jeder am Tisch nach einem langen Tag schon mindestens einmal gähnen musste.

Als EU-Abgeordnete, so sagt sie, erlebe man die maximale Bandbreite politischer Themen und habe große Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen. "Und am Wochenende freue ich mich dann auf mein eigenes Bett", erzählt die in Bad Staffelstein wohnhafte Politikerin.

Ein paar Stunden Schlaf später ist am Donnerstag im Parlament zu spüren, dass mehrere Tausend Menschen bald abreisen. Überall wird sich verabschiedet und zusammengepackt. Die vorher so hektischen Gänge werden von Minute zu Minute leerer.

Auch in Hohlmeiers Büro sind die grauen Boxen, in denen die Unterlagen und das Büromaterial von Lkws nach Brüssel gebracht werden, schon gepackt. Vor der Abreise werden noch letzte Mails geschrieben. Dann fährt die Abgeordnete nach Oberfranken, Termine rufen. Für viele Assistenten geht es per per Charter-Zug nach Brüssel. "Da fällt dann die ganze Anspannung der Woche ab", sagt Franziska Lattermann. "Nach ein paar Minuten gleicht der Waggon einem Schlafwagen."


Interview mit Monika Hohlmeier: "Opferhilfe muss unbürokratisch fließen"

Nach den jüngsten Anschlägen will die EU den Terrorismus härter bekämpfen. Das Parlament verabschiedete dazu eine Richtlinie, die von der oberfränkischen Abgeordneten Monika Hohlmeier (CSU) und ihrer Assistentin Franziska Lattermann verfasst wurde.

Frau Hohlmeier, Ihre Richtlinie wurde mit einer überwältigenden Mehrheit (498:114 Stimmen) verabschiedet. Wie fühlen Sie sich?
Monika Hohlmeier: Ich freue mich sehr über dieses Ergebnis, das eindeutigste der Sitzungswoche. Mit der Richtlinie wird es für Terror-Netzwerke schwerer, sich zu finanzieren und potenzielle Attentäter auszubilden und anzuwerben.

Was sind weitere zentrale Neuerungen der Richtlinie?
Künftig ist schon die Vorbereitung eines Anschlags strafbar, zum Beispiel durch das Reisen in Krisenzonen. Außerdem ist auch die Finanzierung und die Glorifizierung oder Verherrlichung von Terror verboten.

Kritiker betonen, dass schon die bereits geltenden Vorgaben von den Staaten nicht eingehalten werden. Warum wird das jetzt besser?
Wegen des öffentlichen Drucks. Ein erheblicher Teil der Kollegen des linken Flügels stimmen nach Nizza, Paris, Brüssel und Berlin Vorschlägen zu, über die man vor drei Jahren noch nicht hätte reden können. Das Verständnis, dass Freiheit auch Sicherheit braucht, wächst. Terroristen, die unkontrollierte Migrationsströme missbrauchen, und weltweite Terrornetzwerke stellen uns vor bisher ungekannte Herausforderungen. Das ändert Einstellungen.

Und falls ein Mitgliedsstaat doch nicht mitzieht?
In der Richtlinie sind rechtliche Verpflichtungen genannt, zum Beispiel zum Datenaustausch. Bei Nichteinhalten ist erstmals auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen ein Land möglich, eines der schärfsten Mittel der EU. Fälle wie der des Mörders einer Studentin in Freiburg, der in Griechenland nur in das nationale und nicht in das europaweite Datensystem SIS eingepflegt wurde, dürfen sich nicht wiederholen.

Zusätzlich möchten Sie sich mehr um die Hinterbliebenen kümmern.
Hier gibt es große Mängel - sowohl was die psychologische als auch die finanzielle Unterstützung betrifft. Es kann nicht sein, dass eine Mutter dreier Kinder, die gerade den Mann verloren hat, nachweisen muss, wie betroffen sie ist. Hier muss unbürokratisch Hilfe fließen. 10 000 Euro, wie in Deutschland im Gespräch, sind im Falle der geschilderten Familie viel zu wenig.

Die Fragen stellte
Andreas Schmitt