Über sechs Folgen hinweg: Anatomie einer Trauergemeinde

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Hundertdreizehn
Riccarda Hövemann (Anna Schudt) erfährt schreckliche Gewissheit zwischen den Wracks der Autobahn: Die klug konstruierte Serie "Hundertdreizehn" erzählt von den Ermittlungen und verknüpften Schicksalen rund um einen desaströsen Verkehrsunfall.
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Frank Dicks
Hundertdreizehn
Die Ermittlungen rund um das Unglück sind im vollen Gange: Was könnte das Ausscheren des Busses verursacht haben? Die Polizisten Hänno Gudjons (David Hugo Schmitz,links), Jan Auschra (Robert Stadlober) und Anne Goldmundt (Lia von Blarer) schauen sich immer wieder Videoaufnahmen des Desasters an.
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Frank Dicks
Hundertdreizehn
Logistikunternehmer Richard Born (Armin Rohde) hat sein Büro direkt über der Autobahn. So wurde er Zeuge des schrecklichen Unglücks. Doch kann Richard seinen Beobachtungen und Erinnerungen noch trauen?
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Alessio Schroder
Hundertdreizehn
Die beiden Mütter von Teenagertöchtern, Caro Novak (Patricia Aulitzky, links) und Riccarda Hövemann (Anna Schudt), haben sich gerade erst kennengelernt. Doch sie teilen eine Menge miteinander.
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Alessio M. Schroder
Hundertdreizehn
Salma (Allegra Tinnefeld, links) und Ela (Eva Marlen Hirschburger) haben sich über das Unglück kennengelernt. Die beiden Mädchen fühlen sich schnell einander nahe.
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Ralph Kaechele (DOP)
Hundertdreizehn
Feuerwehrmann Jesper Lohbrink (Max von der Groeben) und seine Freundin Ylvie Saagard (Antonia Bill) sind zu Gast bei einer Familienfeier. Dort wird Jesper, der zum Unfallort muss, mit einem alten Trauma konfrontiert.
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Petro Domenigg
Hundertdreizehn
Auch Clara (Friederike Becht) hat den katastrophalen Unfall überlebt. Doch sie empfindet Schuld. Wie kann Clara das, was passiert ist, wieder gutmachen?
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Frank Dicks
Hundertdreizehn
Sofia (Antonia Moretti rechts) ist eine der wenigen Überlebenden aus dem Bus. Doch ihre Frau Emmi (Sarah Mahita) erkennt sie nicht.
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Petro Domenigg
Hundertdreizehn
Die Ermittler Anne Goldmundt (Lia von Blarer), Hänno Gudjons (David Hugo Schmidt) und Jan Auschra (Robert Stadlober, rechts) arbeiten in einer großen Halle, in der sämtliche Autowracks zu Untersuchungszwecken "aufgebahrt" wurden.
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Frank Dicks
Hundertdreizehn
Der junge Simon (Benedikt Kalcher) steht auf Nuriel (Maeve Metelka), von der er schon in der Schule fasziniert war. Nun hat er sie wiedergetroffen und will die mysteriöse, wilde Frau beeindrucken.
WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Frank Dicks

Die neue ARD-Serie "Hundertdreizehn" erzählt an zwei Primetime-Abenden von den Ermittlungen rund um einen desaströsen Verkehrsunfall. Jede Folge blättert ein Einzelschicksal auf - Stars wie Anna Schudt, Friederike Becht, Armin Rohde und Max von der Groeben spielen sie. Robert Stadlober und Lia von Blarer ermitteln.

Die clever konstruierte ARD-Serie "Hundertdreizehn" erzählt von den Ermittlungen und verknüpften Schicksalen rund um einen desaströsen Verkehrsunfall. Ein Reisebus gerät auf der Autobahn außer Kontrolle, es gibt viele Tote. Die Ermittler Jan Auschra (Robert Stadlober) und Anne Goldmundt (Lia von Blarer) müssen herausfinden, was passiert ist. Dabei treffen sie mit Überlebenden, Hinterbliebenen und Zeugen der Katastrophe zusammen. Jeder von ihnen trägt Mosaiksteine des Unfallhergangs zusammen, die gemeinsam am Ende ein Bild ergeben. Erzählen einige der Protagonisten eine "gefühlte Wahrheit" oder lügen sie gar ganz bewusst?

