Früher wurde in Bierzelten und Fußballstadien randaliert, heute werden Entgleisungen zunehmend auch aus Schwimmbädern vermeldet. Woran liegt das?
Die wiederholten Zwischenfälle in einem Düsseldorfer und die Massenschlägerei in einem Münchner Freibad sorgten deutschlandweit für Schlagzeilen. Da stellt sich zwangsläufig auch die Frage, wie sicher die Schwimmbäder in Franken sind.
Warum rasten die Menschen gerade in Freibädern aus? Für eine Antwort blickt Claus-Christian Carbon, Professor für Psychologie an der Universität Bamberg, hinter die Fassade unserer Gesellschaft.
Was könnte der Grund dafür sein, dass neuerdings verstärkt in Schwimmbädern randaliert wird?
Claus-Christian Carbon: Zunächst möchte ich feststellen: Das Phänomen der Gewalt tritt eher generell auf. Aber die Bedingungen in Schwimmbädern sind besonders geeignet, es auch wirkungsvoll in Szene zu setzen. Dass sich zuletzt Zwischenfälle häufen, kann zwei Ursachen haben. Entweder es handelt sich um eine Verlagerung von Phänomenen oder es hat sich tatsächlich etwas fundamental verändert in unserer Gesellschaft.
Was meinen Sie mit Verlagerung?
Dass so etwas früher eher in Bierzelten oder Fußballstadien passierte, jetzt aber nicht mehr dort, sondern eben in Schwimmbädern ausgelebt wird. Tatsächlich sind die Massenschlägereien an anderen Stellen weniger geworden. Man hat dafür auch hart gearbeitet, indem man Rassismus, Trunkenheit und Randalen eine Abfuhr erteilt und gleichzeitig Unterstützungsprojekte von Vereinen ins Leben gerufen hat. Dennoch: In Bädern treten die Probleme in anderer Gestalt auf, es scheint also tatsächlich eher etwas zu sein, was mit einem gesellschaftlichen Wandel zu tun hat.
Sind wir zu egoistisch geworden?
Die Fokussierung auf das eigene Vorankommen, den eigenen Erfolg und gleichzeitig die Verabschiedung aus sozialen Geflechten sorgt dafür, dass das eigene Selbst vorangestellt wird. Es wird nicht an andere gedacht. Beispiel Pommesbude im Schwimmbad: Wenn ich meine, ich selbst müsse schnell bedient werden, so werde ich viel früher ungehalten, dass eine Bedienung eine Schlange vor dem Kiosk vermeintlich zu langsam abarbeitet.
Würden also Konflikte erst gar nicht entstehen, wenn man sich selbst zurücknehmen würde?
Hilfreich wäre es, eine breiter angelegte Perspektive einzunehmen, in der auch die anderen eingebunden sind. Was kostet es uns, vielleicht sogar einmal jemanden vorzulassen, eine Tür aufzuhalten oder Danke zu sagen? Im Endeffekt nichts, aber wir ernten zumeist ein Lächeln, einen Moment der Freude und Souveränität, denn wir bestimmen selbst, was wir tun, und lassen uns nicht von äußeren Faktoren fremdsteuern.
Im Alltag scheint das oft schwierig zu sein. Jeder von uns stößt hier an seine Grenzen, zumal ja auch das Gegenüber oft bereits aggressiv ist.