- Der Fall in Siegburg
- Krankenschein überzeugt nicht
- Die verhaltensbedingte Kündigung
- Die personenbedingte Kündigung
- Die betriebsbedingte Kündigung
Wie steht es um das Kündigungsrecht von Auszubildenden? Ein neues Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Siegburg erschüttert die Auffassung, dass es so gut wie unmöglich ist, seine Lehrlinge vor die Tür zu setzen. Wir haben die Situation genauer geprüft.
Der Fall in Siegburg
Ein 24-jähriger Azubi absolvierte eine Ausbildung zum Sport- und Gesundheitstrainer. Nachdem er bei einer Prüfung in der Berufsschule durchgefallen war, hatte er die Möglichkeit, die schulische Prüfung bei einem Nachholtermin zu wiederholen. Der Azubi nahm an der Prüfung nicht teil.
Stattdessen legte er dem Arbeitgeber persönlich im Fitnessstudio, seinem Arbeitsort, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vor. Direkt im Anschluss nach der Übergabe des "Gelben Scheins" absolvierte der Azubi ein intensives Krafttraining. Darüber war der Arbeitgeber so empört, dass er ihm noch am selben Tag fristlos kündigte.
Der Azubi zog vor das Arbeitsgericht Siegburg und verlangte Weiterbeschäftigung. Allerdings ohne Erfolg.
Krankenschein überzeugt nicht
Das Gericht (ArbG Siegburg vom 17.3.2022, Az.: 5 Ca 1849/21) hielt die fristlose Kündigung des Arbeitgebers für gerechtfertigt. Nach seiner Auffassung war ein wichtiger Kündigungsgrund damit gegeben, dass der Auszubildende sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ausstellen ließ, um die Nachholprüfung nicht mitschreiben zu müssen. Dadurch habe er ganz erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.
Der Aussage des Auszubildenden, er sei erst krank gewesen und dann spontan genesen und habe auch gearbeitet, schenkte das Gericht keinen Glauben. Stattdessen war es überzeugt davon, dass der Azubi zu keiner Zeit erkrankt war, sondern sich nur krankschreiben ließ, um der Prüfung zu entgehen.
Auszubildende dürften nicht davon ausgehen, dass es die Ausbilder*innen hinnehmen, falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt zu bekommen, um sich Prüfungen zu entziehen. Ob es sich bei der Krankschreibung um eine Gefälligkeitsbescheinigung oder eine erschlichene handelte, spielte für das Gericht keine Rolle.
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Die Entscheidung aus Siegburg wirft die Frage auf, in welchen Fällen das Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit durch den Arbeitgeber kündbar ist. Dies geht nur fristlos und aus wichtigem Grund (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Für die fristlose Kündigung gibt es drei Varianten, welche wir dir hier genauer erläutern:
Vor einer verhaltensbedingten Kündigung müssen die Auszubildenden in der Regel zunächst abgemahnt werden. Nur bei schweren Vertrauensverstößen kann eine Kündigung ausnahmsweise ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden. Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung können sein:
- mehrmaliges unentschuldigtes Fehlen
- mehrmaliges Fernbleiben vom Berufsschulunterricht
- wiederholte beharrliche Arbeitsverweigerung, wenn dadurch die Ausbildung nicht mehr möglich ist
- wiederholte Störung des Betriebsfriedens
- mehrmaliges Verlassen des Arbeitsplatzes ohne Genehmigung
- nicht genehmigte Nebentätigkeiten
- eigenmächtiger Urlaubsantritt
- planmäßiger Unterschlagung eines größeren Geldbetrages
Die personenbedingte Kündigung
Mangelnde Eignung kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen: Grundsätzlich dient die Probezeit der Feststellung der Eignung. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die anfangs bestehende Eignung nach Ablauf der Probezeit weggefallen ist, zum Beispiel infolge eines Unfalls, einer Krankheit oder Behinderung oder wenn die fehlende Eignung nachweislich erst nach Ablauf der Probezeit erkennbar war.
Der Betrieb kann dem oder der Auszubildenden außerdem wegen einer Krankheit kündigen, wenn feststeht, dass mit einer Gesundung innerhalb der Ausbildungszeit nicht zu rechnen ist oder die Eignung für den Ausbildungsberuf infolge der Krankheit (zum Beispiel Allergien) dauerhaft entfallen ist und dadurch die notwendigen beruflichen Kompetenzen nicht mehr erworben werden können oder die Sicherheitsrisiken für den Betrieb zu hoch werden. Ist der oder die Auszubildende alkoholkrank oder drogensüchtig, gelten dieselben Kündigungsvoraussetzungen wie bei der Kündigung wegen Krankheit.
Ist der oder die Auszubildende in Untersuchungshaft oder muss eine Freiheitsstrafe absitzen, kann er oder sie den Ausbildungspflichten nicht nachkommen. Eine Kündigung ist gerechtfertigt, wenn mit einer Freilassung innerhalb der Ausbildungszeit nicht zu rechnen ist.
Die betriebsbedingte Kündigung
Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung können unter anderem die Stilllegung der Ausbildungsabteilung (als organisatorisch klar abgrenzbare eigenständige Einheit) oder eine komplette Betriebsstilllegung sein.
Nicht ausreichend sind dagegen wirtschaftliche Schwierigkeiten, Arbeitsmangel oder die Insolvenz des Betriebs.
Fazit: Der Fall aus Siegburg und die Rechtspraxis zeigen, dass es für Azubis trotz des besonderen Kündigungsschutzes keine Garantie in jedem Fall gibt. Völlig anders sieht der Fall aus, wenn die Azubis kündigen. Wenn ein*e Azubi ihre Berufsausbildung aufgeben will oder einen anderen Beruf erlernen will, kann der Vertrag mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG). Dies muss schriftlich und unter Angabe des besonderen Kündigungsgrundes erfolgen.