Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind in Deutschland bislang mindestens 232.462 Flüchtlinge (Stand: 23.03.2022) aus der Ukraine angekommen. Die tatsächliche Zahl ist wahrscheinlich aber höher, weil es an der deutsch-polnischen Grenze keine Identitätserfassung gibt und sich Menschen mit ukrainischem Pass zunächst für 90 Tage frei in der EU bewegen können. Sie müssen sich erst registrieren lassen, wenn sie staatliche Leistungen beantragen.
Handwerker sind begeistert
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer geht davon aus, dass viele aus der Ukraine geflüchtete Menschen schnell in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren sind. "Aus der Ukraine kommen Menschen, die was draufhaben. Und die können wir gut gebrauchen", sagte Wollseifer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Nach den bisherigen Erfahrungen mit bereits in Deutschland tätigen Ukrainern sei das Ausbildungsniveau "sehr gut". "Wo etwas fehlt, können wir in unseren 600 handwerklichen Bildungszentren nachqualifizieren", sagte Wollseifer. Arbeit sei ein zentraler Bestandteil von Integration. "Und das Handwerk steht bereit, zu helfen."
"Derzeit kommen vor allem Frauen, und auch die bekommen wir sehr schnell in den Arbeitsmarkt integriert, wenn die Kinder in Kitas und Schulen gehen", sagte Wollseifer. "Ich denke an unsere Lebensmittelhandwerke, wo Verkäuferinnen in Bäckereien und Fleischereien händeringend gesucht werden. Und auch in anderen Branchen fehlt Personal."
Gutes Qualifikationsniveau
Die sächsische Arbeitsagentur warnt allerdings davor, die Kriegsflüchtlinge nur als Lückenbüßer für den Arbeitsmarkt zu betrachten. "Diese Menschen fliehen nicht, um unseren Fachkräftebedarf zu decken, sondern weil ihr Land angegriffen wurde", sagte Behördensprecher Frank Vollgold der Deutschen Presse-Agentur.
Es sei nicht angemessen zu spekulieren, den Fachkräftebedarf über Geflüchtete abfedern zu wollen: "Wir sind alle betroffen über das Leid, das den Menschen in der Ukraine zugefügt wird. Diese Menschen, vor allem Frauen und Kinder, suchen bei uns Schutz und Sicherheit in einer unvorstellbaren Situation."
Bis Mitte 2021 seien rund 2.300 Menschen aus der Ukraine sozialversicherungspflichtig in Sachsen beschäftigt gewesen. Auffällig sei deren Qualifikationsniveau. 1.058 von ihnen hätten eine Berufsausbildung, rund 217 eine Qualifikation auf dem Niveau von Meister und Techniker, knapp 570 seien Akademiker. Etwa jeder fünfte (21 Prozent) arbeite auf Helferniveau.
Gewerkschaft warnt vor prekärer Beschäftigung
Gewerkschafter warnen indes vor schlechten Arbeitsbedingungen für aus der Ukraine geflüchtete Menschen im deutschen Arbeitsmarkt. "Wichtig ist, dass die Geflüchteten mit Blick auf ihre Qualifikation nicht automatisch in prekärer Beschäftigung landen", sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund ebenfalls dem RND. "Keinesfalls dürfen sie dort Lückenbüßer werden, wo wegen schlechter Bedingungen keine inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten wollen."
DGB-Service: Auf seiner Website listet der DGB Fragen und Antworten zur Integration von geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern in den deutschen Arbeitsmarkt auf. Darin heißt es: "Denn Lücken gibt es vor allem dort, wo die Löhne niedrig und die Arbeitsbedingungen schlecht sind, beispielsweise in der Pflege und der Gastronomie."
Zudem fordert der Gewerkschaftsbund darin, dass die Bundesregierung den Zugang zu Sprachkursen gewährleisten müsse. Auch sollten berufliche Abschlüsse und Qualifikationen zügig und unkompliziert anerkannt werden.
Agentur für Arbeit und Plattformen sollen helfen
Die Agenturen für Arbeit sollen beraten, vermitteln und weitere Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bieten. Der Bund passt die vielfältigen Programme und Angebote an, die sich mit Spracherwerb, Aufnahme von Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Beratung von Geflüchteten und ihren Familien beschäftigen. Die bestehenden Angebote sind auf einem zentralen Hilfeportal "Germany 4 Ukraine" des Innenministeriums (www.germany4ukraine.de) zusammengefasst – auch in ukrainischer und russischer Sprache.
Es gibt auch andere Internetseiten, die Kriegsflüchtlingen helfen:
- Workeer: Die Jobbörse richtet sich speziell an Geflüchtete und soll diesen den Zugang auf den Arbeitsmarkt erleichtern. Dabei arbeitet Workeer eng mit sozialen Organisationen wie der Caritas oder der Diakonie zusammen.
- UA Talents: Die Plattform "UA Talents" stammt von den beiden in Berlin lebenden ukrainischen Tech-Unternehmern Ivan Kychatyi und Nikita Overchyk. Sie wollen Menschen aus der Ukraine, die ihren Job verloren haben, dabei unterstützen, eine neue Stelle zu finden.
- Job Aid Ukraine: Seit Kurzem ist auch die Plattform "Job Aid Ukraine" online. Unternehmen können dort kostenfrei ihre Stellenangebote schalten. Bevor die Anzeigen online gehen, werden sie von einem ehrenamtlichen Team überprüft.
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