Als ihn Illner mit Trump vergleicht, ist Linken-Chef Jan van Aken empört: "Das ist gemein!"

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"Maybrit Illner"
"Russland hätte mit dem Rücken zur Wand gestanden", erklärte Linken-Chef Jan van Aken.
teleschau / ZDF
"Maybrit Illner"
EVP-Chef Manfred Weber schlug unlängst vor, die Moskauer U-Bahn lahmzulegen.
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Subventionierte Heizkosten - oder die Moskauer Metro lah legen: Auf die Frage "Was bringt Europa Sicherheit?" fanden Linke-Chef Jan van Aken und EVP-Politiker Manfred Weber am Donnerstagabend bei "Maybrit Illner" (ZDF) solch kreative Antworten, dass die Moderatorin empfahl: "Sie denken noch mal darüber nach."

Über angemessene Reaktionen auf die zunehmende Bedrohung durch Russland berieten an diesem Donnerstag nicht nur europäische Spitzenpolitiker in Kopenhagen. "Zwischen Krieg und Frieden - was bringt Europa Sicherheit?" lautete auch die Frage in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner".

"Hören Sie erst mal auf, diesen Krieg zu finanzieren", hatte Jan van Aken gleich eine an die EU gerichtete Antwort parat. Mit Frankreich, Spanien, Belgien und Holland kaufen vier europäischen Staaten immer noch Flüssiggas direkt aus Russland. Das bringe "mehr Geld in die russische Kriegskasse als in die ukrainische, die finanzieren diesen Krieg mit. (...) Und dann kommen Sie mir mit Waffenlieferungen an die Ukraine", empörte er sich. Diese Ölkäufe einzustellen, "wäre doch ein Weg, diesen Krieg schneller zu beenden".

Als Maybrit Illner darauf verwies, dass US-Präsident Donald Trump diesen "berechtigten Vorwurf" bereits Anfang September gemacht hatte, wand sich der Linken-Chef: "Das ist gemein, mit dem möchte ich nicht auf einer Stufe stehen", war dieser Vergleich van Aken zum Amüsement der versammelten Runde sichtlich zuwider. Er als Linker stehe immer "an der Seite der Unterdrückten und Angegriffenen."

Europa und Deutschland hätten von Anfang an den Fehler gemacht, sich nur auf Waffenlieferungen zu fokussieren, "statt zu gucken, wie könnte ich sie noch effektiver unterstützen", meinte er. Hätte man nicht erst drei Jahre später, sondern in den ersten Tagen nach dem Angriff Russlands mit Sanktionen reagiert, hätte es die ganzen Waffenlieferungen vielleicht nicht gebraucht. "Natürlich hätte ich gleich am 25. Februar 2022 sagen können: Wir kaufen ab sofort keinen Tropfen Öl mehr", brachte er ein konkretes Beispiel.

Dass das viel Geld gekostet hätte, sei klar, ließ er sich von Illners Skepsis nicht beirren: "Aber es hätte nur Geld gekostet - und das Geld war da. In der gleichen Woche wurden 100 Milliarden Euro beschlossen für Aufrüstung. Wir hätten die auch nehmen können, um Ihre und meine Heizkostenrechnung zu subventionieren."

"Russland hätte mit dem Rücken zur Wand gestanden"

"Das ist die völlig falsche Diskussion", konnte und wollte Manfred Weber (Fraktions- und Parteivorsitzender der Europäischen Volkspartei EVP) van Akens Ausführungen nicht mehr zuhören. Hätte man damals die Ukraine nicht militärisch und mit Waffen unterstützt, "gäbe es keine Ukraine mehr". Ein Beweis sei das Treffen zwischen Putin und Trump in Alaska.

"Es gibt nicht mehr roten Teppich als Alaska, Trump hat es wirklich versucht, nochmals mit Putin ins Gespräch zu kommen", redete sich Weber in Rage. "Und trotzdem haben wir am Tag nach Alaska erlebt, dass er Kinderkrankenhäuser in der Ukraine bombardiert und Europa so stark testet wie noch nie." Die Antwort darauf können nicht "Appeasement sein, wie wir das aus der Linken und leider auch der AfD raushören, das ist gescheitert. Wir müssen militärische Stärke zeigen und das heißt auch Waffen."

