- Was sind multiresistente Krankenhauskeime?
- Welche Gefahr droht durch multiresistente Bakterien?
- Welche Strategien gibt es im Kampf gegen die Superkeime?
In den meisten Fällen lassen sich Infektionen, die durch Bakterien verursacht werden, mit Antibiotika behandeln. Allerdings wächst die Zahl der Bakterien, die sich damit nicht mehr bekämpfen lassen. Diese Bakterien haben Resistenzen gegen die Medikamente gebildet, wodurch diese unwirksam werden. Infektionen können somit lebensbedrohliche Ausmaße annehmen, zum Beispiel wenn Lungen- oder Blasenentzündungen nicht mehr effektiv behandelt werden können. Problematisch ist zudem, dass die sogenannten multiresistenten Keime, bei denen gleich mehrere Antibiotika wirkungslos sind, sich immer mehr ausbreiten. Fast fünf Millionen Menschen starben 2019 im Zusammenhang mit multiresistenten Keimen. Ein Wettlauf gegen die Zeit.
Was sind multiresistente Keime?
Antibiotika-Resistenz bedeutet, dass Patienten auf ein Antibiotikum nicht reagieren. Krankmachende Bakterien werden also durch das Antibiotikum nicht vernichtet. Hintergrund ist, dass das Erbgut in den Bakterien mutiert. Dieser natürliche Vorgang führt dazu, dass sich Bakterien an veränderte Lebensbedingungen anpassen. So können sie sich gegen Wirkmechanismen in Antibiotika schützen. Dabei finden diese Mutationen nicht nur in der gegenwärtigen Generation der Bakterien statt, sondern werden auch an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Gleichzeitig können auch andere Erreger davon profitieren, die sich in unmittelbarer Nähe befinden. Bakterien können nämlich ihre Gene untereinander austauschen, wodurch sich Resistenzen noch schneller ausbreiten können.
Das renommierte Magazin "The Lancet" veröffentlichte im Januar 2022 eine Studie, in der die Anzahl der Todesfälle im Zusammenhang mit bakteriellen Antibiotikaresistenzen auf 4,95 Millionen im Jahr 2019 geschätzt wurde. Damit zählen Antibiotika-Resistenzen zu den häufigsten Todesursachen weltweit.
Diejenigen Keime, welche am häufigsten Resistenzen ausbilden, sind Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae und Streptococcus pneumoniae. Allein der gefürchtete Krankenhauskeim MRSA – Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus – war demnach für 100.000 Todesfälle verantwortlich.
Buchtipp: Die Wahrheit über unsere Medikamente: Wann sie helfen. Wann sie schaden. Wann sie Geldverschwendung sindWie entstehen Resistenzen gegen Antibiotika?
Nachdem der Mediziner Alexander Fleming das Penicillin 1928 zufällig entdeckt hatte, kam es 1942 als erstes Antibiotikum auf den Markt. Dieser wichtige Meilenstein in der Geschichte der Medizin führte dazu, dass zahlreiche Leben gerettet und Infektionen relativ einfach bekämpft werden konnten. Doch nun werden Antibiotika zunehmend unwirksam, weil Bakterien Resistenzen ausbilden. Selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlug 2017 Alarm und veröffentlichte eine Liste mit den zwölf gefährlichsten multiresistenten Keimen, für die dringend neue Wirkstoffe benötigt werden.
Multiresistente Erreger treten häufig dort auf, wo viele Antibiotika verabreicht werden, wie das Robert-Koch-Institut berichtet. Zum Beispiel in Krankenhäusern oder in der Landwirtschaft. Dass die Anzahl der multiresistenten Keime ständig wächst, liegt vor allem an folgenden Ursachen:
- Antibiotika werden zu früh abgesetzt, zu häufig verabreicht oder zu niedrig dosiert. In diesen Fällen sterben nur empfindliche Bakterien ab. Die resistenten Bakterien überleben und können sich weiter vermehren.
- Antibiotika werden bei Virusinfekten gegeben, wo sie eigentlich nutzlos sind.
