Mitri Sirin über Schockumfrage zur Meinungsfreiheit: "Das sind Leute, die sich gegängelt fühlen"

1 Min
Mitri Sirin
35 Jahre nach der Wiedervereinigung sagt fast die Hälfte der Deutschen, dass es hierzulande keine freie Meinungsäußerung mehr gebe. "Am Puls mit Mitri Sirin: Ist unsere Meinungsfreiheit in Gefahr?" begibt sich zum Tag der Deutschen Einheit auf Reisen, um dieser Frage nachzugehen.
ZDF / Klaus Weddig
Mitri Sirin
Mitri Sirin kam 1971 in Rheine, Westfalen, auf die Welt. Seine Familie gehörte zur syrischstämmigen und christlichen Minderheit in der Türkei. 2009 trat er erstmals als Nachrichtensprecher im ZDF-Morgenmagazin in Erscheinung. 2013 übernahm er von Cherno Jobatey die Hauptmoderation des Formats.
ZDF und Mirko Schernickau

Laut einer Allensbach-Umfrage glauben 44 Prozent der Deutschen, dass die Meinungsfreiheit hierzulande nicht gewährleistet ist. Für "Am Puls mit Mitri Sirin: Ist unsere Meinungsfreiheit in Gefahr?" (Freitag, 3. Oktober, 19.20 Uhr, ZDF) ging der MoMa-Moderator dem beunruhigenden Ergebnis nach.

Die Reportage "Am Puls mit Mitri Sirin: Ist unsere Meinungsfreiheit in Gefahr?" (Freitag, 3. Oktober, 19.20 Uhr, ZDF) am 35. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands geht einem beunruhigenden Umfrageergebnis nach. Der ZDF-Journalist und Moderator Mitri Sirin will herausfinden, warum 44 Prozent der Deutschen laut einer Allensbach-Umfrage glauben, dass hierzulande keine Meinungsfreiheit existiert. Welche Ideen treiben diese Menschen an? Manche glauben, dass sich eher AfD-nahe Wählergruppen so äußern könnten, weil sie sich in den klassischen Medien nicht gesehen fühlen. Mitri Sirin, der für seinen Film in Deutschland und den USA unterwegs war, verneint jedoch diese Vermutung.

"In der Gruppierung der AfD-Wähler und Sympathisanten ist diese Meinung zwar die vorherrschende", sagt Sirin im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau. "Aber es gibt auch andere Menschen in Deutschland, die so denken. Da geht es um Themen wie das Gendern, das N-Wort oder auch Z-Wort, wenn man ein Schnitzel bestellt. Das sind Leute, die sich gegängelt fühlen vom korrekten Lebens- und Ausdrucksstil. Aber die wählen nicht alle AfD." Laut Sirin drücke das Ergebnis keine faktische Einschränkung der Meinungsfreiheit durch den Staat und seine Institutionen aus, sondern habe viel mit der vorherrschenden Diskussionskultur zu tun.

"Ich sehe das Internet als Hauptschuldigen"

"Ich denke, dass die Menschen Kritik, die gerade im Netz oft unfair und unter der Gürtellinie stattfindet, mit Einschränkung verwechseln. Die Leute haben mittlerweile Angst vor den Reaktionen anderer - sei es im Job, Freundeskreis, unter Nachbarn oder eben vor dem Shitstorm im Netz. Unser gesellschaftliches Klima der Gereiztheit verstärkt den Eindruck, dass man nicht mehr seine Meinung sagen darf. Es gibt mehrere Umfragen, die das bestätigen. Ich glaube, diese 44 Prozent spiegeln eher ein Gefühl der Verunsicherung wider, als das Gefühl, real eingeschränkt zu sein."

Mitri Sirin greift im Interview das Verhalten im digitalen Raum scharf an: "Ich sehe das Internet als Hauptschuldigen. Das Netz hat unsere Diskussionskultur verändert. Die anonymen Beschimpfungen dort, die zudem vom Algorithmus belohnt werden, haben unseren Umgang miteinander vergiftet. Früher hat man sich am Stammtisch gestritten, aber man wäre nie so fies und böse zu den anderen Menschen im Raum gewesen, wie man es heute im Netz ist. Ich denke seit Langem, dass das Internet, bei allen tollen Errungenschaften, die es uns gebracht hat, der Demokratie schadet."