Bodø, Tartu und Bad Ischl präsentieren sich nächstes Jahr mit Hunderten Veranstaltungen. Von Massenküssen bis zu einem Konzert mit Conchita Wurst ist alles dabei. Doch es geht den Veranstaltern nicht nur um Party und Spaß.
Ob Mittsommer-Fest über dem Polarkreis, einem Sauna-Debattenfestival im Baltikum oder Ausstellungen über die dunklen Seiten der Alpen: Bodø in Norwegen, Tartu in Estland und Bad Ischl in Österreich laden als Europäische Kulturhauptstädte des Jahres 2024 dazu ein, zwei weniger bekannte Regionen und eine beliebte Tourismusdestination zu erforschen.
Alpen jenseits von Lederhosen-Idylle
Bad Ischl ist vor allem als romantischer Kurort bekannt, in dem Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Sisi ihre Sommer verbrachten. In der umliegenden Region locken blaue Seen und aufragende Berge jährlich Hunderttausende Gäste aus aller Welt an. Bad Ischl und 22 weitere Kommunen des sogenannten Salzkammerguts möchten nächstes Jahr in über 300 Projekten zeigen, was sich hinter der Alpenlandschaft nahe der Grenze zu Bayern verbirgt - vom Übertourismus über die Folgen des Klimawandels bis zu der historisch belasteten Vergangenheit. Das Ziel sei, «die positiven und die negativen Seiten dieser ganzen Region auszuleuchten, und nicht ein Feuerwerk oder ein Festival daraus zu machen», sagt Programm-Kuratorin Elisabeth Schweeger.
Zur Beginn des Kulturhauptstadt-Jahres am 20. Januar gönnt sich Bad Ischl aber trotzdem eine Show: Der aus dem Salzkammergut stammende Tom Neuwirth, besser bekannt als ESC-Siegerin Conchita Wurst, wird gemeinsam mit Rapperinnen und einem tausendstimmigen Jodler-Chor das Eröffnungskonzert bestreiten.
Im Salzkammergut wird seit 7000 Jahren Salz abgebaut. Der chinesische Künstler Ai Weiwei beschäftigt sich in einer Schau mit dieser Tradition. Andere Ausstellungen widmen sich den unter dem NS-Regime geraubten Kulturgütern, die im Zweiten Weltkrieg in einem Salzbergwerk versteckt wurden. Konzerte mit Musik von Arnold Schönberg und eine Operette von Oscar Straus weisen auf die vielen jüdischen Künstler und Kunstliebhaber hin, die eng mit dem Salzkammergut verbunden waren.
«Young Blood City» mit langer Geschichte
Tartu mag nur die zweitgrößte Stadt Estlands sein und wirtschaftlich deutlich im Schatten der Hauptstadt Tallinn stehen. Doch in Sachen Kultur liegt die alte Universitäts- und Hansestadt mindestens auf gleicher Höhe - sie gilt seit jeher als Herz und Seele des kleinen Baltenstaats im Nordosten Europas mit nur 1,2 Millionen Einwohnern. «Tartu ist schon immer ein Zentrum für Wissenschaft, Bildung und Kultur in Estland gewesen», sagt Bürgermeister Urmas Klaas über die älteste Stadt im Baltikum.
Die Stadt mit fast 100 000 Einwohnern war einst die Wiege des nationalen Erwachens der Esten und Geburtsort des estnischen Liederfestivals, des estnischen Theaters und im Grunde auch des estnischen Staats. Am 2. Februar 1920 wurde dort der Friedensvertrag von Dorpat - so der alte deutsche Name von Tartu - unterzeichnet, in dem Sowjetrussland die Souveränität des sich 1918 als unabhängig erklärenden Estlands anerkannte.
Als Kulturhauptstadt wollen Tartu und die umgebende Region nun auch außerhalb Estland sichtbarer werden. Dazu werden unter dem Motto «Arts of survival» (Überlebenskünste) über 1000 Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Eröffnet werden soll das Programm in der studentisch geprägten Stadt, die in einer eigens komponierten Tartu 2024-Hymne als «Young Blood City» besungen wird, am 26. Januar. Höhepunkte sind vor allem im Sommer etwa das Massenküssen-Event «Kissing Tartu», das Sauna-Debattenfestival «Naked Truth» oder das Theaterstück «Business as usual» über den Geldwäsche-Skandal um die Danske Bank in Estland.