Deutschland verlassen? "Wenn alle Stricke reißen"
In der Politik wird viel über Flüchtlinge gesprochen, die sich nicht integrieren wollen, die straffällig werden, die nicht arbeiten. Aber wie sieht die Realität aus? Laut Bundesagentur für Arbeite bezieht etwa die Hälfte aller Syrerinnen und Syrer in Deutschland Bürgergeld. 282.000 von ihnen könnten arbeiten, tun es aber aus verschiedenen Gründen nicht, etwa, weil sie die Sprache nicht sprechen. So geht es der Mutter des NDR-Reporters. Sie habe es versucht, erzählt sie, doch nach Krieg und Flucht ist sie traumatisiert. Ihr fehle die Kraft, erklärt sie ihrem Sohn.
Die anderen syrischen Bürgergeldempfänger sind 71.000 Aufstocker und 165.000 Kinder. Syrer wie Tadmory, die den deutschen Pass besitzen und arbeiten, tauchen in dieser Statistik nicht auf.
Einer, der ebenfalls nicht mitgezählt wurde, ist Maher. Er floh 2014, studierte Zahnmedizin und arbeitet heute an der Uni Münster. Maher ist mit einer Deutschen verlobt. Wird er nach Syrien zurückkehren? Maher möchte bleiben, denn Deutschland sei mittlerweile seine Heimat. Aber "wenn alle Stricke reißen sollten in Deutschland", dann sei Syrien sein "Plan B".
Kollegin weint um Syrer, der heimkehrt - dann sagt sie: "Ich bin AfDler"
Mohammed sieht es anders. Er floh 2015 und machte in Dortmund seinen Meister im Metallbau. Er will zurück nach Syrien. "Heimat ruft", erklärt er Tadmory lächelnd. "Wir müssen aufbauen. Wenn wir alle hierbleiben, dann bleibt das Land so - 100 Jahre noch", glaubt er. Angst, seine Entscheidung zu bereuen, habe er trotzdem.
Der NDR-Reporter begleitet ihn an seinem letzten Arbeitstag. "Ich bin richtig traurig, dass er geht", sagt Tanja, eine Kollegin. Ihr kommen beim Abschied die Tränen. Gleichzeitig erklärt sie ganz offen: "Ich bin AfDler." Eine seltsame Situation, findet Tadmory.
"Wird es jemals ein Ende des Krieges für Syrien geben?"
Nach seiner Rückkehr meldet sich Mohammed bei dem NDR-Reporter. Es gehe ihm gut und er fühle sich sicher. Gerade renoviere er einen Laden in seiner Heimatstadt Aleppo. Dort will er eine Werkstatt eröffnen. Ist Syrien also wieder sicher?
Trotz des Bürgerkriegsendes kommt es immer wieder zu Konflikten im Land. "Es ist noch alles instabil", erklärt auch der Zahnarzt Maher einige Zeit später. Er besuchte gerade Verwandte, als Israel das syrische Verteidigungsministerium in Damaskus bombardierte. Dabei wurde er selbst verletzt. "Es kommt alles wieder hoch, weil es fühlt sich wie damals an", erzählt er. Eine Rückkehr sei für ihn erst mal keine Option mehr. Der Journalist fragt sich: "Wird es jemals ein Ende des Krieges für Syrien geben?"
"Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal alles hinter mir zu lassen"
Tadmory ist zwiegespalten. Da sei zum einen "die Sehnsucht nach zu Hause", die er jahrelang unterdrückt habe, und der Wunsch, beim Aufbau des Landes und einer friedlichen Gesellschaft zu helfen. "Gleichzeitig baue ich mir seit zehn Jahren ein Leben in Deutschland auf - will ich das aufgeben?", überlegt er bei einem Besuch seiner Heimatstadt in Syrien, kurz nach dem Sturz des Diktators.
Er will bleiben, beschließt er für sich. Nur falls seine Mutter abgeschoben werde, würde er nach Syrien zurückkehren. "Ich habe hier Wurzeln geschlagen und ich bin nicht bereit, ein zweites Mal alles hinter mir zu lassen."
"Panorama: Zeit zu gehen? Deutschland, Syrien und Ich" ist am Donnerstag, 7. August, 21.45 Uhr, im Ersten und bereits jetzt in der ARD-Mediathek zu sehen.