Am Münchner Nationaltheater gibt es schon wieder eine Neuinszenierung von Giuseppe Verdis "Rigoletto", die keinen glücklich macht. Diesmal ist Regisseur Árpád Schilling daran gescheitert.
Mit Giuseppe Verdis "Rigoletto" hat die Bayerische Staatsoper in jüngerer Zeit einfach kein Glück. Nach dem nur auf dem Papier glanzvollen Debüt der Filmregisseurin Doris Dörrie 2005 sollte es nun der aus seinem Heimatland vertriebene ungarische Regiestar Árpád Schilling richten. Von seiner innovativen Theaterästhetik ist allerdings nur ansatzweise etwas zu spüren. Stattdessen triumphiert das ungute alte Rampensingen.
Das größte Problem dieser Inszenierung ist, dass sie in ihrer gewollten Mischung aus wohltuender Abstraktion und sparsamer Konkretisierung einfach unklar bleibt. Ein Beispiel: Wenn Gesichtsmasken ein viel verwendetes Requisit sind, sollte das Publikum verstehen können, wer wann wo und warum eine trägt und wer nicht. Nur kann das nicht funktionieren, wenn die Figuren auf der Bühne schon vom Kostüm her kaum unterscheidbar sind.
Finstere Männer in heller Kleidung Zwar sind die Männer und männlichen Schaufensterpuppen, die zuerst auf der bühnenbreiten und dann sich teilenden Tribüne sitzen wie eine uniform hell und heutig gekleidete Phalanx, wenn man genau hinschaut, individuell angezogen (Bühne und Kostüme: Márton Ágh). Aber wenn sich aus der Masse einzelne an die Rampe oder auf den Souffleurkasten herausschälen, sind das noch lange keine unverwechselbaren Charaktere. Zumal wenn zwei Hauptfiguren von ein- und demselben Solisten gesungen werden.
Immerhin wird eines schnell klar: "Rigoletto" wird als Männeroper vorgeführt, in der Frauen bis auf zwei Ausnahmen nur am Rande vorkommen, als Farbtupfer gewissermaßen. Und als Mittel zum Zweck. Es geht hier nicht um das Drama des buckligen Hofnarren, der seine Tochter vor dem herzoglichen Womanizer und der lüsternen Hofgesellschaft schützen will. Sondern um einen weder hässlichen noch behinderten, dafür besonders rücksichtslosen Karrieristen, der als despotischer Privatmensch seine Vatertochter Gilda einfach nicht loslassen kann.
Die Vatertochter Gilda trägt Jeans Dass die hinter einem überdimensionalen und unschuldsweißen Vorhang eingesperrte junge und keineswegs schüchterne Frau in Jeans und blauem Pullover raus will aus ihrem Familiengefängnis und aus einer Umgebung, in der es kaum noch einen unbeobachteten Moment gibt, leuchtet jedem ein. Warum sie sich ausgerechnet in den Herzog von Mantua verliebt, der sich als armer Student ausgibt, liegt zweifellos an der verführerischen Tenorstimme von Joseph Calleja - und weniger an der Figur, die er szenisch abgibt.
Kurz: Der
im Programmheft nachlesbare Anspruch der Inszenierung wird nicht eingelöst, auch wenn es immer wieder aufschlussreiche und bannende Momente gibt. Stattdessen wundern sich die Zuschauer über den geheimnisvollen Roll- und Hinrichtungsstuhl Sparafuciles und darüber, warum sich zu den Schlussszenen Gilda im weißen Abend- oder Hochzeitskleid und Rigoletto im schwarzen Frack einfinden. Der Mord ist nur Theater, das von Maddalena mit dunkler Farbe bekleckerte Mordopfer erhebt sich und geht, vermutlich emanzipiert, einem besseren Leben entgegen.
Jubel für die Solistenriege Bei der Premiere am Samstag wurde das Inszenierungsteam dafür heftig ausgebuht, bei der besuchten zweiten Vorstellung am Mittwoch gab es - vermutlich nicht nur, weil die Adressaten ja nicht mehr da waren - keine derartigen Unmutsäußerungen. Sondern Jubel für die ausgezeichneten Solisten, die sich ohne Premierenfieber in beeindruckender Form präsentierten.
Patricia Petibon konnte sich am besten in die Produktion einfinden. Ihre nie süßliche Gilda ist insgesamt die noch am ehesten schlüssige Figur. Die französische Sopranistin füllt sie bei ihrem Rollendebüt auch sängerisch schon mit großer Delikatesse, Klangschönheit und Präzision. Ein stimmlich ebenbürtiger Partner ist Joseph Callejas Herzog, dem man allerdings anmerkt, dass er von den Intentionen der Regie und den zuweilen rasanten Temponahmen von Dirigent Marco Armiliato nicht immer überzeugt ist.
"Rigoletto" als Live-Stream im Internet Franco Vassallo als Rigoletto ist, auch wenn er großartig singt, der Unglücksrabe der Aufführung. Sein Dilemma ist, dass das, was der Regisseur meint, mit dem, was die Titelfigur musikalisch ausdrückt, einfach nicht unter einen Hut zu bringen ist - weder unter einen Borsalino noch unter einen Zylinder. Dimitry Ivashchenko als Sparafucile und Monterone, Nadia Krasteva als Maddalena und Giovanna, die weiteren Solisten, Chor und Orchester bieten hohes Staatsopernniveau, das man auch ohne Eintrittskarten geboten bekommt: am 30. Dezember um 18 Uhr, beim
kostenlosen Live-Stream im Internet.