Geboren wurde Bachmann in Klagenfurt. Im Alter von 17 lebte sie mitten im Zweiten Weltkrieg ganz allein in ihrem Elternhaus. Bachmanns Mutter war mit den beiden jüngeren Geschwistern 1944 aufs Land gezogen. Bachmann blieb zurück, um ihre Matura abzulegen.
Bei einem Bombenangriff sterben ihre Nachbarn. Sie entscheidet sich, künftig nicht mehr in den Bunker zu gehen. «Der Gedanke, dort womöglich mit allen wie in einer Viehherde zugrundezugehen, ist mir schauerlich. Wenigstens im Garten. Wenigstens in der Sonne», schreibt sie in ihrem «Kriegstagebuch».
Auf der Suche nach der Sprache und der Liebe
Nach 1945 ist die deutsche Sprache die der Täter. Wie andere Schriftsteller sucht Bachmann nach Wegen, das zu reflektieren und sich ihre Muttersprache neu anzueignen. Ihr Bruder Heinz Bachmann sagt der dpa: «Eines der wichtigen Zitate meiner Schwester war: Keine neue Welt ohne neue Sprache. Das ist immer noch unglaublich aktuell.»
Sprache schafft Wirklichkeit: Das ist heute ein gängiges Argument von Menschen, die sich für geschlechtergerechte Sprache einsetzen. Bachmann vertrat es schon vor über einem halben Jahrhundert. Was würde sie wohl von entsprechenden Diskussionen halten, etwa, dass bestimmte heute als problematisch geltende Wörter in alten Werken geändert werden? Ihr Bruder sagt: «Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich würde sie das als positiv empfinden. Eben weil sie gedrängt hat, dass sich die Sprache verändern muss, damit unsere Beziehungen sich bessern. Das war ihr ein wichtiges Anliegen.»
Und tatsächlich ergründete Bachmann neue Wege, zu erzählen. Losgelöst von erzählerischen Konventionen fand sie eine ganz eigene Sprachmelodie: musikalisch, die Wörter manchmal hastend aneinander reihend, wie auf der Suche nach der richtigen Formulierung. In ihren Gedichten schuf sie beispiellose Bilder. «Dein Hut lüftet sich leis, grüßt, schwebt im Wind, dein unbedeckter Kopf hat's Wolken angetan, dein Herz hat anderswo zu tun, dein Mund verleibt sich neue Sprachen ein», beginnt etwa ihr Gedicht «Erklär mir, Liebe».
Beziehungen mit Paul Celan und Max Frisch
Den von Gewalt bestimmten Erinnerungen setzte Bachmann in ihren Texten utopische Ideen von Liebe und Freiheit entgegen. Diese verfolgte sie auch im echten Leben. Bachmann war nicht nur mit dem Dichter Paul Celan, sondern auch dem Schriftsteller Max Frisch liiert. Beide Beziehungen, das zeigen die Briefwechsel, endeten nicht gut. Frisch, der als extrem eifersüchtig galt, konnte mit der freiheitsliebenden Art seiner Partnerin nichts anfangen. Nach der Trennung verarbeitete er Details ihrer Beziehung in seinen Werken, was Bachmann als Verrat empfand. Von der Erschütterung, die die Trennung in ihr auslöst, erzählt auch Margarethe von Trottas Film «Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste», der am 19. Oktober in die Kinos kommt.
Zwischendurch war die Schriftstellerin abhängig von Alkohol und Beruhigungstabletten geworden. Die Tabletten sind so stark, dass sie eines Tages mutmaßlich mit brennender Zigarette einschläft. Mit schweren Brandverletzungen kommt sie ins Krankenhaus und stirbt dort einige Tage später.
Bachmann wird heute oft als kapriziöse, düstere Autorin interpretiert. Für ihren 13 Jahre jüngeren Bruder, der ein enges Verhältnis zu ihr hatte, trifft es das nicht. Woran erinnert er sich heute? «Es ist das Fröhliche, das Geschichtenerzählen, ihr Lachen, das mir geblieben ist und immer bleiben wird.»