Der preisgekrönte Event-Dreiteiler von 2020 begleitet Matthias Brandt als Hamburger LKA-Chef und späteren Pensionär durch mehrere Jahrzehnte eines mysteriösen Kriminalfalls. Es ist die Verfilmung der sogenannten Göhrde-Morde, die Norddeutschland tatsächlich in Atem hielten.
Früher schaute man "Aktenzeichen XY ... ungelöst", wenn man den Grusel echter Verbrechen spüren wollte, heute gibt es ein ganzes Genre: "True Crime". Hinter dem Begriff verbirgt sich die Aufbereitung tatsächlich geschehener, meist abscheulicher Kriminalfälle. Auch der 2020 im Ersten ausgestrahlte Dreiteiler "Das Geheimnis des Totenwaldes", in dem Matthias Brandt den Hamburger LKA-Chef Thomas Betghe spielt, hat sich tatsächlich zugetragen - sogar ziemlich genau so, wie im Drehbuch beschrieben. Im Sommer 1989 verschwindet Betghes Schwester (Silke Bodenbender) spurlos aus ihrem Haus in Niedersachsen. In dessen Nähe sind kurz davor zwei grausame Doppelmorde geschehen. 3sat wiederholt den 2021 für den Deutschen Fernsehpreis nominierten und für seine Austattung ausgezeichneten Dreiteiler.
Betghes Schwester Barnara, Mutter einer Teenietochter, war zuvor emotional labil und sie hatte ein Problem mit Alkohol. Ihr Mann (Nicholas Ofczarek) wollte sich gerade von ihr trennen. Die Polizei im - fiktiven - Ort Weesenburg scheint überfordert, sowohl mit den beiden Morden an zwei Liebespaaren im Wald, wie auch mit dem spurlosen Verschwinden von Bethges Schwester. Der Polizist steht vorm schwersten Fall seiner Karriere: Er will Barbara finden, darf aber als Hamburger Polizist nicht in Niedersachsen ermitteln. Unbeirrt und fast drei Jahrzehnte lang recherchiert er gegen große Widerstände in einem rätselhaften Kriminalfall, ehe der bereits pensionierte Ermittler einem Serienmörder auf der Spur zu sein scheint. Dabei unterstützen ihn seine ehemalige Studentin, die Polizistin Anne Bach (Karoline Schuch) - und andere, zeitweise Weggefährten.
Die Geschichte ist der Star
Das Drehbuch von Stefan Kolditz ("Tatort: Verbrannt") orientiert sich in vielen Details an den sogenannten Göhrde-Morden, benannt nach einem Waldstück im norddeutschen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Manchmal würde man denken, dass der Fall ein wenig überdramatisiert ist, weil das Geschehene schon ziemlich unglaublich erscheint. Doch tatsächlich bewegt sich die Fction ziemlich nah an der Realität. Unter der bildstarken, aber nie aufdringlichen Regie von Sven Bohse ("Ku'damm 59") entsteht über die Spielzeit von viereinhalb Stunden die Rekonstruktion eines Verbrechens und vor allem Ermittlungsmarathons.
Ein komplexer Fall, der faszinierenderweise zu Beginn der Drehbucharbeit noch nicht mal final gelöst war. Erst 30 Jahre später konnten die von vielen Versäumnissen und Pannen begleiteten Ermittlungen durch Thomas Betghe, dessen echter Name Wolfgang Sielaff lautet, aufgeklärt werden. Es ist eine Geschichte von Justizversagen, Eitelkeiten und der ermüdenden Suche eines Mannes nach Wahrheit, die ein bisschen an die US-Serie "True Detective" erinnert - vor allem an deren unterschätzte dritte Staffel mit Mahershala Ali, die ebenso von der lebenslangen Suche eines Ermittlers nach der Wahrheit erzählt.
"Das Geheimnis des Totenwaldes" lebt ebenso vom Charisma und brillanten Schauspiel Matthias Brandts, der den unaufgeregten Beamten in seinem privaten Martyrium präzise abbildet. Und trotzdem verschwindet Brandts Spiel oft und wohl bewusst hinter der Größe des realen Geschehens.
Das Geheimnis des Totenwaldes (1) - Fr. 12.09. - 3sat: 20.15 Uhr