Schafft die EU endlich die Zeitumstellung ab? So steht es um die Pläne

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Die Zeitumstellung sollte in der EU abgeschafft werden. Was ist aus dem Vorschlag geworden?

Zweimal im Jahr müssen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union – und damit auch Deutschlands – an der Uhr drehen. Ende März stellt man auf die Sommerzeit um, und Ende Oktober wieder auf die Winterzeit. Am 26. Oktober ist es auch in diesem Jahr wieder so weit – und das, obwohl die EU die Zeitumstellung eigentlich abschaffen wollte – nicht zuletzt wegen so einiger gesundheitlicher "Nebenwirkungen".

Der Grund, wieso es mit der Abschaffung nicht vorangeht, liegt vor allem in den komplizierten Abläufen der EU-Politik. Wie es zu den EU-Plänen gekommen ist und was bisher dazu geschehen ist:

  • 2018: Online-Befragung der EU-Kommission zeigt, eine Mehrheit der EU-Bürger ist für die Abschaffung der Zeitumstellung.
  • 2018: EU-Kommission gibt den Vorschlag, die Zeitumstellung abzuschaffen, ins Parlament.
  • 2019: EU-Parlament beschließt, den Vorschlag zu unterstützen. 2021 soll die Zeitumstellung abgeschafft werden.
  • Seit 2019: Europäischer Rat (Regierungschefs der Mitgliedsstaaten) sollen über die Umsetzung beraten und sich auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen.
  • 2021: Geplantes Ende der Zeitumstellung verstreicht ohne Entscheidung. Energiekrise entfacht erneute Diskussionen um die Abschaffung im Parlament. 
  • 2024: Alle weiteren Termine zur Abschaffung werden vom Vorsitz des Rates der EU von der Agenda gestrichen.
  • 2025: Gespräche, die Zeitumstellung abzuschaffen, laufen unter neuem Ratsvorsitz wieder an.

Die meisten Verhandlungstexte werden in Brüssel nach fünf Jahren Stillstand zurückgezogen. Damit ist die Abschaffung der Zeitumstellung einer der ältesten offenen Vorschläge. "Wir glauben, dass eine koordinierte Lösung immer noch möglich ist", sagte die Kommissionssprecherin Anna-Kaisa Itkonen der französischen Presseagentur AFP . Für den irischen Europaabgeordneten Sean Kelly sei es "an der Zeit" für ein Ende der Zeitumstellung. "Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass eine halbjährliche Umstellung der Uhr schlecht für die menschliche Gesundheit, schlecht für Tiere und schlecht für den Straßenverkehr ist", beklagt der konservative Politiker. "Und es ist einfach auch eine große Unannehmlichkeit."

Unter dem Ratsvorsitz Polens Anfang 2025 wurde die Erwartungen aber erstmal gedämpft. So solle eine informelle Befragung unter den Mitgliedsstaaten durchgeführt werden, "ob der Vorschlag noch umsetzbar ist." Von einem gemeinsamen Standpunkt waren die nationalen Regierungen bisher weit entfernt. 

EU will Zeitumstellung abschaffen: Wieso kommt der Vorschlag nicht voran?

Griechenland und Zypern wollten zum Beispiel bei der Zeitumstellung bleiben, wie die Tagesschau berichtete. Zypern wird 2026 des Vorsitz im Rat der EU übernehmen. Doch selbst wenn sich alle Ländern einig wären, die Umstellung abzuschaffen, gebe es noch Probleme: Bleibt man auf Dauer bei der Winterzeit - der eigentlichen "Normalzeit" - oder der Sommerzeit? Die EU-Kommission will eine "Fragmentierung" unter den Mitgliedsstaaten vermeiden. "Es ist wünschenswert, dass die Mitgliedstaaten die Entscheidungen über die Standardzeit, die jeder von ihnen anwenden wird, in abgestimmter Weise treffen."

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Je nach geografischer Lage ist es für manche Länder besser, bei der Sommerzeit zu bleiben. Bereits vor über einem Jahr erklärte der damalige Europaabgeordnete der SPD, Ismail Ertug, gegenüber der Tagesschau: "Es gibt Länder, die haben überhaupt kein Interesse, das zu verändern, weil es da ganz gut funktioniert. Es gibt aber auch Länder im Norden zum Beispiel, die sagen: Wir brauchen die Winterzeit, damit es im Winter früher hell wird." Aus gesundheitlicher Sicht wäre das ebenfalls schlecht. Schon jetzt macht sich die Umstellung bei vielen Menschen als "Mini-Jetlag" bemerkbar. 

Zu der weiter unveränderte Problematik mit der Abstimmung in der EU hat sich zuletzt auch der aktuelle EU-Abgeordnete der SPD, Thomas Ruder geäußert: "Während die nordischen Länder einer dauerhaften Winterzeit den Vorzug geben, tendieren die südlichen Staaten eher zur Beibehaltung der Sommerzeit. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, eine zersplitterte Zeitlandschaft in Europa zu vermeiden, die Koordination erschweren würde. Es scheint, dass die Diskussion um die Zeitumstellung uns noch für einige Zeit begleiten wird." 

