Umstrittene Ifo-Studie: Drastische Einschnitte für Rentner könnten 1,2 Millionen Jobs bringen

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Drastische Renten-Änderungen: So sollen 1,2 Millionen Menschen länger im Job bleiben
Die Deutschen sollen länger arbeiten. Das Ifo-Institut hat umstrittene Maßnahmen untersucht, die eine frühe Rente unattraktiv - oder unmöglich - machen.
Drastische Renten-Änderungen: So sollen 1,2 Millionen Menschen länger im Job bleiben
AdobeStock/wetzkaz

Wie kann die Bundesregierung die Leute länger im Beruf halten? Das Ifo-Institut hat mögliche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel auf den Prüfstand gestellt. Die Ergebnisse sind umstritten.

Höhere Rentenabschläge, längere Lebensarbeitszeit und Kürzungen der Vorteile für Eheleute bei Steuer und Krankenversicherung: Das Ifo-Institut hat untersucht, wie der Fachkräftemangel in Deutschland bekämpft werden könnte - mit drastischen Ergebnissen. In Summe könnten Einschnitte in bestimmten Bereichen wie der Rente nach Einschätzung der Münchner Ökonomen so viele Menschen zu längerer Berufstätigkeit bewegen, dass das einem Beschäftigungsgewinn von an die 1,2 Millionen Vollzeitjobs entspräche. Auftraggeber der jüngst veröffentlichten Ifo-Studie war die IHK München und Oberbayern.

Die Wissenschaftler rechneten in dem Papier die Auswirkungen mehrerer kontroverser Vorschläge durch, die von etlichen Wirtschaftsvertretern befürwortet, von Gewerkschaften und Sozialverbänden jedoch abgelehnt werden. Dabei geht es um ältere Arbeitnehmer und Frauen, die vergleichsweise früh aus dem Arbeitsleben ausscheiden und/oder teilzeitbeschäftigt sind. "Das Steuer- und Abgabensystem in Deutschland kann definitiv so umgebaut werden, dass der Arbeitskräftemangel gemildert wird", sagte Volker Meier, einer der Autoren. Das Rentensystem steht immer wieder im Fokus der Politik. Für 2025 plant die Bundesregierung erneut Änderungen bei der Rente.

Ifo-Studie: Drastische Renten-Änderungen könnten 1,2 Millionen Jobs bringen

Das Ifo-Institut hat sich verschiedene Maßnahmen angeschaut, die dafür infrage kämen. Für jede Erhöhung, Kürzung oder Abschaffung wurde errechnet, wie viele Menschen in Folge länger in ihrer Vollzeitbeschäftigung arbeiten würden.

Hier die Ergebnisse im Überblick:

  • Anhebung des Rentenalters auf 69 könnte 473.000 Vollzeitstellen bringen
  • Erhöhung der Abschläge bei frühzeitigem Renteneintritt auf 0,5 Prozent pro Monat könnte 180.000 Vollzeitstellen bringen
  • Abschaffung der Rente mit 63 könnte 157.000 Vollzeitstellen bringen
  • Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung von Eheleuten (Krankenversicherung und Pflegeversicherung) könnte 150.000 Vollzeitstellen bringen
  • Abschaffung des Ehegattensplittings könnte 200.000 Vollzeitstellen bringen
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Renten-Einschnitte für mehr Arbeitskräfte? Die Ifo-Vorschläge im Detail

Allein die Anhebung des Rentenalters von 67 auf 69 könnte demnach einem Gewinn von 473.000 Vollzeitjobs entsprechen. In der Rentenversicherung könnte auch eine Erhöhung der Abschläge für den vorzeitigen Ausstieg aus dem Arbeitsleben einen spürbaren Effekt haben. Derzeit wird die Rente bei vorzeitiger Verrentung um 0,3 Prozent pro Monat gekürzt. Ein höherer Abschlag von 0,5 Prozent pro Monat könnte laut Ifo einen Beschäftigungsgewinn von knapp 180.000 Vollzeitjobs bedeuten. Die Abschaffung der Rente mit 63 würde demnach einem Gewinn von 157.000 Vollzeitbeschäftigten entsprechen.

Eine mögliche Stellschraube wären laut Ifo-Studie aber auch althergebrachte Vergünstigungen für Ehepaare. Die Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung für Eheleute in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung könnte demnach ebenfalls viele Menschen zu mehr oder längerer Berufstätigkeit bewegen, im Umfang von etwa 150.000 Vollzeitstellen. 

Die Abschaffung des Ehegattensplittings würde demzufolge so viele Menschen zu mehr - beziehungsweise längerer Berufstätigkeit motivieren, dass das etwa 200.000 Vollzeitstellen entspräche. Das Ehegattensplitting bedeutet die gemeinsame Versteuerung des Einkommens beider Eheleute. Steuerlich lohnend ist das vor allem, wenn einer der beiden Ehepartner - traditionell die Frau - deutlich weniger verdient als der andere. 

Harte Kritik vom Sozialverband: Was die Politik stattdessen an der Rente ändern soll

Der Sozialverband Deutschland - der älteren Generation noch unter dem früheren Namen "Reichsbund" vertraut - kritisierte die Vorschläge: "Es kann nicht sein, dass Rentnerinnen und Rentner sowie Familien die Lasten einer verfehlten Arbeits- und Fachkräftestrategie von Politik und Wirtschaft tragen", sagte Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. "Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass mehr Menschen über das Rentenalter hinaus arbeiten können und wollen."

Weiter forderte der Sozialverband gezielte Maßnahmen zur Anwerbung und Qualifizierung ausländischer Fachkräfte. Es ist nicht das erste Mal, dass das Ifo-Institut derartige Kritik von einem Sozialverband erfahren hat. Zuletzt positionierte sich der Sozialverband VdK gegen den Vorschlag, das Rentenalter an die Lebenserwartung zu koppeln. 

Weit weniger kontrovers ist ein weiterer Ifo-Vorschlag: Auch jenseits von Rente, Steuer und Sozialversicherung gäbe es der Studie zufolge eine Möglichkeit, den Fachkräftemangel zu bekämpfen: 400.000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze würden demnach Beschäftigungsgewinne von etwa 58.000 Vollzeitäquivalenten erwarten lassen.

lm/dpa