Wehret den Anfängen: Historiendrama nach Oskar Maria Graf mit Josef Hader in der Hauptrolle

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Sturm kommt auf
Nicht auffallen, niemandem etwas schulden: Der Schuster Julius Kraus (Josef Hader) ist der Protagonist des Zweiteilers nach Oskar Maria Grafs Roman "Unruhe um einen Friedfertigen".
ZDF/ Fabio Eppensteiner
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Der Bauer Silvan Heingeiger (Sigi Zimmerschied) ist der Nachbar des Schusters Julius Kraus und so etwas wie ein Freund. Als solchen bittet der Landwirt den im Schreiben talentierteren Schuster auch um seine Hilfe beim Verfassen eines wichtigen Briefes.
ZDF/Fabio Eppensteiner
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Die Heingeigers, von links: Vater Silvan (Sigi Zimmerschied), Enkel Russl (Max Jung), Tochter Elies (Verena Altenberger) und Sohn Silvan (Frederic Linkemann). Das rechte Gedankengut und die Boshaftigkeit des jüngeren Silvan bringt nicht nur in die Familie Angst und Schrecken.
ZDF/Mathias Bothor
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Die alleinerziehende Elies (Verena Altenberger) und ihr Sohn Russl (Max Jung) werden wegen der Identität von Russls Vater diskriminiert.
ZDF/Fabio Eppensteiner
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Silvan Heingeiger jr. (Frederic Linkemann, links) steigt nach dem Ersten Weltkrieg zum Leutnant des Freikorps auf. Die Nationalisten machen Jagd auf die erstarkenden Kommunisten. Xaver Tratzelberger (Matthias Ransberger, rechts) und Bertl (Moritz Katzmair) gehören zu seiner treuen Gefolgschaft. Auch als Silvan später zum Sturmführer der SA aufsteigt.
ZDF/Fabio Eppensteiner
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Der Knecht Bertl (Moritz Katzmair), ein tumber Gehilfe ihres Bruders Silvan, verfolgt Elies (Verena Altenberger) und macht ihr aggressive Avancen.
ZDF/Fabio Eppensteiner
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Während ihr Vater nach dem Ersten Weltkrieg zum Mitläufer der erstarkenden Nationalisten wird, steht Julie Stelzinger (Antonia Bill) fest an der Seite ihres Freundes und späteren Ehemanns Ludwig Allberger (Sebastian Bezzel). Der Rotgardist wird von Silvan Heingeiger jr. und seiner Gefolgschaft verfolgt.
ZDF/Mathias Bothor
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Der Schuster Julius Kraus (Josef Hader, links) und der Bauer Silvan Heingeiger (Sigi Zimmerschied) kennen sich schon lange, sind nicht nur Nachbarn, sondern im Grunde auch Freunde. Als Kraus sich weigert, als Bürgermeister zu kandidieren, lässt sich Silvan wählen.
ZDF/Fabio Eppensteiner
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Julius Kraus (Josef Hader) ist verwitwet, sein einziger Sohn lebt schon lange in Amerika. Post von ihm erhält er selten, aber wenn, dann ist der Inhalt von großer Brisanz.
ZDF/ Fabio Eppensteiner
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Der Kommunist Ludwig Allberger (Sebastian Bezzel, rechts) wird nie vergessen, dass Schuster Kraus (Josef Hader) ihn vor den Mitgliedern des Freikorps versteckt hat.
ZDF/Fabio Eppensteiner
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Im zweiten Teil der Literaturverfilmung geht es um das endgültige Erstarken der Nationalsozialisten 1932 und 1933. Dass sie Hakenkreuzfahnen hissen sollen, gefällt nicht allen Bewohnern des Dorfes.
ZDF/Fabio Eppensteiner
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Lange lebt der Schuster Kraus (Josef Hader) unbehelligt in seinem bayerischen Dorf. Bis die Nationalsozialisten erfahren, dass er zwar katholischen Glaubens ist, aber als Jude in Galizien geboren wurde.
ZDF/Fabio Eppensteiner
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Im zweiten Teil ist Elies' Sohn Peter "Russl" Heingeiger (Jakob Brendel, links) ein junger Mann. Auch er leidet wie seine Mutter unter deren Bruder Silvan. Mit Ludwig Allberger (Sebastian Bezzel) dagegen verbindet ihn eine Freundschaft.
ZDF/Fabio Eppensteiner

Mit der prominent besetzten Verfilmung von Oskar Maria Grafs pazifistischem Roman "Unruhe um einen Friedfertigen" erinnert Regisseur Matti Geschonneck im Rahmen des ZDF-Programmschwerpunkts "Gegen das Vergessen - 80 Jahre Kriegsende" an das Erstarken des Faschismus und setzt damit ein hochaktuelles Zeichen: "Sturm kommt auf".

