Der Journalist reist nach Sigmaringen, eine schwäbische Kleinstadt mit einer Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in unmittelbarer Nähe. 431 Personen aus 29 verschiedenen Nationen leben in der Unterkunft. Eine Polizeiwache befindet sich direkt auf dem Gelände. Die häufigsten erfassten Straftaten hier? Verstöße gegen das Ausländerrecht, wie illegale Einreise. Straftaten, welche die Gesamtstatistik verzerren, da sie kein Deutscher begehen kann. Und Gewalttaten? "Wir hatten definitiv noch kein schwerwiegendes Delikt hier", berichtet Matthias Zok, Leiter der Einrichtung, der weiter erklärt, dass die meisten Delikte der Geflüchteten untereinander begangen werden würden.
Was die Zahlen in Sigmaringen außerdem nach oben treibt: die extrem hohe Kontrolldichte. So erklärt der Leiter des Polizeireviers, Daniel Reiser: "Durch unsere hohe Polizeipräsenz schaffen wir es halt, Straftaten hier aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld zu bringen, was dann möglicherweise bei der Kriminalstatistik wieder etwas höhere Zahlen aufwirft als in anderen ländlichen Regionen, die vergleichbar sind." Sigmaringen gelte dadurch als gefährlichste Stadt in der Umgebung - und schürt so die Furcht. "Die objektive Sicherheitslage widerspricht dem, was die Ängste der Bevölkerung teilweise sind", fasst Daniel Reiser zusammen.
"Natürlich gibt es kriminelle Ausländer, aber sind Ausländer per se krimineller als Deutsche? Die Forschung hat darauf eine klare Antwort: Nein!", erklärt Georg Restle, dass Ausländer in den Statistiken laut zahlreicher Studien vor allem deswegen häufiger auftauchen, weil sie im Schnitt "jünger und männlicher als Deutsche sind und eher aus sozial benachteiligten Verhältnissen kommen". Doch auch das Anzeigeverhalten spiele eine große Rolle: Nicht-deutsche Täter würden eher angezeigt werden als deutsche. Ebenfalls sei wissenschaftlich nachgewiesen: Ausländer werden nicht nur häufiger angezeigt, sondern auch von der Polizei häufiger kontrolliert.
"Wenn man als Politiker dann da wegtaucht und das kleinredet, dann verspielt man Vertrauen"
Das seien alles Verzerrungen, die in der Politik und den Medien für gewöhnlich unerwähnt bleiben würden, so die ARD-Doku. Eine Stichprobe der Hochschule Macromedia in Hamburg belegt zudem, dass Straftaten, die von Ausländern begangen worden sind, eine deutlich höhere Aufmerksamkeit bekommen, als Straftaten von Deutschen.
So seien im Jahr 2023 laut Polizeistatistik zwei Drittel (66,7 Prozent) aller Straftaten von Deutschen begangen worden, ein Drittel (33,3 Prozent) wiederum von Nicht-Deutschen. Die Darstellung im Fernsehen drehe dieses Bild jedoch komplett um, wie Georg Restle ausführt: "Hier wurden nicht-deutsche Tatverdächtige in 84,2 Prozent der Fernsehbeiträge explizit genannt, deutsche Tatverdächtige hingegen nur in 15,8 Prozent, wenn die Herkunft genannt wurde."
Die ARD-Doku hat sich bekannte Fälle aus der jüngsten Vergangenheit am Beispiel der "Tagesschau" im Ersten angeschaut und nachgezählt: Zu dem Anschlag in München mit einem ausländischen Täter habe es in der Hauptausgabe fünf Berichte und einen Brennpunkt gegeben; zu dem Anschlag in Magdeburg mit ausländischem Täter acht Berichte und einen Brennpunkt; zu dem Anschlag in Mannheim mit einem deutschen Täter hingegen lediglich zwei Berichte, kein Brennpunkt - trotz Hinweisen auf einen rechtsextremen Hintergrund.
Professor Thomas Hestermann von der Hochschule Macromedia in Hamburg resümiert letztendlich: "Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt, aber für viele fühlt es sich nicht so an und es soll sich auch nicht so anfühlen. Denn Angst ist ein Triebmittel für Besorgnis, Angst generiert Klicks, Quoten und Wählerstimmen." Politiker Herbert Reul, Innenminister von NRW, gibt zu: "Die Leute basteln sich die Wirklichkeit zurecht und wenn man als Politiker dann da wegtaucht und das kleinredet, dann verspielt man Vertrauen, glaube ich."
Die komplette ARD-Doku "Volk in Angst: Wie mit Verbrechen Politik gemacht wird" ist am Donnerstag, 24. April 2025, um 21.45 Uhr in der ARD oder ab sofort in der ARD-Mediathek zu sehen.