- In der Masttierhaltung werden zu häufig Antibiotika gefüttert und die hier überlebenden multiresistenten Keime gelanden dann über die Nahrungskette in den menschlichen Körper.
Wo droht die größte Gefahr durch multiresistente Keime?
Gesunde Menschen mit einem aktiven Immunsystem kommen normalerweise mit multiresistenten Keimen zurecht, weil ihr Körper über Abwehrmechanismen verfügt, die die Erreger bekämpfen können. Ist das körpereigene Immunsystem jedoch geschwächt, kann es gefährlich werden. Ältere oder immungeschwächte Menschen tragen ein höheres Risiko, sich zu infizieren. Leiden sie zudem an chronischen Wunden wie einem diabetischen Fuß oder Dekubitus, steigt die Gefahr. Hier ist die Beachtung wichtiger Hygienemaßnahmen besonders wichtig, um eine Infektion zu vermeiden.
Der Krankenhauskeim MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) besiedelt den menschlichen Körper ganz natürlich und ist insbesondere auf der Haut und den Schleimhäuten zu finden. Bei MRSA besteht allerdings die Besonderheit, dass hier eine Unempfindlichkeit (Resistenz) gegenüber Methicillin besteht, einer bestimmten Antibiotikaklasse. Mittlerweile ist allerdings bekannt, dass MRSA auch gegen andere Antibiotika resistent ist, wie zum Beispiel Tetrazykline, Chinolone, Sulfonamide oder Aminoglykoside. Aus diesem Grund wird MRSA auch häufig mit "multiresistenter Staphylococcus aureus" übersetzt. Bei Operationen können Keime zum Beispiel über Schnittwunden, Infusionen oder Katheter in den Körper eindringen.
Da der Erreger von Mensch zu Mensch oder über Gegenstände übertragbar ist, findet er sich auch außerhalb von Krankenhäusern. Bevorzugt siedelt sich der Krankenhauskeim an Körperstellen an, die warm und feucht sind. Somit sind in erster Linie der Nasenvorhof, aber auch die Achselhöhlen, die Leistengegend oder Bereiche zwischen den Zehen betroffen. Aber auch im täglichen Leben begegnen uns multiresistente Keime, die auf Oberflächen bis zu sechs Wochen überleben können. Vorsicht also an Flughäfen, in anderen öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Toiletten. Selbst auf der PC-Tastatur können Keime lauern und dann über die Hände in den Körper wandern.
Symptome und Behandlung bei Infektionen mit MRSA
Je nachdem, wo der Erreger in den Körper eingedrungen ist, können folgende Symptome auf eine MRSA-Infektion hindeuten:
- Entzündungen, Geschwüre, teilweise mit Eiteransammlungen unter anderem auf der Haut, im Mittelohr, in den Nasennebenhöhlen oder im Bereich von Wunden
- Lungenentzündung
- Harnwegsinfekte
- Blutvergiftung (Sepsis)
Die MRSA-Behandlung fußt auf mehreren Säulen:
MRSA-Keime sind äußerst widerstandsfähig und so kann jeder Mensch trotz erfolgreicher Therapie auch mehrmals MRSA-Träger werden. Es gibt jedoch einige Antibiotika, die MRSA-Bakterien bekämpfen können, sogenannte Reserveantibiotika. Außerdem können spezielle Salben, Waschlotionen für die Haut oder Mundspülungen zum Einsatz kommen. Aber auch die Einhaltung bestimmter Hygienemaßnahmen spielt eine bedeutende Rolle. Hierzu zählen zum Beispiel das Tragen eines Nasen- und Mundschutzes bzw. Schutzkleidung des Pflegepersonals sowie gründliche Hand- und Umgebungshygienemaßnahmen. Die Behandlung ist Teil einer sogenannten MRSA-Sanierung, die sich in sechs Phasen unterteilt.
Welche Strategien gibt es im Kampf gegen die Superkeime?
