"Kinderei": Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering warnt bei "Hart aber fair" vor Verrennen in Rentendebatte

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"Hart aber fair"
Die Rentenreformpläne seien eine fehlgeleitete Debatte, kritisierte Franz Müntefering: "Fragt zu Hause die Wählerinnen und Wähler. Macht, was sie sagen", forderte er.
WDR/ Oliver Ziebe
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Den "Rentenrebellen" ginge es nicht darum, die Regierung in schweres Fahrwasser zu bringen, betonte Philipp Amthor, sie wollten ein generationengerechtes Rentensystem.
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Am Montagabend war das Thema bei "Hart aber fair": "Zwischen Rentenstreit und Reformstau: Kriegt Kanzler Merz das hin?"
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Philipp Amthor (links) und Franz Müntefering diskutierten bei "Hart aber fair" über die Rentenreformpläne der Koalition.
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Seit Wochen rebellieren die Jungen der Union gegen die Rentenreformpläne der Koalition und auch bei "Hart aber fair" brodelte es am Montag gewaltig. Es sei eine fehlgeleitete Debatte, kritisierte Franz Müntefering: "Fragt zu Hause die Wählerinnen und Wähler. Macht, was sie sagen", forderte er.

"Morgen um 15:00 Uhr wissen Sie mehr" - ausweichend antwortete Philipp Amthor (CDU) auf Louis Klamroths "investigativen Versuch", schon in der Talkshow "Hart aber fair" am Montagabend herauszufinden, ob er gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Jungen Gruppe der Union gegen das Rentenpaket von Arbeitsministerin Bärbel Bas stimmen würde oder nicht. "Zwischen Rentenstreit und Reformstau - kriegt Kanzler Merz das hin?", lautete das Thema in dem ARD-Talk. Den "Rentenrebellen" ginge es nicht darum, die Regierung in schweres Fahrwasser zu bringen, betonte der parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, sie wollten ein generationengerechtes Rentensystem.

"Ich finde es schäbig, dass sich ein Teil der Union hinstellt und den Leuten den Dreck unter den Fingernägeln nicht gönnt", hielt sich Heidi Reichinnek (Fraktionsvorsitzende Die Linke) nicht zurück. Nur wie ihre Partei im Bundestag abstimmen würde, das verriet auch sie nicht. Stattdessen forderte sie eine "richtige Rentenreform": Ein Steigen des Rentenniveaus auf 53 Prozent und eine Rentenversicherung, in die alle einzahlen. Bis die geplante Kommission tage, müsse das Rentenniveau gehalten werden: "Es ist die Aufgabe der Regierung und des Kanzlers, das hinzubekommen", verlangte sie, denn: "Was ist die Konsequenz, wenn das Paket nicht durchkommt?"

"Sollte die Mehrheit nicht stehen, weiß ich nicht, wie es da weitergehen soll" - die Antwort von Markus Feldenkirchen (politischer Autor im Hauptstadtbüro "Der Spiegel") stimmte nicht gerade optimistisch. Er sprach von einer "Schicksalswoche" und forderte die Beteiligten zu Kompromissbereitschaft, gebe es doch Größeres als die einzelne Rentengesetzgebung.

"Die Situation dieser Gesellschaft ist eine völlig andere als vor 50 Jahren", zeigte auch Franz Müntefering (SPD, ehem. Vizekanzler, Arbeitsminister und Parteichef) nur bedingt Verständnis für die Debatte. "Wir müssen uns nicht die Köpfe einschlagen wegen dieser Diskussion. (...) Die Koalition darf sich nicht verrennen, dass sie eine Rentenkoalition ist, sondern sie will mehr", betonte er, nämlich "dass der Sozialstaat stark ist und sich durchsetzen kann." Das Argument der Jungen sei nachvollziehbar, "aber so ein bisschen Kinderei ist auch dabei!" Überhaupt sei die entscheidende Größe der Union nicht die junge Gruppe, sondern die Wählerinnen und Wähler, sprach er Klartext. "Fragt zu Hause die Wählerinnen und Wähler. Macht, was sie sagen und macht ein Konzept für den Sozialstaat Deutschland", riet er der Regierung, große Sozial- und Staatsreformen anzugehen, "das ist wichtig, das müssen sie in dieser Legislatur noch hinkriegen."

"So oft habe ich Philipp Amthor noch nicht nicken sehen, wenn jemand spricht", konnte sich Louis Klamroth den Kommentar nicht verkneifen. "Es war ein guter Beitrag", gab der den Vorrednern recht: Es gehe nicht nur um die reine Sachfrage, sondern die Regierung müsse zu Ergebnissen kommen.

"Nicht desillusioniert, sondern ernüchtert"

"Der Glaube an die Politik ist nach wie vor da, aber es geht nicht ohne die Wirtschaft", brachte Karlotta Gründobler (Geschäftsführende Gesellschafterin ELIOG Industrieofenbau) die Runde in die Praxis zurück. Von der versprochenen Wirtschaftswende zeigte sie sich "nicht desillusioniert, sondern ernüchtert" und appellierte an die Politik, sich mit Wachstum zu beschäftigen. "Wie kann man dafür sorgen, dass wir übermorgen noch Arbeitsplätze haben?", stellte die Leiterin des 100 Jahre alten Traditionsbetriebs eine wichtige Frage. Die Rente sei hier lediglich ein Aspekt, weitere seien das Lohnniveau, die Absicherung der Arbeitsplätze, die Gaspreise und natürlich die Bürokratie. Dass sich Gründobler in einem Video wortwörtlich über Letztere ausgeheult hatte, traf bei Louis Klamroth auf offene Ohren.

Es gäbe 10.000 mit Gründobler vergleichbare Fälle, "wo Leute nicht am Wettbewerb, sondern am Papierkram scheitern", wusste Amthor - ganz Staatssekretär für Digitales und Staatsmodernisierung. Deshalb hätte sich die Regierung nicht nur auf die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und das Streichen von Bürokratie verständigt. Sie hätte bereits die Steuerreformen, Superabschreibungen und die Senkung der Unternehmenssteuer auf den Weg gebracht, zählte Amthor die Errungenschaften auf, gab aber zu: In Sache Tempo sei "Luft nach oben."

Er hoffe, dass die Versprechen des "unaufrichtigsten Wahlkampf, der in Deutschland je geführt wurde" wenigstens in diesem Bereich eingelöst werden, unkte Feldenkirchen und warnte: Angesichts des schwindenden Zuspruchs hätte die Regierung nicht mehr viel Zeit, ihre Problemlösungskompetenz zu zeigen. Dabei fehle es meist nicht an Erkenntnissen, sondern an der Umsetzung - auch in Sachen Rente müsse man nicht das Rad neu erfinden, sondern an bekannten Stellschrauben drehen: "Das ist die mutige Politik, die wir brauchen", lautete sein Fazit.

Quelle: teleschau – der mediendienst