Allerdings: «Dass Köln vor allem von innen schön ist, das habe ich schon immer gerne allen Freunden von auswärts erklärt, aber mittlerweile ist es echt extrem geworden», sagt die Komikerin und Ur-Kölnerin Carolin Kebekus der dpa. «Wenn ich mit dem Kinderwagen unterwegs bin, dann kann ich nach einem Spaziergang nicht mehr in die Wohnung, ohne den kompletten Unterboden mit Sandstrahl zu bearbeiten.»
Schon seit Jahren wird die Stadt immer mal wieder «deutsches Neapel» genannt, und dies sicher nicht in Anspielung auf die traumhafte Lage der italienischen Hafenmetropole. Eher auf die Müllberge. Vergangenes Jahr tobte zudem ein «Drogenkrieg» mit Entführungen, Folterszenen und Explosionen.
Gleichzeitig wächst die viertgrößte Stadt Deutschlands und weist den jüngsten Altersdurchschnitt von NRW auf. Touristen und feierfreudige Umlandbewohner strömen in die Frohsinns-Kapitale, die mit dem «Bootshaus» unter den Top Ten der weltweit besten Musik-Clubs vertreten ist. Das verstärkt allerdings auch Lärm und Gedränge. Ein Party-Hotspot ist der weithin bekannte Brüsseler Platz - was dort erlaubt ist und was nicht, beschäftigt seit Jahren die Gerichte.
Von der Kölner Verwaltung heißt es oft, ihr sei letztlich egal, wer unter ihr Oberbürgermeister sei - sie mache ohnehin, was sie wolle. Bundesweite Schlagzeilen generierte sie kürzlich mit dem Vorhaben, alle Spielplätze in «Spiel- und Aktionsflächen» umzubenennen. Wenig später wollte sie an Sonntagen alle Hofflohmärkte verbieten.
Von sich reden machte vor einiger Zeit auch ein Verkehrsversuch im Szeneviertel Ehrenfeld: Alle Ampeln wurden ausgeschaltet, Zebrastreifen durchgestrichen. Stattdessen sollte Tempo 20 gelten, woran sich aber niemand hielt. Ergebnis: Für ältere Fußgänger wurde die Straße nahezu unüberquerbar.
Ein weiterer Aufreger ist der Skandal um die Sanierung von Oper und Schauspielhaus. «Die wird teurer als die gesamte Hamburger Elbphilharmonie», bilanziert der Soziologe Ansgar Hudde. «Aber bei der Elbphilharmonie weiß jeder in Deutschland, wie sie aussieht. Bei der Kölner Oper weiß das fast niemand - was vielleicht auch besser so ist.» Zumindest von außen wirkt der Bau aus den 50er Jahren, vorsichtig ausgedrückt, spröde.
In der Kölner Innenstadt wählt man traditionell - das heißt grün
Vor diesem Hintergrund hätte man bei den Wahlen durchaus ein größeres Protestvotum erwarten können. Aber die Wählerbindungen seien in Köln traditionell stark, sagt Hudde, der die Strukturen für sein Buch «Wo wir wie wählen - Politische Muster in Deutschlands Nachbarschaften» analysiert hat.
«In den viereinhalb Kilometern rund ums Rathaus, also in der direkten Innenstadt, sind die Grünen seit langem unangefochten auf Platz 1. Da schlägt der Metropolen- und Universitätscharakter von Köln voll durch, die Grünen haben dort eine treue Stammwählerschaft.» In den äußeren Bezirken dagegen werde so gewählt, wie es für die gesamte Bundesrepublik typisch sei.
SPD-Kandidat Burmester (62) hat sich für die Stichwahl gegen Aymaz die Unterstützung des unterlegenen CDU-Kandidaten gesichert. Der gebürtige Niedersachse und Ex-Sportfunktionär tritt als nüchterner No-Nonsense-Mann auf. «Sicherheit und Sauberkeit» steht auf seinen Plakaten. Er spricht viel von Wohnungsbau und wirtschaftlicher Dynamik, die Köln wiedergewinnen müsse. Beim Rundgang durch Kalk - einem der sozialen Brennpunkte der Stadt - sagt er zu den Passanten: «Jetzt zeigen wir den Grünen mal, wat 'ne Harke ist!»
Aus einem Pisspott wird kein Mokka-Tässchen
Egal, wer Sonntag gewinnt, so sauber wie Düsseldorf wird Köln wohl nie werden. «Aus einem Pisspott kannst du kein Mokka-Tässchen machen», hieß es dazu mal auf einer Stunksitzung.
Die meisten Kölner wollen ihren Lebensstil vermutlich auch gar nicht grundsätzlich professionalisieren, sie wären schon zufrieden, wenn nur die größten Baustellen abgeräumt würden.
Den Wahl-Kölner Harald Schmidt stört das ganze Chaos überhaupt nicht, wie er sagt: «Man muss das positiv sehen», verrät der gebürtige Schwabe der dpa. «Ein Besuch des Kölner Hauptbahnhofs erspart einen Abenteuerurlaub.»
Zum Schluss noch eine Frage an Wolfgang Niedecken, geboren 1951 in der Kölner Trümmerlandschaft: War die Stadt früher wirklich sauberer? Der BAP-Sänger hält kurz inne. «Würde ich nicht sagen. Das sind so Klischees. Ich weiß noch, wie ich 1974 von meiner ersten New-York-Reise zurückkam und dachte: "Meine Güte, was ist das sauber hier in Köln!"» Alles ist relativ.