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Gasanbieter wechseln: Lohnt sich das jetzt überhaupt?


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Sonntag, 23. Oktober 2022

Solltest du jetzt den Gasanbieter wechseln, um Geld zu sparen? Es rentiert sich, genau zu prüfen, ob es sich wirklich lohnt. Wir verraten, worauf du achten solltest.
Wer einen günstigen Gasliefervertrag hat, sollte ihn nicht kündigen.


  • Preisgarantie schützt
  • Die Modellrechnung mit dem Grundversorger
  • Die Crux mit der Grund- und Ersatzversorgung

Wer einen günstigen Gasliefervertrag hat, sollte ihn nicht kündigen. Selbst bei einer Preiserhöhung kann das immer noch die günstigste Variante sein. Also nicht vorschnell handeln, wenn das Schreiben kommt. Unbedingt bei der Suche nach einem neuen Versorger den Grundversorgungstarif vor Ort berücksichtigen. Trotzdem kann sich ein Wechsel immer noch lohnen.

Preisgarantie schützt

Schickt einer der knapp 1.000 Gasversorger eine Preis­erhöhung ins Haus, ist erstmal wichtig, diese genau zu prüfen. Kund*innen erhalten oftmals Briefe, die wie Werbung aussehen. Erst beim zweiten Blick ist deutlich, dass sich der Arbeitspreis erhöht. Das ist so nicht zulässig, die Preisanpassung darf nicht bloß eine Randnotiz sein. Der Anbieter muss in seinem Brief außerdem auf das Sonderkündigungsrecht hinweisen. Das haben alle Haushalte, die Gas beziehen, bei einer Preiserhöhung – unabhängig von der verbleibenden vertraglichen Laufzeit. Für Verträge im Grundversorgertarif gilt zudem: Vorheriger und neuer Arbeitspreis müssen übersichtlich gegenübergestellt sein, beispielsweise tabellarisch. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) bei einem Grundversorger im Strombereich entschieden. (Urteil vom 6.6.2018, Az.: VIII ZR 247/17). Diese Vorgaben gelten aber ebenso für den Gasbereich.

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Hat der Gasversorger mit dir eine Preisgarantie vereinbart, dann darf er selbst in der aktuellen Krisensituation seine steigende Beschaffungskosten nicht einfach an die Kundschaft weitergeben. Versorger können sich nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen. Das hat jetzt das Landgericht (LG) Düsseldorf in einem Eilverfahren gegen den Billig-Anbieter Extra Energie entschieden (Urteil vom 26.8.2022, Az.: 12 O 247/22). Bei der Preisgarantie handelt es sich um eine vertragliche Regelung, die dem Versorger Preiserhöhungen nur erlauben, um gestiegene Abgaben, Steuern oder Umlagen an die Kundschaft weiterzugeben. Eine Preiserhöhung wegen einer verteuerten Gasbeschaffung ist dagegen ausgeschlossen. Aktuell betreibt die Verbraucherzentrale Bundesverband gegen die Energieanbieter primastrom und voxenergie eine Musterfeststellungsklage. Beide Unternehmen haben trotz Garantie ihre Preise erhöht – aus Sicht der Verbraucherzentrale unzulässig.

Die Verbraucherzentrale NRW rät Kund*innen mit Preisgarantie, den geforderten Preiserhöhungen und damit verbundenen Anpassungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) schriftlich zu widersprechen. Der Verbraucherschutz hat dazu ein Musterschreiben entwickelt. 

Die Modellrechnung mit dem Grundversorger

Ob sich der Wechsel des Gasanbieters noch lohnt, kannst du als Verbraucher*in mithilfe von Vergleichsportalen wie check24 oder verivox feststellen. Bei der Nutzung der Portale, die zu empfehlen ist, musst du Folgendes wissen: Für ihre Vermittlung erhalten die Portale in der Regel eine Provision. Die Unternehmen – also Energieanbieter, Versicherungen, Mobilfunk-Anbieter oder Banken – bezahlen bei einem Vertragsabschluss eine Vergütung. Zahlt ein Unternehmen die nicht, ist er im Vergleich oftmals nicht gelistet.

