Absolute Alters-Armut: Frauen in Bayern besonders betroffen - woran liegt das?

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Fast 600.000 Bayern lebten nach offiziellen Zahlen an der Armutsgrenze.
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Bild: #42950461/Colourbox.de
Fast 600.000 Bayern lebten nach offiziellen Zahlen an der Armutsgrenze.
Fast 600.000 Bayern lebten nach offiziellen Zahlen an der Armutsgrenze.
Tafel Deutschland Thomas Lohnes |

Alters-Armut: In keinem anderen Bundesland wie in Bayern sind so viele Frauen im Alter von Armut bedroht. Was sind die Gründe?

  • Bayerische Seniorinnen haben besonders hohes Risiko für Altersarmut
  • Besuch bei der Tafel in Nürnberg
  • Frauen verdienen weniger
  • Altersarmut aufgrund von Teilzeitarbeit oder keiner Berufstätigkeit
  • Hilft die Grundrente?

Der "Gender Pension Gap" ist immens und Frauen sind deutlich stärker von Altersarmut betroffenen als Männer. Und wenn du in Bayern zu Hause bist, dann ist die Lage noch düsterer. Aber warum ist das eigentlich so, dass Frauen im Alter häufiger arm sind als Männer?

Bayerische Seniorinnen haben besonders hohes Risiko für Altersarmut

Es gibt kein anderes Bundesland, in dem die Gefahr für Seniorinnen in Altersarmut zu leben so hoch ist wie im Freistaat. Dies ist ein Trend, der sich seit 2005 jährlich fortsetzt und sogar weiter ansteigt. Gemessen an der 'Armutsgefährdungsquote' waren in 2021 mehr als ein Viertel (26 Prozent) der über 65-jährigen Frauen von Armut bedroht. Bei den Männern sind 19,5 Prozent betroffen. In anderen Bundesländern sind die Quoten geringer, am niedrigsten in Sachsen mit 9,6 Prozent.

Was ist die Armutsgefährdungsquote? Ein*e Bürger*in gilt nach der EU-Definition als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt (Schwellenwert der Armutsgefährdung). 2021 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 15.009 Euro netto im Jahr (1.251 Euro im Monat).

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern hat für das Jahr 2020 ermittelt, welche Personengruppen neben den Frauen über 65 besonders von Armut besonders betroffen sind. Es sind Erwerbslose mit 43,8 Prozent, Alleinerziehende mit 35,2 Prozent und Menschen mit niedrigem Qualifikationsniveau mit 29,8 Prozent.

Besuch bei der Tafel in Nürnberg

Das sind die statistischen Zahlen, hinter denen aber Menschen stehen. Thomas Balbierer, Redakteur im Landes-Teil der Süddeutschen Zeitung, hat für seinen Bericht über die Altersarmut in Bayern die Tafel in Nürnberg besucht, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Dort traf er im Ausgaberaum im ersten Stock eine 76-jährige Frau. Seit etwa sechs Jahren kommt die Rentnerin jeden Dienstag zur Tafel und holt sich für zwei Euro pro Besuch, was sie zum Überleben braucht.

Von ihrer Rente, nicht einmal 500 Euro, könne sich nicht leben, berichtete sie dem Reporter. 38 Jahre habe sie gearbeitet, erst als Kellnerin, dann als selbstständige Gastronomin. Die Einzahlungen in die Rentenkasse waren alles andere als üppig. Rente und Aufstockung mit der staatlichen Grundsicherung reichen nicht. 

Für die Tafel in Nürnberg gilt sie damit als "bedürftig" und darf einmal die Woche abholen, was Großbäckereien, Supermärkte oder Privatpersonen gespendet haben. "Das System wackelt ganz gewaltig", sagt Peter Zilles, Vorsitzender des bayerischen Tafelverbandes im Artikel in der SZ. "Wir können dem Staat die Aufgabe der Grundversorgung nicht abnehmen." Und Edeltraud Rager, ehrenamtliche Leiterin der Nürnberger Tafel fügt hinzu: "Wenn ich hier ältere Frauen sehe, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet und Kinder erzogen haben und jetzt nicht über die Runden kommen - dann finde ich das furchtbar."

Frauen verdienen weniger

So wie der 76-jährigen Frau in Nürnberg geht es vielen älteren Frauen in Bayern. Aber warum ist das so? Frauen verdienen weniger als Männer. Der sogenannte Gender Pay Gap (Lohnlücke) beträgt in der EU durchschnittlich 13 Prozent (DE: 18,3 Prozent). Unterbrechungen im Erwerbsleben, die Teilzeitquote und geschlechtsspezifische Vorlieben bei der Berufswahl sind die Gründe für diese eklatanten Verdienstunterschiede. Zusätzlich erhalten Frauen teilweise niedrige Löhne bei gleicher Qualifikation. Ein geringeres Einkommen bedeutet immer weniger Rente. 

