On- sowie Offline erlebt sie Fankultur vor allem als verbindendes Element. «Es ist auf jeden Fall super Community-stiftend», sagt sie. Weil ihr der Austausch in sozialen Medien viel gebe, habe sie auch mit ihren Fanaccounts angefangen. Mittlerweile hat Kim auf Instagram über 30.000 Follower und auf Tiktok über 16.000. «Ich habe nie gedacht, ich bekomme da Tausende an Followern. Mir war es wichtig, andere Leute zu finden, die das gut finden, was ich gut finde, weil ich das in meinem persönlichen Umfeld nicht hatte.»
Was Fans an Stars bindet
Die Mechanismen hinter der Bewunderung, die Menschen Prominenten schenken, sind so vielfältig wie die Bindung selbst. «Manche Menschen kompensieren dadurch eigene Schwächen und Defizite», sagt Schramm. Andere sähen in den Stars womöglich ein Vorbild, das als Ansporn dienen könne. Manche suchten Orientierung, manchen fehle eine starke emotionale Bindung.
«Die meisten kompensieren aber gar nichts, sondern sind einfach nur fasziniert davon, eine emotionale Nähe zu jemandem zu spüren, der "Star" geworden ist.»
Soziale Medien beeinflussen, wie Fankultur gelebt wird
Diese Nähe zwischen Stars und Publikum sei kein neues Phänomen, erklärt Schramm. Schon Jugendmagazine wie die «Bravo» hätten über Poster oder Interviews den Eindruck persönlicher Vertrautheit vermittelt. Mit sozialen Medien habe sich diese Form der Ansprache jedoch verändert. «Heutzutage haben sich diese Möglichkeiten durch die sozialen Medien vervielfacht und den Usern wird eine größere Nähe zu den Stars suggeriert.»
Digitale Nähe könne zwar Zugehörigkeit fördern, aber auch zu Abhängigkeiten führen, denn soziale Bedürfnisse verschmelzen auch mit ökonomischen Interessen, erklärt Sozialpsychologin Degen. «Die Ansprache ist gezielt auf Vertrautheit und Exklusivität ausgelegt. Dies führt zu Verbundenheit, Loyalität und Gefühlen, etwas zu schulden, was sich dann effektiv in Klicks und Käufe umwandeln lässt.»
Wie nah diese Dynamiken an reale Grenzüberschreitungen rücken können, zeigte kürzlich die Influencerin Marie Joan in einem Youtube-Video. In diesem schildert sie, dass Fans sie auf offener Straße geküsst hätten, weil sie das Gefühl hatten, ihr Nahezustehen. «Aber ich kenn' euch nicht, bitte küsst mich nicht einfach,» sagt sie.
Extreme Fans und extremes Verhalten
Solche Dynamiken können für beide Seiten Risiken bergen. «Für Influencer ist es oft unangenehm, wenn Follower/Fans ihnen nah kommen», sagt Degen. «Für die wiederum fühlt es sich aber natürlich an, da sie viel Zeit mit dem Influencer verbringen und denjenigen quasi zu kennen meinen.»
Extremes Fan-Sein hat mitunter extreme Auswirkungen. Der «Zeit»-Autor Jens Balzer schrieb kürzlich darüber, dass mehrere Journalisten, die das neue Album von Swift kritisierten, online aufs Heftigste bedroht wurden. Der Artikel zeigt, wie sich digitale Loyalitäten aufladen können. Es gehe oft nicht mehr um Musik oder Inhalte, sondern um Zugehörigkeit. «Wenn das Idol angegriffen wird, ist das wie ein Angriff auf einen selbst», sagt Schramm.
Für Niehaus sind all diese Nuancen ums Fan-Dasein spürbar. «In jeder Fan-Szene gibt es Leute, die ins Extreme gehen, die denken, sie seien mit Künstlern befreundet oder sich verschulden, um Merchandise zu kaufen.»
Hinzu komme ein doppelter Maßstab: «Bei einem Fußballfan, der zu jedem Spiel geht - der ist loyal, der brennt für etwas, der hat eine Leidenschaft, und jemand, der vielleicht von einer weiblichen Künstlerin Fan ist, der zu mehreren Konzerten geht, ist direkt übertrieben, hysterisch, oder weiß nicht, mit seinem Geld umzugehen.»