"Sie haben mir nicht zugehört", ärgerte sich van Aken. "Ich habe gesagt: klare Kante zeigen. Keinen Tropfen Öl mehr kaufen." Webers Einwurf, dass der europäische Öl- und Gaskauf aus Russland um 90% reduziert worden wäre, ließ er nicht gelten. "Wenn Sie am gleichen Tag das Öl auf Null gesetzt hätten, wäre kein Dollar mehr in die russische Kriegskasse geflossen, das ist kein Appeasemement, das ist massiver Druck", behauptete er: "Ich sage Ihnen, die Verhandlungen in Istanbul zwei Monate später wären ganz anders ausgegangen." Er ist überzeugt: "Russland hätte mit dem Rücken zur Wand gestanden. Das haben Sie verhindert!" Aber: Europa habe sich nicht getraut. "Sie haben als billlige Alternative Waffen geliefert, aber das ist eine tödliche Alternative."

Weber war perplex: "Das ist eine boshafte Unterstellung." Europa habe alles getan, um Zahlungen und Lieferungen zu unterbinden und eher zu wenig sowie zu langsam Waffen geliefert. In Richtung des Linken-Vorsitzenden fragte er: "Sind Sie bereit, der Ukraine heute militärisch unter die Arme zu greifen?" Van Aken konterte mit einer Gegenfrage: "Sind Sie bereit, heute darauf zu verzichten, die Kriegskasse zu finanzieren?"

Er selbst wolle es besser heute beenden als morgen, gab Weber in den letzten Minuten der Sendung zu. "Aber der Wille auf Staatsebene ist nicht ausgeprägt genug", verwies der Europaabgeordnete auf den pro-russischen Kurs von Ungarn und der Slowakei. Diese könnten auch verhindern, dass Pläne wie die Finanzierung der Ukraine-Hilfe mit einem Kredit aus den eingefrorenen russischen Millarden umgesetzt werden. Um aus dieser "Detaildebatte" herauszukommen, müsse eine europäische Armee auf den Weg gebracht werden.

"Schulhofschlägertaktik" ist die "völlig falsche Strategie"

Überrascht zeigte sich Maybrit Illner von Manfred Webers Vorschlag bei ihrem Kollegen Markus Lanz, als Reaktion auf Russlands Cyberangriffe die Moskauer U-Bahn lahmzulegen. "Entschuldigen Sie, auf so eine Idee kann der Geheimdienst kommen, aber das kann nicht ein Politiker in einer Talkshow anbieten als Diskussionsgegenstand, oder?" Das müssten die NATO-Strukturen klug entscheiden, meinte der Europapolitiker. Er hatte gleich noch ein paar Vorschläge auf Lager. Man könne doch den Server des russischen Kriegsministeriums oder das Staatsfernsehen lahmlegen - "warum nicht?"

Man müsse "abschrecken, aber auch verhältnismässig und vorsichtig sein", hatte Politikwissenschafter Peter R. Neumann die Erklärung parat. Es brauche einen abgestuften Plan. Vor allem dürfe man etwa durch Sanktionen, die nicht einhaltbar seien, "keinen Bumerang schaffen, der uns mehr schadet als dem Gegner".

Auf den "Schulhofschläger Putin" mit einer "Schulhofschlägertaktik zu antworten, ist die völlig falsche Strategie", fand ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf noch deutlichere Worte. Ehe man die Moskauer Metro lahmlege, solle man Desinformationskampagnen und Propangada stoppen. "Eine Destabilisierung der europäischen Staaten muss Russland nicht mit Drohnen erzielen", betonte sie, das gelinge auch mit massiver Propaganda.

"Sie denken noch mal darüber nach", riet Illner mit Blick auf Europapolitiker Weber.