Mit dem Programmschwerpunkt "Gegen das Vergessen - 80 Jahre Kriegsende" erinnert das ZDF ab Dienstag, 4. November, senderübergreifend mit Dokumentationen und Spielfilmen an das wohl dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Den Abschluss der Themenwoche bildet am Montagabend der historische Zweiteiler "Sturm kommt auf", eine Koproduktion von ZDF und ORF, inszeniert von Matti Geschonneck ("Die Wannseekonferenz") nach dem Drehbuch von Hannah Hollinger.

Der in der bayerischen Provinz spielende Film basiert auf dem Roman "Unruhe um einen Friedfertigen" des Schriftstellers Oskar Maria Graf. In der Hauptrolle des Schusters Julius Kraus überzeugt Josef Hader, in weiteren Rollen sind unter anderem Sigi und David Zimmerschied, Verena Altenberger, Helmfried von Lüttichau, Sebastian Bezzel und Antonia Bill zu sehen.

Die Handlung beginnt 1918, der Erste Weltkrieg wirkt noch nach, der Nationalismus erstarkt bereits. Teil zwei springt ins Jahr 1933, das Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten, der Zweite Weltkrieg ist nicht mehr weit. Eine Zeit, in der man sich, aus heutiger Sicht, hätte positionieren müssen, um die Katastrophe zu verhindern.

Das Erstarken der Nationalisten nach dem Ersten Weltkrieg

Der angepasste Schuster Kraus hält sich allerdings schon immer aus allem heraus. Bloß nicht auffallen, so seine Devise. Dass er jüdischer Herkunft ist, war nie ein Thema, den anderen Dorfbewohnern war es wohl nicht einmal bekannt. Doch nun könnte es zur lebensgefährlichen Tatsache werden. Kraus' Nemesis ist Silvan Heingeiger, der Sohn seines Nachbarn und Freundes Silvan senior (Sigi Zimmerschied). Frederic Linkemann spielt den wohl absichtlich schablonenhaft gezeichneten Bösewicht erschreckend überzeugend: in Teil eins als Leutnant des Freikorps, in Teil zwei als Sturmführer der SA. Silvan hasst Juden, Kommunisten - und deren Helfer. Er ahnt nicht, dass der neutrale Kraus den Rotgardisten Ludwig Allberger (Sebastian Bezzel) versteckt.

Eine zentrale Rolle im ersten Film spielt auch Silvans Schwester, die ledige Mutter Elies (Verena Altenberger). Sie hilft dem verwitweten Schuster im Haushalt und würde ihn gerne heiraten, schon um ihrem brutalen Bruder zu entkommen. Doch auch das weiß Silvan auf grausame Weise zu verhindern ...

Wie man es von ihm kennt, erzählt Matti Geschonneck die Geschichte des Aufkeimens und Erstarkens des Faschismus bedächtig, stellenweise für das Publikum der insgesamt 180-minütigen Literaturadaption im Heimatfilmgewand womöglich sogar zu ruhig. Der erste Teil, der die Anfänge des Bösen zeigt, überzeugt dabei mehr als der zweite, welcher - bei allem Schrecken, den er vor allem durch Josef Haders berührendes Spiel vermittelt - stellenweise arg konstruiert wirkt, etwa wenn der unauffällige Kraus durch ein Millionenerbe plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.

Der Film ist "eine Art Wake-up-Call"

Oskar Maria Grafs Roman erschien 1947. Der als Sozialist und Querkopf bekannte Schriftsteller lebte da schon fast zehn Jahre im Exil in New York, blieb seiner bayerischen Heimat aber tief verbunden. Graf war stets ein Rebell gegen Ideologie und Zwang. Die Verfilmung seines pazifistischen Werkes läuft nun nicht nur 80 Jahre nach Kriegsende, sondern auch einen Tag nach dem 87. Jahrestag der Reichspogromnacht sowie dem 90. Jahrestag des Erlasses der Nürnberger Rassengesetze, die den Holocaust vorbereiteten. Der Zweiteiler vermittelt so die bekannte, immer gültige Botschaft: Wehret den Anfängen.

Auch Hauptdarsteller Josef Hader betont die Aktualität des Stoffes: "Die Unversöhnlichkeit der politischen Lager in der Zwischenkriegszeit, die gelähmte Demokratie, die Sehnsucht nach großen Führern ... das alles wiederholt sich gerade auf gespenstische Weise." Und Frederic Linkemann ergänzt: "Gerade in einer heute eher düster wirkenden Gesellschaft ist dieser Film eine Art Wake-up-Call: 'Schaut hin, wie gewisse Dynamiken eine Gesellschaft spalten und verändern können, bis es vielleicht zu spät ist'."

"Sturm kommt auf" ist bereits eine Woche vorab in der Mediathek abrufbar. Von Regisseur Matti Geschonneck sind im Rahmen des Programmschwerpunktes zudem die Filme "Das Zeugenhaus" (Mittwoch, 5. November, bei 3sat) und "Die Wannseekonferenz" (Samstag, 8. November, bei ZDFneo) zu sehen, beide auch vorab in der Mediathek.

"Sturm kommt auf" - Mo. 10.11. - ZDF: 20.15 Uhr