Seit 1. Juli 2009 besteht eine Meldepflicht von MRSA in Blut und Liquor (Nervenwasser) von den Laboratorien an das Gesundheitsamt. MRSA-Nachweise aus Wundabstrichen und Screeninguntersuchungen sind jedoch von der Meldepflicht ausgenommen. Damit soll erreicht werden, dass bei den Gesundheitsämtern schon frühzeitig Meldungen von besonders schweren Fälle von MRSA-Infektionen eingehen und so schneller notwendige Maßnahmen angestoßen werden können. Eingebettet ist die Meldepflicht in die Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART). Hier werden Maßnahmen gebündelt, die zur Reduzierung von Antibiotika-Resistenzen führen sollen. Hierzu zählen unter anderem:
- die Gesundheit von Mensch und Tier ganzheitlich zu betrachten, also auch weltweit
- das konsequente Sammeln von Daten und das Anpassen von Strategien
- der sachgerechte Einsatz von Antibiotika
- das Schaffen eines Überblick über die eingesetzten Antibiotikamengen
- die Vermeidung von Infektionen und die frühzeitige Unterbrechung von Infektionsketten
- die Förderung des Bewusstseins für den sachgerechten Einsatz von Antibiotika in der Bevölkerung und in medizinischen und tiermedizinischen Fachkreisen
- die Unterstützung von Forschung und Entwicklung
Vor dem Hintergrund, dass die Antibiotikaforschung immer weiter zurückgeschraubt wird, weil sie den Unternehmen kein Geld einbringt, sind neue Technologien überlebenswichtig. Eine mögliche Therapiehoffnung setzen Forschende in die sogenannte Phagen-Therapie. Phagen sind Viren, die sich überall in der Umwelt befinden und in der Lage sind, Bakterien abzutöten. Dazu werden die Phagen für ein bestimmtes Bakterium optimiert. Diese spezialisierten Viren dringen in Bakterien ein und bringen diese dazu, selbst Phagen herzustellen - solange, bis sie platzen. Dann können die frei werdenden Phagen weitere Bakterien befallen und den Vorgang erneut in Gang setzen. Der Vorteil ist, dass Phagen nur gegen bestimmte Bakterien wirksam, für den Menschen aber ungefährlich sind. Sie wirken nur solange, bis alle passenden Bakterien eliminiert sind. Es bedeutet aber auch, dass die krankmachenden Bakterien genau identifiziert werden müssen, damit die geeigneten Phagen gefunden werden können. Diese Methode ist nicht neu und wird bereits seit 1923 in Georgien intensiv beforscht. In Zeiten des Kalten Krieges, wo kaum Antibiotika existierten, bot diese Methode eine wirksame Alternative. Für eine belgische Fallstudie mit optimierten Viren aus dem Labor wurden auch Forschende aus Tiflis zurate gezogen. Hier untersuchten Fachleute zudem die kombinierte Gabe von Antibiotika und Phagen. Allerdings fehlen weitere kontrollierte Studien, um diese Therapieoption besser zu untersuchen. Bisher existiert in Deutschland noch kein rechtlich abgesicherter Handlungsrahmen für die Phagentherapie. Belgien hat dagegen im Jahr 2018 als erstes westliches Land die Phagen-Therapie als reguläre Behandlung eingeführt.
Fazit
Krankenhauskeime, wie der gefürchtete MRSA, bedrohen die Menschheit zunehmend. Denn sie haben Resistenzen gegen Antibiotika ausgebildet und sind somit immun gegen diese Behandlung. Nur noch wenige sogenannte Reserveantibiotika sind dann noch in der Lage, die bakterielle Infektion zu bekämpfen. Die Forschung an neuen Antibiotika gerät zunehmend ins Hintertreffen, da sich mit Antibiotika weniger Geld verdienen lässt, als zum Beispiel mit Medikamenten gegen chronische Erkrankungen. Zur Bekämpfung dieser Resistenzen muss eine wirksame Strategie verfolgt werden, die eine sinnvolle und maßvolle Anwendung von Antibiotika verfolgt, sowohl bei der Behandlung von Menschen als auch von Tieren. Zum anderen muss die Antibiotika-Forschung angetrieben und (nicht mehr ganz) neue Methoden, wie die Phagen-Therapie durch klinische Studien belegt und in einen rechtlichen Rahmen gesetzt werden. Länder wie Belgien, Georgien oder Polen machen es vor.