Die neue ARD-Serie "Hundertdreizehn" erzählt an zwei Primetime-Abenden von den Ermittlungen rund um einen desaströsen Verkehrsunfall. Jede Folge blättert ein Einzelschicksal auf - Stars wie Anna Schudt, Friederike Becht, Armin Rohde und Max von der Groeben spielen sie. Robert Stadlober und Lia von Blarer ermitteln.
Die clever konstruierte ARD-Serie "Hundertdreizehn" erzählt von den Ermittlungen und verknüpften Schicksalen rund um einen desaströsen Verkehrsunfall. Ein Reisebus gerät auf der Autobahn außer Kontrolle, es gibt viele Tote. Die Ermittler Jan Auschra (Robert Stadlober) und Anne Goldmundt (Lia von Blarer) müssen herausfinden, was passiert ist. Dabei treffen sie mit Überlebenden, Hinterbliebenen und Zeugen der Katastrophe zusammen. Jeder von ihnen trägt Mosaiksteine des Unfallhergangs zusammen, die gemeinsam am Ende ein Bild ergeben. Erzählen einige der Protagonisten eine "gefühlte Wahrheit" oder lügen sie gar ganz bewusst?
Über sechsmal 45 Minuten kommt die Serie an zwei Primetime-Abenden (die Folgen vier bis sechs laufen am Mittwoch, 15. Oktober, 20.15 Uhr) der Wahrheit näher. Dabei funktioniert die mit vielen Stars garnierte Erzählung sowohl als kriminalistische Ermittlung als auch als episodische Serie über miteinander verknüpfte Einzelschicksale. Bereits ab 10. Oktober sind alle sechs Folgen in der ARD-Mediathek verfügbar.
Jede Episode heißt so wie eine Hauptfigur des betreffenden Kapitels: Busfahrer Theo (Felix Kramer) macht den Anfang. Er verabschiedet sich von seiner Frau Riccarda (Anna Schudt) und Teenagertochter Ela (Eva Marlen Hirschburger), die aber nicht aus ihrem Zimmer herauskommen will. Gab es einen Streit? Nach dem Unfall werden Riccarda und Ela mit einer unglaublichen Erkenntnis konfrontiert. Episode zwei, "Richard" (Armin Rohde), beschäftigt sich mit dem am besten postierten Augenzeugen des Unfalls. Doch kann Richard seinen Beobachtungen und Erinnerungen trauen? Folge drei, "Jesper" (Max von der Groeben), kriecht in das Leben eines der Retter hinein. Ein Feuerwehrmann hat mit seinem persönlichen Trauma zu kämpfen.
Woher kennt man diesen Titelsong?
Die Folgen vier ("Clara") und fünf ("Sofia") tragen zur Geschichte mit zwei Überlebenden (Friederike Becht und Antonia Moretti) des Busses bei, die den Unfall auf ganz unterschiedliche Art und Weise verarbeiten. Und über die Abschlussfolge "Nuriel" sollte man vorab besser gar nichts verraten. Drehbuchautor Arndt Stüwe ("Wenn das fünfte Lichtlein brennt") und Regisseur Rick Ostermann ("Das Haus") ist mit dem Sechsteiler eine durchaus schlaue Serie geglückt. Während die Rahmenhandlung mit zwei gegensätzlichen Ermittlern, dem analytisch-empathischen Kommissar (Stadlober) und seiner spröde brillant kombinierenden Kollegin (von Blarer) als Krimischarnier und Spannungsmaschinerie funktioniert, werden in den Einzelporträts menschliche Dramen erzählt, die mal enger, mal etwas loser mit der Unfallkatastrophe verknüpft sind.
Laut einer Untersuchung des Bundesverkehrsministeriums sind es 113 Menschen, deren Leben von nur einem Unfalltod für immer beeinflusst und verändert wird: Familienangehörige, Freunde und Bekannte, Einsatzkräfte und Augenzeugen. Rund um diese Idee multipler Beziehungsgeflechte ist Arndt Stüwes Drehbuch entstanden. Manchmal erscheinen die Geschichten ein wenig konstruiert, dann wieder fließen die Erzählungen sehr klug und anrührend zusammen.
Unterm Strich hält das viereinhalbstündige Werk sowohl sein Erzählniveau wie auch seine subtile Spannung. Das Thema der verknüpften Schicksale erinnert an episodisch erzählte Kinoklassiker wie "21 Gramm" (2003, Regie: Alejandro González Iñárritu) oder "Magnolia" (1999, Regie: Paul Thomas Anderson). An den tollen Aimee-Mann-Song "Wise up" aus "Magnolia" denkt man komischerweise auch, wenn man den schwermütigen Titelsong "Mistaken For A While" von The Gardener & the tree in der Serie hört. Dazu setzt "Hundertdreizehn" unterschiedliche Formen der Trauer und Schuldverarbeitung dramaturgisch interessant in Szene. Durchaus ambitioniertes und dazu sehr spannendes Fernsehen zur besten Sendezeit.
Hundertdreizehn - Di. 14.10. - ARD: 20.15 Uhr