Sollte in der Fußball-Bundesliga an der Torlinie Technik für absolute Gewissheit sorgen? Benjamin Kemmer meint: Ja, Torlinien-Technologien sind kein Teufelswerk.
Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: Sie erreichen beruflich einen Durchbruch, jeder in Ihrer Abteilung war Zeuge des Moments, in dem Sie die beste Lösung fanden. Nur Ihr Chef, derjenige, der Sie dafür entlohnen könnte, hat kurz weggesehen. Es einfach nicht erkannt. Und verwehrt Ihnen somit Ihre gerechte Belohnung. Selbst Ihre Kollegen wollen den Chef überzeugen, doch der bleibt bei seiner Meinung - er hat es eben schlicht nicht gesehen. Ein echt mieses Gefühl ...
So muss sich auch ein Fußballer fühlen, wenn er ein regelkonformes Tor geschossen hat, welchem die Anerkennung versagt bleibt. Am ärgerlichsten ist es dabei, wenn der Treffer deswegen nicht gegeben wird, weil die Schiedsrichter den Ball nicht hinter der Linie gesehen haben. Dabei wäre hier Abhilfe so einfach.
Torlinien-Technologien sind kein Teufelswerk.
Jetzt mag der Fußball-Purist sagen, dass damit das Spiel, wie es einst auf der Insel erfunden wurde, kaputt gemacht wird. Aber dem ist nicht so. Ein kleiner Chip im Ball, eine Uhr am Handgelenk des Schiedsrichters - mehr bräuchte es nicht, um Fehler wie ein nicht gegebenes Tor, obwohl der Ball hinter der Linie war, auszuräumen.
Niemand verlangt, dass Mannschaften pro Halbzeit mehrmals ein Einspruchsrecht bei Schiedsrichterentscheidungen bekommen. Niemand verlangt, dass Spiele für Minuten unterbrochen werden, weil Schiedsrichter sich an Bildschirmen immer wieder eine Szene ansehen. Nur um danach zu entscheiden, dass sie sich bei einer Einwurf-Entscheidung doch getäuscht hätten. Das sind amerikanische Verhältnisse, wie sie beispielsweise im Football zu sehen sind. Super für die TV-Sender, um Werbeblöcke auszustrahlen. Aber schlecht für den Fan - und schlecht für den Sport.
Aber eine Technologie, die in Echtzeit einfach nur entscheidet, ob ein Ball die Linie überquerte oder nicht, ist etwas ganz anderes.
Auch im Fußball muss man mit der Zeit gehen. Das Spiel ist schneller geworden. Neue Technologien werden von den Vereinen dazu benutzt, Spieler athletischer zu machen, neue Bälle werden im Windkanal getestet, neue Schuhe werden aus Weltraum-Materialien hergestellt und wiegen kaum mehr etwas. Nur an den Möglichkeiten der Schiedsrichter soll der Fortschritt der Technik ungenutzt vorbeiziehen?
Würden wir immer noch nur einer Sportart nacheifern, wie sie sich die Urväter einst ausdachten, würden Sprinter bei olympischen Spielen barfuß auf Sand rennen und Ringer nur nackt und eingeölt kämpfen ... Die Torlinien-Technologie macht den Fußball nicht kaputt, sondern ein Stück weit gerechter. Die alte Fußballer-Weisheit "Wer trifft hat Recht" sollte man erweitern in "Wer trifft sollte Recht haben" .