Die CDU, die Debattenkultur in Deutschland - und auch sogar die eigene Partei: Im ARD-Talk "Maischberger" war niemand vor der Kritik von Cem Özdemir sicher. Auch die Jugendorganisation seiner eigenen Partei bekam vom Grünen-Mann ihr Fett weg.
Im kommenden Jahr werden in fünf Bundesländern neue Landtage gewählt - unter anderem in Baden-Württemberg. Cem Özdemir will dem scheidenden Ministerpräsident der Grünen, Winfried Kretschmann, folgen. Große Chancen hat er laut den letzten Umfragen nicht. Trotzdem lud ihn Sandra Maischberger am Mittwochabend in ihre ARD-Talkshow ein. Doch es ging im Polittalk nicht so sehr um den Wahlkampf, sondern eher um Grundsätzliches - und Özdemir hatte einiges zu meckern.
"Ich kritisiere meine Partei gerne, und da gibt es viel zu kritisieren", holte der 59-Jährige aus. "Manchmal denke ich mir: Warum machen wir uns das Leben so schwer?" Viele Deutsche hätten "eigentlich Sympathie für grüne Inhalte", doch die Partei mache es ihnen "unnötig schwer". Als Beispiel nannte er die Energiefrage: "Wir waren nicht die, die es für eine gute Idee hielten, dass man aus der Atomenergie aussteigt, wieder einsteigt, noch einmal aussteigt, und das Ganze mit Riesenstrafzahlungen." Und man dürfte nicht vergessen, dass die Grünen die Anpassung der Schuldenbremse unterstützt hätten: "Wir haben geholfen, dass diese Bundesregierung überhaupt jetzt Geld zur Verfügung hat."
Özdemir postuliert: "Kein Klimaschutz ist immer teurer als Klimaschutz"
Jetzt gehe es den Grünen laut Özdemir um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Dabei sei auch der Klimaschutz wichtig. "Kein Klimaschutz ist immer teurer als Klimaschutz", präsentierte der Politiker seine Agenda. Klimaschutz sei eine wichtige Gerechtigkeitsfrage, so Özdemir. Gleichzeitig verwies er auf das Bildungssystem, von dem er sich erhoffe, "dass Bildungserfolge abgekoppelt werden von der Herkunft der Eltern". Özdemir will sich für ein gerechteres Bildungssystem einsetzen. "Solange wir das nicht geschafft haben, haben wir auch ein großes Gerechtigkeitsproblem in der Gesellschaft, aber auch ein wirtschaftliches Problem, weil uns viele Talente verloren gehen."
Dass das Verbrennerverbot nun wohl erst 2035 kommt, dafür machte Özdemir die EU-Kommission und deren Präsidentin Ursula von der Leyen verantwortlich. Gerade bei der Ladeinfrastruktur gehe es zu langsam voran. "Mein Ratschlag ist: Wir müssen endlich mal Dinge entscheiden. Wir stellen in Deutschland nur Dinge in Frage. Was wir gestern entschieden haben, stellen wir morgen wieder in Frage. So macht man den Standort Deutschland kaputt", beklagte der 59-Jährige. Dieser Dauerstreit in Deutschland sei am Ende nur eines: "ein Förderprogramm für die AfD".
Özdemir fordert: CDU soll aufhören "mit dem Auto Kulturkampf zu betreiben"
Was das Verbrenner-Aus angeht, hat Özdemir erkannt: "2035 ist nicht erreichbar, weil der Hochlauf gar nicht da ist. Also müssen wir jetzt dafür sorgen, dass die Zuliefererindustrie über den Hybrid eine Chance hat, das Ziel zu erreichen. Das ist im Kanzleramt beschlossen worden."
Sofern er als Ministerpräsident gewählt werde, stehe er hinter diesem Beschluss, versicherte Özdemir: "Mein Angebot an die CDU ist: Lasst uns flexibel sein im Weg, aber klar im Ziel. Die CDU muss aufhören, den Elektromotor als Ziel in Frage zu stellen, und wir Grüne stellen nicht in Frage, dass wir auf dem Weg dorthin flexibel sein müssen." Es sei an der Zeit, dass "die CDU aufhöre, mit dem Auto Kulturkampf zu betreiben".
Die Aussage von Grünen-Fraktionschefin Dröge, es sei ein Fehler, das Verbrenner-Aus 2035 in Frage zu stellen, teilte Özdemir nicht. Eine konkrete Jahreszahl für den endgültigen Ausstieg aus dem Verbrenner-Motor nannte Özdemir aber auch nicht. "Ich kann keine konkrete Jahreszahl nennen, weil ich nicht EU-Kommissionspräsidentin bin", rechtfertigte
er sich.