München will mit einem Fahrverbot für Diesel die Belastung mit Abgasen verringern. Der Vorstoß ist umstritten - und auch die Rechtslage ist noch unklar.
Das Diesel-Land Deutschland steht vor einer Zeitenwende: München erwägt als erste deutsche Stadt ein generelles Fahrverbot für die Autos mit Selbstzünder-Motor, die lange als Krone der Fahrzeug-Schöpfung galten und nicht zuletzt durch den Abgasskandal bei VW in Verruf geraten sind.
Die Abgase aus Diesel-Motoren gelten als Hauptursache der "dicken Luft" in vielen Städten. Insbesondere bei Inversions-Wetterlagen sammelt sich, was Auspuffrohre und Schornsteine in die Luft blasen, vor allem in Tallagen. Stuttgart gilt aufgrund der topografischen Lage als Hauptstadt der Luftverschmutzung und wird ab 2018 Fahrverbote für Diesel bei bestimmten Wetterlagen einführen.
Jetzt zieht München nach, und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will noch weiter gehen als sein Kollege in Schwaben: Sein Vorschlag zielt auf ein generelles Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge in der Münchner City, die in vielerlei Hinsicht im Verkehr erstickt.
Grenzwerte überschritten
Trotz S-Bahn und Bussen wälzt sich Tag für Tag eine Blechlawine durch die Landeshauptstadt. Da vor allem die Berufspendler auf den sparsamen Diesel setzen, ist die Luft in München zu den Stoßzeiten sogar messbar dick: An den neuralgischen Punkten werden seit Jahren die Grenzwerte für Luftschadstoffe überschritten.
Dem Diesel schiebt man vor allem Feinstaub und Stickoxide in die Schuhe, auch bei Schwefeldioxid und beim sommerlichen Ozon-Alarm gilt der Selbstzünder als Haupt-Übeltäter. Und in Großstädten wie München macht es die Masse: Fast 300 000 der in der Landeshauptstadt zugelassenen 720 000 Autos haben nach Auskunft aus dem Rathaus einen Dieselmotor. Die Fahrzeuge der Pendler kommen noch dazu.
Vorfahrt für Gesundheit
"Es geht um die Gesundheit unserer Bürger", sagte Reiter am Mittwoch. Er sehe dringenden Handlungsbedarf und sei für jede andere Lösung als ein Fahrverbot offen. "Aber ich sehe derzeit keine." Auf konkrete Aussagen, wie ein Diesel-Fahrverbot in München gestaltet werden und welche Ausnahmen es geben könnte, wollte sich der OB noch nicht festlegen.
Er verwies auf die unklare Rechtslage; erst im Herbst werde das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Grundsatzurteil dazu fällen. Strittig ist, ob Kommunen in Eigenverantwortung bestimmte Autos aus den Städten verbannen können oder ob dazu die Bezirksregierungen gehört werden müssen.
Von einem Diesel-Fahrverbot in München wären 130 000 bis 170 000 Pkw betroffen - abhängig davon, welche Abgasnorm zugrunde gelegt wird.
Während Umweltverbände den Vorstoß des OB begrüßen, kommt aus der Wirtschaft harsche Kritik. Handwerksbetriebe wären in ihrer Existenz bedroht, sagt der Sprecher der Handwerkskammer München und Oberbayern, Jens Christopher Ulrich. Das Dieselverbot wäre "eine Katastrophe". Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft warnte, ein solches Fahrverbot würde der Industrie im Freistaat massiv schaden.
Rudolf Diesels Langstreckenläufer im Überblick
Erfindung 17 Jahre nach Nicolaus August Otto, der 1876 in Köln das Prinzip für den heute weit verbreiteten Viertakt-Benzinmotor entwickelt hatte, ersann Rudolf Diesel 1893 in Augsburg eine völlig anders konstruierte "Wärmekraftmaschine", die er sich patentieren ließ.
Prinzip Im Benzinmotor wird ein Kraftstoff-Luft-Gemisch durch einen elektrischen Funken (Zündkerze) zur Explosion gebracht und so der Kolben im Zylinder in Bewegung gesetzt. Im Dieselmotor wird Luft durch hohen Druck verdichtet und dadurch so stark erhitzt, dass der eingespritzte Kraftstoff sich selbst entzündet - daher kommt auch der Begriff Selbstzünder.
Vor- und Nachteile Dieselmotoren haben einen höheren Wirkungsgrad als die Benzin-Variante. Deshalb sind die Fahrzeuge sparsamer im Verbrauch, und im Schwerverkehr war der Diesel immer Standard. Aber: Durch die chemischen Reaktionen im Zylinder setzt ein Dieselmotor mehr Schadstoffe frei.
Rekord Der Wärtsilä RT-flex 96 C, der in Finnland hergestellt wird, gilt als stärkster Dieselmotor der Welt. Eingesetzt wird er in den größten Containerschiffen. Aus 14 Zylindern mit 25 500 Litern Hubraum holt der Gigant eine Leistung von 110 000 PS.
gf