Der Krankenstand in Deutschland ist so hoch wie nie. Der Chef des Versicherers Allianz sieht die Fehltage als Kostenproblem - und macht einen brisanten Vorschlag. Er will den Lohn für den ersten Krankheitstag abschaffen.
Ein Vorstoß von Allianz-Chef Oliver Bäte, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag zu streichen, sorgt für Kontroversen. "Ich schlage vor, den Karenztag wieder einzuführen. Damit würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen", sagte der Vorstandschef dem Handelsblatt. Die Arbeitgeber würden so entlastet.
Demnach sollen kranke Arbeitnehmer für den ersten Krankheitstag keinen Lohn mehr erhalten. Was er damit möglicherweise meinen könnte: Karenztage könnten ein probates Mittel gegen das "Blaumachen" sein - sich krankzumelden, obwohl man nicht oder kaum krank ist. Die Lohnfortzahlung würde erst dann beginnen, wenn ein Attest vom Arzt vorliegt.
"Das ist doch irre": Allianz-Chef will Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag streichen
Bäte argumentiert im Handelsblatt vom 6. Januar 2025, dass Mitarbeiter die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen sollten, um Arbeitgeber zu entlasten. Darf der Arbeitgeber Kontrollbesuche bei krankgeschriebenen Mitarbeitenden machen? Diese Frage beschäftigt die Arbeitswelt, seitdem Manager des Tesla-Werks in Grünheide 30 Kontrollbesuche ansetzten.
Auch Oliver Bäte führt die extrem hohe Anzahl an Krankentagen hierzulande als Begründung für seine kontroverse Idee an: "Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei den Krankmeldungen. Das erhöht die Kosten im System", erläutert der Allianz-CEO. Zudem betont er: "Gleichzeitig steht Deutschland bei der Zahl der Arztbesuche auf Platz 7. Das ist doch irre."
Kostentechnisch stellten die krankheitsbedingten Ausfälle der Beschäftigten für Arbeitgeber in Deutschland eine enorme Belastung dar. "Arbeitgeber zahlen in Deutschland pro Jahr 77 Milliarden Euro Gehälter für kranke Mitarbeiter", wird Bäte vom Handelsblatt zitiert. Hinzu kämen "noch einmal 19 Milliarden Euro" von den Krankenkassen. Dies entspräche rund sechs Prozent der Sozialausgaben.
Einsparpotenzial von 40 Milliarden Euro
EU-weit belaufe der Durchschnitt bei den Sozialausgaben für Krankheitskosten aber lediglich auf 3,5 Prozent. Allianz-Chef Bäte glaubt, dass Deutschland 40 Milliarden einsparen könnte, wenn es ebenfalls auf diesen Wert käme. Das Geld würde dem Gesundheitssystem an anderer Stelle helfen. Jedoch sieht er auch weiteren Handlungsbedarf im Gesundheitswesen: "Wir müssen darüber sprechen, was wir uns in einer alternden Gesellschaft noch leisten können." Hierunter versteht er auch Einsparungen bei Gesundheitsleistungen. Allein die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr 289 Milliarden Euro aufgebracht, bei kontinuierlich steigenden Beiträgen.
In Deutschland ist es seit langem üblich, dass die Lohnfortzahlung bereits ab dem ersten Krankheitstag erfolgt, im Gegensatz zu einigen anderen Ländern. Arbeitnehmer müssen sich krankmelden, wenn sie länger als drei Tage krank sind. Die Form der Krankmeldung ist nicht gesetzlich geregelt, jedoch muss der Vorgesetzte informiert werden. Ob Aktivitäten wie Einkaufen, Sport oder Ausgehen während einer Krankschreibung erlaubt sind, hängt von der Art der Erkrankung ab.