"Tod des Streamings": Amazons Vorstoß könnte Streaming-Angebot für immer verändern

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Amazon mit neuem kostenlosen Streaming-Angebot
Amazon könnte mit seinem neuen kostenlosen Streaming-Angebot das Streaming an sich revolutionieren.
Amazon mit neuem kostenlosen Streaming-Angebot
CC0 / Pixabay / afra32

Amazon startet seinen neuen Streaming-Service "Freevee" bald in Deutschland und will damit "Premium"-Inhalte mit Werbeunterbrechungen kostenlos verfügbar machen. Das könnte vor allem für Netflix extrem negative Auswirkungen haben, sagt ein Experte.

Wer heute als Alternative zum linearen Fernsehen Streaming-Services sucht, der hat eine Menge Auswahl. Neben dem Streaming-Urgestein Netflix gibt es Amazon Prime Video, Disney+, RTL+, DAZN, Sky, JOYN, Apple TV oder Magenta TV, um nur einige Vertreter zu nennen. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Die monatlichen Gebühren, um Filme und Serien auf Abruf ansehen zu können, wann und wo immer man möchte. Zumindest bislang.

Denn an diesem Modell möchte nun der Internet-Gigant Amazon rütteln. Schon bald soll der Streamingdienst "Freevee" in Deutschland an den Start gehen. Das Besondere an "Freevee": Alle Filme und Serien sollen kostenlos verfügbar sein. Im Gegenzug müssen Nutzerinnen und Nutzer gelegentlich Werbeclips ansehen. 

Amazons kostenloses Streaming-Angebot könnte das Angebot drastisch verändern

Freevee gibt es bereits seit mehreren Jahren, bislang allerdings nur als "IMDb Freedive" in Großbritannien und den USA. Jetzt hat Amazon angekündigt, den Service unter neuem Namen zu präsentieren und gleichzeitig mit massenhaft neuen Inhalten zu versorgen. So kündigte Amazon an, dass "Freevee sein Angebot an Originalserien im Jahr 2022 um 70 Prozent ausbauen" werde, wie unter anderem die Leiterin der Amazon Studios Jennifer Salke in einer Presseerklärung bestätigte

Dabei soll das Angebot vorrangig um Inhalte erweitert werden, die bei der direkten Streaming-Konkurrenz nicht zu finden ist. Mit dem neuen Namen "Amazon Freevee" wolle man betonen, dass die werbefinanzierte Plattform kostenlos ist. Laut dem Verantwortlichen für "Freevee", Ashraf Alkarmi, sei der Dienst eine Möglichkeit, Zuschauerinnen und Zuschauern "Premium"-Serien und -Filme mit deutlich weniger Werbeunterbrechungen als im linearen Fernsehen zu präsentieren. 

Diesen Vorstoß, Inhalte auch kostenlos via Streaming anzubieten, stelle die Konkurrenz von Disney oder Netflix vor eine Herausforderung, meint Marcus Kleiner von der SRH Berlin im Gespräch mit Chip. "Eigenproduktionen geben den Plattformen ihre Farbe. Sie sind oft der Grund, ein Abo abzuschließen", so Kleiner gegenüber Chip. Er macht vor allem das finanzielle Polster des Online-Giganten Amazon als großen Vorteil aus. "Amazon verfügt durch seine Cloud-Universum-Struktur über zahlreiche Standbeine: Versandhandel, Musik-Streaming und Amazon Prime Video sind nur einige Beispiele", so der Experte. Mit diesem finanziellen Polster könne man eine Qualitätsoffensive starten, um den etablierten Anbietern nachhaltig Konkurrenz machen zu können. 

Netflix laut Experte am meisten unter Druck

Seiner Meinung nach könnte besonders Netflix durch diesen Vorstoß Probleme bekommen. Dem Streaming-Platzhirsch fehle es an zusätzlichen Standbeinen, zudem sorgten die erstmalig rückläufigen Nutzungszahlen sowie die Versuche des Konzerns gegen Accountsharing vorzugehen, wie von COO Greg Peters erklärt, für erhebliche Verluste an der Börse.  Entsprechend korrigierte das Unternehmen auch seine Prognosen für das zweite Quartal 2022 deutlich nach unten. Als Reaktion auf die rückläufigen Zahlen spielte das Unternehmen öffentlichkeitswirksam mit der Idee einer Kombination aus Werbung und Abo-Gebühren für seinen Service. Damit hätte Netflix eine günstigere, mit Werbung angereicherte, Abo-Option. Ähnlich, wie es bereits Disney angekündigt hat.

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Dass es einen Bedarf für günstige werbegetriebene Alternativen zu geben scheint, davon ist auch Ashraf Alkarmi überzeugt. "Kunden wechseln zunehmend zum Streaming werbefinanzierter Premium-Inhalte", sagte er. Laut Amazon hätten sich die monatlichen Nutzungszahlen von Freevee in den letzten zwei Jahren verdreifacht. Marcus Kleiner von der SRH Berlin sieht ein Werbe-Abo-Angebot kritisch. "Werbe-Abo-Modelle bedeuten den Tod des Streamings", so Kleiner. Streaming mache aus, dass Serien und Filme ohne Werbeunterbrechung angesehen werden können. Findet ein Übergang zu Abonnements mit Werbung statt, sieht der Experte einen Bedeutungsverlust der etablierten Streaming-Anbieter.  Seiner Meinung nach wollte niemand "alle paar Minuten Werbung sehen". Es sehe zudem eine Analogie zu MTV, das heute in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sei. Trotzdem müssten laut Kleiner die Anbieter, "wenn Zahlen weiter einbrechen, auf werbe gestützte Modelle umsteigen müssen".

In einer Studie der Werbe-Experten von "Trade Desk" aus dem Jahr 2021 zeigt sich, dass 46 Prozent der Befragten einen kostenlosen Dienst mit Werbung in Anspruch nehmen würde. 25 Prozent würden Werbung für einen günstigeren Abo-Preis akzeptieren. Im Vergleich mit 2020 sind die Zahlen rückläufig. Wie erfolgreich Amazon mit seinem werbe-getriebenen Angebot sein wird, wird von den Nutzungszahlen abhängen. Trotzdem zeigt dieser Vorstoß, dass Amazon gewillt ist, seine Konkurrenten unter Druck zu setzen. Freevee soll "im Laufe des Jahres" in Deutschland verfügbar sein. Das "Disney+"-Abo mit Werbung "später im Jahr 2022". 

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