Immer mehr Menschen arbeiten in der sogenannten Gig-Economy oder in Minijobs; also im Niedriglohnbereich. In Deutschland waren 2021 schon 6,7 Millionen Menschen in "520-Euro-Jobs" tätig, mehr als zwei Drittel davon waren Frauen. Frauen arbeiten vielfach in "typischen Frauenberufen", also vor allem in Sorge- und Dienstleistungsberufen. Diese sind deutlich schlechter bezahlt. Auch das führt zu einer niedrigeren Rente im Alter. 

Während des Berufslebens liegen die Vorteile von Minijobs und Teilzeit auf der Hand: wenige Arbeitsstunden pro Woche bei gleichzeitiger Flexibilität, mit der weiterhin Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen zu bewältigen sind. Mit Blick auf die Renten sind Minijobs und kleine Aufträge ("Gigs") jedoch ein erhebliches Risiko. Da sie teilweise nicht sozialversicherungspflichtig sind, tragen sie wenig zu einem materiell abgesichertem Leben als Senior*in bei.

Altersarmut aufgrund von Teilzeitarbeit oder keiner Berufstätigkeit

Frauen arbeiten wesentlich häufiger Teilzeit als Männer. Jede zweite Frau, 47,9 Prozent, arbeitet in Teilzeit. Bei den Männern ist es knapp jeder Zehnte: 11,2 Prozent. Noch höher ist der Anteil der erwerbstätigen Mütter, die in Teilzeit arbeiten: 66 Prozent arbeiten Teilzeit, aber nur sieben Prozent der Väter.

Teilzeitarbeit führt zu einem erheblich geringeren Erwerbseinkommen und damit zu einer geringen Rente. Frauen in Teilzeitjobs haben oft weniger Aufstiegschancen und niedrige Stundenlöhne. Und in Bayern waren viele Frauen in der Landwirtschaft tätig und haben nicht in die Versorgungskassen eingezahlt.

Frauen sind häufiger gar nicht berufstätig, Männer um so mehr. In Deutschland liegt die Erwerbsquote der Frauen bei 75,2 Prozent. Bei den Männern liegt der Wert bei 83,1 Prozent. Die Erwerbstätigenquote von Frauen in Bayern ist geringer und liegt bei 73,8 Prozent. Da ein erheblicher Teil der Rentenansprüche auf der beruflichen Tätigkeit beruht, senkt die niedere Erwerbsbeteiligung die Altersvorsorge der Frauen massiv.

Hilft die Grundrente?

Viele Frauen in Bayern hoffen auf die Grundrente – die Bescheide sollen in diesem Jahr noch kommen. Die Grundrente gibt es seit 2021. Sie ist ein Zuschlag zur eigenen Rente. Voraussetzung ist, dass die Person viele Jahre Beiträge gezahlt hat und trotzdem nur eine geringe Rente bekommt.

Die Aufwertung geringer Rentenansprüche aus langjähriger Beitragszahlung sichert den Beschäftigten regelmäßig eine Rente über der Grundsicherung. Mit der neuen Grundrente gibt es nach 45 Jahren Arbeit in Vollzeit rund 1.060 Euro Rente. Ohne die vorgesehene Grundrente wären es nur 860 Euro. Viele Frauen kommen nach den Erfahrungen des VdK-Bayern nicht auf die notwendigen Jahre Berufstätigkeit und wenn doch, dann haben sie häufig in nicht-sozialversicherungspflichtigen Berufen gearbeitet. 

Was als kleine Rente gilt, die per Grundrente aufzuwerten ist, hängt von einer komplizierten Berechnung ab. Vereinfacht gesagt gibt es die Grundrente, wenn die ausgezahlte Rente nach 45 Jahren Beitragszahlung aus Erwerbstätigkeit unter 1.100 Euro liegt, bei 40 Beitragsjahren unter 975 Euro. Zu hoch sollten die Erwartungen aber nicht sein, dämpft VdK Präsidentin Verena Bentele im Bayerischen Rundfunk die Erwartungen: "Im Schnitt erhalten Rentenbeziehende 75 Euro mehr."

Fazit

Raus aus dem Berufsleben, rein in die Armut, heißt es für viele Frauen nach ihrer Arbeitstätigkeit. Es sind immer noch viele Faktoren, die zusammenkommen und den Rentenbezug für die Frauen geringer ausfallen lassen als für Männer. Wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck angesichts des Kriegs in der Ukraine feststellt, Deutschland werde ärmer, dann gilt das für die älteren Frauen in Bayern schon lange.

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