Worum geht es bei den Gesprächen?
Beide Seiten bekunden die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen. Aber sie wollen unterschiedliche Wege gehen. Die Ukraine strebt einen bedingungslosen Waffenstillstand an und will danach alles andere verhandeln. Russland hingegen will zuerst eine grundsätzliche Regelung des Konflikts.
Moskau dürfte einem Waffenstillstand nur zustimmen, wenn dafür bestimmte Bedingungen erfüllt sind - allen voran ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und ein Stopp der Mobilmachung für den Krieg. Unerschütterlich scheint dabei die Position Russlands, das auf einem Rückzug ukrainischer Truppen aus dem Donbass besteht - also jenen Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk, die Moskau nicht kontrolliert.
Sowohl Russland als auch die Ukraine versuchen jeweils, sich Trump gegenüber friedensbereit zu zeigen und ihn damit wohlwollend zu stimmen. Zugleich sind sie vorsorglich bemüht, dem Kriegsgegner die Schuld anzulasten, sollten die Gespräche scheitern. Trump scheint vor allem daran interessiert, das für ihn leidige Kriegsthema durch einen Kompromiss zu beenden und wieder zu Geschäften vor allem mit der Rohstoffgroßmacht Russland zu kommen.
Kritiker werfen den USA vor, nur dieses Ziel im Blick zu haben und darüber den konkreten Inhalt eines Deals zur Beendigung des Krieges zu vernachlässigen. US-Außenminister Rubio hingegen sagte vor den Gesprächen mit den Ukrainern in den USA, seinem Land gehe es nicht nur um das bloße Kriegsende an sich, sondern um eine Garantie, dass die Ukraine souverän, unabhängig und wohlhabend sein werde und keinen Krieg mehr erleben müsse.
Wo sind rote Linien?
Eine Kapitulation lehnt die Ukraine ab. Für Kiew sind mindestens drei Punkte nach bisherigem Stand nicht verhandelbar: Gebietsabtretungen in jeglicher Form gelten als ebenso indiskutabel wie der von Moskau geforderte Verzicht auf das Recht eines Nato-Beitritts und von Russland diktierte Beschränkungen der Truppenstärke und Waffengattungen des ukrainischen Militärs. Da es sich dabei um russische Maximalforderungen handelt, geht es auch um die Frage, wer zuerst seine roten Linien aufgibt.
Für Russland wäre es schon ein Erfolg, wenn zumindest die USA die bereits 2014 einverleibte ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim und den 2022 annektierten Donbass zwar nicht hochoffiziell, aber doch wenigstens faktisch als russisches Gebiet anerkennen.
Was können die Ergebnisse sein?
Bisher deutet wenig darauf hin, dass es schon bald zu einem tragfähigen Friedensplan kommt, weil die Positionen der Kriegsgegner sehr weit auseinanderliegen. Sollte sich die in die Defensive gedrängte Ukraine auf Russlands Maximalforderungen einlassen, wird in Kiew und in der EU eine Art Kapitulationseffekt befürchtet. Washington und Moskau dagegen betonen die Chancen eines Kriegsendes. Druckmittel der USA haben vor allem die ukrainischen Verteidiger zu befürchten, für die es ein schwerer Schlag wäre, sollten die Amerikaner die Weitergabe von Waffen und von Aufklärungsdaten für Angriffe im russischen Hinterland stoppen.
Doch selbst nach einem Komplettstopp jeglicher US-Hilfe könnte die Ukraine bei fortgesetzter oder sogar verstärkter Unterstützung aus Europa den Kampf fortsetzen. Denkbar wäre dann, dass Kiew darauf setzt, bis zum Herbst 2026 durchzuhalten und dann bei einer Niederlage von Trumps Republikanern bei den Kongresswahlen mit Hilfe der Demokraten wieder neue Unterstützung aus den USA zu erhalten. Jedoch verschlechtert sich die ukrainische Position an der Front vor allem aufgrund des chronischen Soldatenmangels zusehends, das würde auch ein Stimmungsumschwung in den USA nicht ändern.
Wie lang ist der Weg zum Frieden?
Der Weg zu einem Kriegsende wäre selbst bei einer Einigung auf einen Friedensvertrag sehr lang - auch weil Kremlchef Putin einen Waffenstillstand selbst verfügen kann, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bedingungen für einen Frieden hingegen absegnen lassen muss und dafür auch die Unterstützung des Parlaments braucht. Gemäß Verfassung müssten die Ukrainer vielen Entscheidungen - wie Gebietsabtretungen - selbst zustimmen.
Auch ein Abbruch der Gespräche mit einer Wiederaufnahme im Frühjahr ist nicht unwahrscheinlich. Die grundlegenden Entscheidungen werden derzeit eher auf dem Schlachtfeld getroffen als am Verhandlungstisch. In der jetzigen Situation dürfte sich selbst bei einem unwahrscheinlichen Abgang Selenskyjs kein seriöser ukrainischer Politiker finden, der an seiner Stelle sich und seine Karriere opfert, indem er die russischen Bedingungen für ein Kriegsende akzeptiert.
Gleichzeitig fehlen der ukrainischen Seite die Hebel, Russland zum Nachgeben vor allem in den Gebietsfragen zu zwingen. Und Moskau hat auch nach Einschätzung westlicher Militärexperten derzeit die Initiative auf dem Schlachtfeld und erobert immer neue Gebiete. Die Kämpfe könnten also mindestens bis zur vollständigen Eroberung der Gebiete Donezk und Luhansk durch russische Truppen weitergehen.
Wie wahrscheinlich ist eine Fortsetzung des Krieges?
Eine Fortsetzung des Krieges ist nach aktuellem Stand sehr wahrscheinlich, auch wenn Russland nicht zuletzt infolge der Sanktionen zunehmend wirtschaftliche Probleme hat. Vermutet wird, dass der russische Machtapparat den Krieg noch Jahre führen kann, ohne dass das Land kollabiert. Für die Ukraine besteht somit das Risiko, die Kontrolle über ihr Staatsgebiet immer weiter zu verlieren.
Die Ukraine ist ebenfalls bereit, den Kampf fortzusetzen. Die Mehrheit der EU-Staaten will zudem Milliarden aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen und anderen Quellen mobilisieren, um die Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen. Parallel dazu können zwar weiterhin Gespräche geführt werden. Doch ist ohne Klärung der beiden Hauptkonfliktpunkte des Nato-Beitritts und der Gebietsfragen kein schnelles Kriegsende zu erwarten.