Bei den Vergleichsportalen hat sich während der Energiekrise einiges verändert. Die "Probe aufs Exempel" zeigt für die Stadt Bamberg (Postleitzahl 96047) bei verivox (Datum: 17.10.2022) nur noch 11 Gasanbieter. Bei einem Gasverbrauch von 12.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr ist der günstigste Anbieter Montana mit einem Grundpreis von 106,83 Euro pro Monat und einem Arbeitspreis von 23,67 Cent pro kWh. Verivox errechnet daraus einen monatlichen Abschlag von 245,59 Euro (Tarif: MONTANA garant 12) für Neukundschaft. Der teuerste Anbieter ist KlickGas-Energie mit einem monatlichen Abschlagspreis von 314,77 Euro. Die Vergleichsportale informieren neuerdings zusätzlich über das Angebot des Grundversorgers. In dem Fall die Stadtwerke Bamberg Energie- und Wasserversorgung. Die Stadtwerke werfen eine monatliche Pauschale im Tarif bambergGas Verbrauchsstufe M für 12.000 kWh Jahresverbrauch, von 152,86 Euro aus (Grundpreis von 18,46 Euro pro Monat und einen Arbeitspreis von 14,08 Cent pro kWh). Der Preisunterschied zwischen den Anbietern Montana und den Stadtwerken Bamberg liegt bei 92,73 Euro pro Monat nach dieser Modellrechnung: Ein Unterschied, der durchaus bemerkenswert ist und ein Vergleich lohnt sich immer noch und eventuell auch der Wechsel.

Momentan sind also Grundversorger oft günstiger. Die Grundversorger beschaffen die Energie langfristig. Der Preisvorteil geht aber über die Jahre verloren, weil auch die Grundversorger teuer nachkaufen müssen. Außer, wenn sich der Gaspreis im Jahr 2023 normalisiert. Preiserhöhungen können bei den Grundversorgern ebenfalls kommen, dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man zu ihnen wechselt.

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Die Crux mit der Grund- und Ersatzversorgung

Wer jetzt zum Grundversorger wechseln will, muss aber noch andere Fallstricke beachten: Einige Grundversorger schieben Neukundschaft zunächst in die teurere Ersatzversorgung. Bei den Osnabrücker Stadtwerken ist das beispielsweise so üblich, wie der Norddeutsche Rundfunk berichtet. Neukund*innen erhalten dort keine Strom- und Gasverträge mit langfristig festgelegten Preisen - sondern "die teureren Tarife in der Grund- und Ersatzversorgung", wie Stadtwerke-Sprecher Marco Hörmeyer einräumt. Damit sei Osnabrück aber kein Einzelfall, viele Energieversorger würden dies so handhaben.

Von allen Gaskund*innen haben 17 Prozent einen Grundversorgungsvertrag, 49 Prozent einen Sondervertrag beim Grundversorger außerhalb der Grundversorgung und 34 Prozent haben einen Vertrag mit einem anderen Lieferanten als dem Grundversorger. Wer ist dein Grundversorger? Das ist der Energieanbieter in deinem Wohnort, der die meisten Haushalte beliefert. Oft sind das die lokalen Stadtwerke, in einigen Regionen Deutschlands zählen große Energieanbieter wie E.ON, Vattenfall oder EnBW dazu. Und so gehst du vor, wenn du in den günstigsten Tarif beim Grundversorger willst: Teile dem Unternehmen am besten schriftlich mit, dass du in die Grundversorgung wechseln möchtest.

Die Zuteilung in die Ersatzversorgung ist unproblematisch, wenn der Preis gleich mit denen der Grundversorgung ist. Seit Sommer 2022 dürfen die Versorger aber in Ausnahmefällen mehr berechnen, wie die Verbraucherzentrale berichtet. Du gelangst aber nur in Ausnahmefällen in die teure Ersatzversorgung – beispielsweise bei Insolvenz des bisherigen Anbieters. Die Ersatzversorgung endet regulär nach drei Monaten.

Fazit

Strom- und Gas-Hopping, das war vor der Energiekrise beliebt. Vergleichsportale machten das Leben für Kund*innen so bequem. In Süddeutschland wohnen, seine Energie aus dem Norden beziehen. Regionale Verbundenheit mit den eigenen Stadtwerken war pure Nostalgie, für die viele nicht bezahlen wollten. Jetzt dreht sich Blatt. Mit der "Geiz ist geil"-Mentalität lässt sich bei der Energie kein Blumentopf mehr gewinnen.

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