Virologe Lars Dölken sagt, "wie Herpesviren aus dem Ruhezustand reaktivieren, ist die zentrale Frage bei der Forschung an Herpesviren", denn "wenn wir dies verstehen, wissen wir, wie wir therapeutisch eingreifen können".
Bei ihren Forschungen haben die Experten der JMU nun einen Schlüsselprozess erkannt, der die Viren wieder reaktiviert. Die virale Mikro-RNA wird als miR-aU14 bezeichnet und stammt vom Virus selbst. Diese Schlüssel-RNA ist der Hauptauslöser der Reaktivierung der Herpes-Viren.
Mikro-RNA greift menschlichen Stoffwechsel an
Nach Expression der Mikro-RNA greift diese in den Stoffwechsel anderer Mikro-RNAs des Menschen ein und behindert dabei Mikro-RNAs der miR-30-Familie. Diese Störung führt dazu, dass diese wichtigen Mikro-RNAs nicht mehr gebildet werden. Durch die nicht ausgebildeten zellulären Mikro-RNAs wird, laut Arbeitsgruppe, ein spezifischer Signalweg beeinflusst, die sogenannte "miR30/p53/Drp1 Achse", wodurch Mitochondrien zerstört werden.
Wie allseits bekannt, sind die Mitochondrien das Kraftwerk einer jeden Zelle, daher ist ihre Zerstörung äußerst fatal: Energieproduktion und Virusabwehr können durch ihre Zerstörung stark beeinträchtigt werden. Dadurch hemmt die virale miR-aU14 die Bildung von Typ-I-Interferonen, die den Zellen vor Viren warnt. Aufgrund der fehlenden Interferone, kann der Herpes-Virus sich unbemerkt reaktivieren.
Die Mikro-RNA miR-aU14 ist allerdings nach Forschungsergebnissen nicht nur für die Vermehrung der Viren verantwortlich, sondern auch für das Erwecken aus dem Ruhezustand. Obwohl der Großteil der Experimente an HHV-6 getätigt wurde, ist nach Angaben der Forscher abzusehen, dass andere Herpes-Viren mittels des gleichen Mechanismus reaktiviert werden.
Zentrale Frage der Herpes-Forschung gelöst
Dies ist insbesondere bei der therapeutischen Behandlung von Herpes hilfreich, da man so einen Wiederausbruch der Infektion verhindern oder gezielt planen kann. Darüber hinaus zeigt die Forschung, "dass eine Mikro-RNA den Reifungsprozess anderer Mikro-RNAs direkt regulieren kann".
Die Forschung an den Herpes-Viren und vor allem an den Möglichkeiten zur therapeutischen Behandlung sind besonders wichtig, wenn die Folgen einer Herpes-Infektion in Betracht gezogen werden. Denn auch wenn sich eine Infektion mit dem Virus häufig nur durch juckende Bläschen an der Lippe oder Gürtelrose äußert, kann eine Erkrankung mit dem Virus auch schlimmere Folgen nach sich ziehen.
Besonders das erforschte HHV-6 wird verdächtigt, zu Herzstörungen, Multipler Sklerose oder Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) führen. Auch neigen transplantierte Organe nach einer Herpes-Infektion eher dazu vom Körper abgestoßen zu werden.
Herpes-Infektion kann psychische Krankheiten auslösen
Nach neuesten Erkenntnissen kann eine Infektion mit dem Herpes-Virus sogar zu psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Bipolarer Störung oder andere Krankheiten des Nervensystems zur Folge haben.
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