Über sechsmal 45 Minuten kommt die Serie an zwei Primetime-Abenden (die Folgen vier bis sechs laufen am Mittwoch, 15. Oktober, 20.15 Uhr) der Wahrheit näher. Dabei funktioniert die mit vielen Stars garnierte Erzählung sowohl als kriminalistische Ermittlung als auch als episodische Serie über miteinander verknüpfte Einzelschicksale. Bereits ab 10. Oktober sind alle sechs Folgen in der ARD-Mediathek verfügbar.

Jede Episode heißt so wie eine Hauptfigur des betreffenden Kapitels: Busfahrer Theo (Felix Kramer) macht den Anfang. Er verabschiedet sich von seiner Frau Riccarda (Anna Schudt) und Teenagertochter Ela (Eva Marlen Hirschburger), die aber nicht aus ihrem Zimmer herauskommen will. Gab es einen Streit? Nach dem Unfall werden Riccarda und Ela mit einer unglaublichen Erkenntnis konfrontiert. Episode zwei, "Richard" (Armin Rohde), beschäftigt sich mit dem am besten postierten Augenzeugen des Unfalls. Doch kann Richard seinen Beobachtungen und Erinnerungen trauen? Folge drei, "Jesper" (Max von der Groeben), kriecht in das Leben eines der Retter hinein. Ein Feuerwehrmann hat mit seinem persönlichen Trauma zu kämpfen.

Woher kennt man diesen Titelsong?

Die Folgen vier ("Clara") und fünf ("Sofia") tragen zur Geschichte mit zwei Überlebenden (Friederike Becht und Antonia Moretti) des Busses bei, die den Unfall auf ganz unterschiedliche Art und Weise verarbeiten. Und über die Abschlussfolge "Nuriel" sollte man vorab besser gar nichts verraten. Drehbuchautor Arndt Stüwe ("Wenn das fünfte Lichtlein brennt") und Regisseur Rick Ostermann ("Das Haus") ist mit dem Sechsteiler eine durchaus schlaue Serie geglückt. Während die Rahmenhandlung mit zwei gegensätzlichen Ermittlern, dem analytisch-empathischen Kommissar (Stadlober) und seiner spröde brillant kombinierenden Kollegin (von Blarer) als Krimischarnier und Spannungsmaschinerie funktioniert, werden in den Einzelporträts menschliche Dramen erzählt, die mal enger, mal etwas loser mit der Unfallkatastrophe verknüpft sind.

Laut einer Untersuchung des Bundesverkehrsministeriums sind es 113 Menschen, deren Leben von nur einem Unfalltod für immer beeinflusst und verändert wird: Familienangehörige, Freunde und Bekannte, Einsatzkräfte und Augenzeugen. Rund um diese Idee multipler Beziehungsgeflechte ist Arndt Stüwes Drehbuch entstanden. Manchmal erscheinen die Geschichten ein wenig konstruiert, dann wieder fließen die Erzählungen sehr klug und anrührend zusammen.

Unterm Strich hält das viereinhalbstündige Werk sowohl sein Erzählniveau wie auch seine subtile Spannung. Das Thema der verknüpften Schicksale erinnert an episodisch erzählte Kinoklassiker wie "21 Gramm" (2003, Regie: Alejandro González Iñárritu) oder "Magnolia" (1999, Regie: Paul Thomas Anderson). An den tollen Aimee-Mann-Song "Wise up" aus "Magnolia" denkt man komischerweise auch, wenn man den schwermütigen Titelsong "Mistaken For A While" von The Gardener & the tree in der Serie hört. Dazu setzt "Hundertdreizehn" unterschiedliche Formen der Trauer und Schuldverarbeitung dramaturgisch interessant in Szene. Durchaus ambitioniertes und dazu sehr spannendes Fernsehen zur besten Sendezeit.

Hundertdreizehn - Di. 14.10. - ARD: 20.15 Uhr