Halbe Sommerzeit in der EU? So geht es mit der Zeitumstellung weiter

Eine weitere Alternative, die in Brüssel diskutiert wird, ist die "halbe Sommerzeit". Diese würde eine halbe Stunde nach der Sommerzeit und eine halbe Stunde vor der Winterzeit. Auch eine neue Einteilung der Zeitzonen in der EU wäre denkbar. Ein internationales Forscherteam hat dazu ein Konzept erarbeitet.

Die Idee war zunächst, eine Folgenabschätzung durchzuführen. Doch nicht mal darauf konnte man sich auf EU-Ebene einigen. Deutschland und andere Mitglieder sehen Brüssel in der Verantwortung. Die EU-Kommission meint dagegen, das sei Sache der Mitgliedsstaaten. Schließlich würden diese die nationalen Eigenheiten besser kennen. Wie geht es jetzt also weiter?

Erstmal hängt es weiterhin am Europäischen Rat, eine gemeinsame Position bekannt zugeben. Dazu muss das Thema aber erstmal wieder auf der Agenda landen. Beim derzeitigen Voritzenden Dänemark taucht das Thema bislang nicht im Programm auf. Immerhin: Ein litauischer Beamter beteuerte im Gespräch mit der AFP, sein Land wolle das Thema oben auf die Tagesordnung setzen, wenn es den Vorsitz im Rat der EU innehält. Litauen ist aber erst Anfang 2027 an der Reihe.

Abschaffung soll Energie sparen: Wieso gibt es noch Winter- und Sommerzeit?

Seit 1980 gibt es die Zeitumstellung – und der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger scheint sie lästig geworden zu sein. So kam eine nicht repräsentative Online-Befragung der EU-Kommission aus dem Jahr 2018 unter 4,6 Millionen Europäern und Europäerinnen zu einem eindeutigen Ergebnis: 84 Prozent stimmten für die Abschaffung der Zeitumstellung. Es ist jedoch zu beachten, dass die 4,6 Millionen Befragten nur rund ein Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen.

Dennoch hatte die Umfrage ein Nachspiel. Das EU-Parlament sprach sich dafür aus, die Zeitumstellung abzuschaffen. Neben der nicht repräsentativen Umfrage trugen auch Forderungen aus der Bevölkerung, den Mitgliedsstaaten und eine Reihe von Studien zu der Entscheidung bei. Es stellte sich zum Beispiel heraus, dass die Zeitumstellung gar keine Energie spart – ehemals der Hauptgrund für ihre Einführung. Schon im März 2021 sollte die Zeit dann zum letzten Mal umgestellt werden – doch es passierte nichts. 

Durch die Energiekrise sind die Rufe nach Abschaffung 2021 wieder lauter geworden. Kritiker nutzten dabei ironischerweise genau dasselbe Argument, wie zur Einführung der Zeitumstellung: Energie sparen. Dafür soll es dauerhaft bei der Sommerzeit bleiben. "Je heller es abends ist, desto weniger Strom wird verbraucht", erklärt Korbinian von Blanckenburg, Professor an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, in der "Rheinischen Post". Das Einsparpotenzial liege bei bis zu 700 Millionen Euro. Ganz so einfach ist es aber doch nicht.

Gründe für die Abschaffung der Zeitumstellung

Es dürfe nicht nur der Stromverbrauch zu Hause berücksichtigt werden, wie Christoph Mordziol vom Umweltbundesamt im Gespräch mit der Deutsche Presse-Agentur betont. "Bei geändertem Freizeitverhalten kann man annehmen, dass Aktivität außerhalb des Hauses zu Energieverbrauchssteigerungen im Verkehrs- und im Freizeitsektor führt." Dann wären wir also wieder beim gleichen Problem wie jetzt. Während der Sommerzeit wird am Abend weniger Strom mit Licht verbraucht, in Frühjahr und Herbst wird dafür in den Morgenstunden mehr geheizt. Der Energiespar-Effekt hebt sich also auf. Tipps, wie du wirklich Energie sparen kannst, findest du hier. 

Wenn aber weder die Zeitumstellung, noch ihre Abschaffung Energie sparen, ist das nicht automatisch ein Grund alles beim Alten zu belassen. Die EU-Kommission hatte wie bereits erwähnt mehrere Beweggründe für ihren Vorschlag, zum Beispiel gesundheitliche. Zwar gebe es Studie, "dass die Sommerzeit in Verbindung mit mehr Freizeitaktivitäten im Freien positive Auswirkungen haben könnte", heißt es laut dpa von der Behörde. Aber es gebe auch Forschungsergebnisse, die darauf hindeuteten, dass gesundheitliche Auswirkungen wie auf den Biorhythmus gravierender sein könnten als bisher angenommen.

In Vergessenheit geraten ist das Thema aber noch lange nicht, vor allem in Deutschland. Allein 3 Millionen der über 4 Millionen Stimmen der Umfrage von 2018, die den EU-Vorschlag ins Rollen brachte, stammten aus Deutschland.

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