Langes Sitzen so schädlich wie Rauchen - ist die 40-Stunden-Woche ungesund?

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Tod am Schreibtisch
Übermäßiges Sitzen am Schreibtisch kann gefährlich sein.
Tod am Schreibtisch
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Viele Menschen arbeiten zu viel und vor allem zu lange. Doch wie gefährlich ist das lange Arbeiten wirklich und ist die 40-Stunden-Woche mittlerweile eine Sache der Vergangenheit?

Burnout, Schlafstörungen und eine Vielzahl an körperlichen Krankheiten können die Folge von zu viel Arbeit sein. Wer mehr als 39 Stunden in der Woche arbeitet, erhöht sein Risiko für stressbedingte Krankheiten.

Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Medien, nachdem die angsteinflößende E-Mail eines Vorgesetzten an eine Gruppe junger Praktikanten veröffentlicht wurde. Die Teilnehmenden des Programms bei der britischen Bank Barclay's fanden 2018 nämlich eine E-Mail in ihrem Posteingang, in der ihr Vorgesetzter ihnen riet, ein Kissen mit an den Arbeitsplatz zu nehmen. Ihm zufolge mache dies das Schlafen am Schreibtisch viel angenehmer.

Überanstrengte Angestellte: Arbeiten bis zum Tod

Die Mail, die angeblich nur ein Scherz sein sollte, wurde in Anbetracht eines ein paar Jahre zurückliegenden Vorfalls an die Medien weitergeleitet.  Bei dem Vorfall war ein 21-jähriger Praktikant wegen einer 72-Stunden-Schicht bei der Bank of America an Erschöpfung gestorben.

Auch wenn in ein paar Ländern schon die 4-Tage Arbeits-Woche getestet wurde, gelten Angestellte, die weniger als die herkömmlichen 39 Stunden pro Woche arbeiten, als faul oder unproduktiv. Doch Peter Fleming, Professor für Wirtschaft an der City University in London, sieht diese Einstellung als veraltet an, wie er in einem Gastbeitrag für die britische Zeitung "Guardian" schreibt.

In seinem Buch "The Death of Homo Economicus: Work, Debt and the Myth of Accumultaion" befasst sich der Experte mit dem übermäßigen Arbeitsaufkommen in einigen Unternehmen.

Fesselt die Technologie uns an den Schreibtisch?

Der technologische Fortschritt sollte uns das Leben vereinfachen und uns Arbeit abnehmen. Allerdings führt die stetige Erreichbarkeit dazu, dass wir uns noch mehr verpflichtet dazu fühlen, weiterzuarbeiten.

Laut Fleming hat sich die Zahl der Menschen, die ihr Smartphone oder Tablet außerhalb ihrer Arbeitszeit wegen Arbeitsbelangen checken, in den letzten 20 Jahren mehr als verfünffacht. Der Professor befürchtet, dass viele Angestellte nicht mehr richtig abschalten können und wegen der ständigen Mobilität nur noch im Ruhezustand vor sich hin leben. Er sagt, dass diese "unerbittliche Freudlosigkeit, vor allem dann greift, wenn es um Urlaub geht".

Hierbei spielt er insbesondere auf die Arbeitskultur in Amerika an, wo Angestellte meist weniger als zwei Wochen Urlaub im Jahr nehmen. Doch auch in vielen anderen Ländern ist die Arbeitsmoral so drastisch angewachsen, dass viele ein schlechtes Gewissen haben, zu wenig am Schreibtisch zu sitzen.

Ständiges Sitzen kann tödlich sein

Fleming ist in seinem Gastbeitrag allerdings sehr zuversichtlich, was ein gesellschaftliches Umdenken im Hinblick auf Überstunden und Stress angeht. Denn die Folgen von zu viel Arbeit können auf Dauer nicht mehr ignoriert werden, da sie zu "potenziellen Killern" werden können.

Bei einer Studie des Medical Centers an der Columbia University haben Forscher*innen herausgefunden, dass Sitzen von mehr als 13 Stunden am Tag den gleichen Effekt hat wie Rauchen. Bei dem Experiment wurden 8000 Angestellte über 45 Jahren auf ihre tägliche, körperliche Aktivität untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die durchschnittliche Inaktivitätsdauer der Teilnehmenden 12,3 Stunden betrug.

Dabei spielt schon ein relativ geringer Unterschied eine große Rolle: bei Angestellten, die mehr als 13 Stunden täglich saßen, stieg das Risiko frühzeitig zu sterben um das doppelte als bei denen, die nur 11,5 Stunden in sitzendem Zustand verbrachten.

Überarbeitung und Stress bis zum Tod?

Auch Experten am University College London konnten diese Ergebnisse belegen, denn sie fanden bei einer Studie mit 85.000 Teilnehmenden heraus, dass Herzerkrankungen und Überarbeitung sehr stark zusammenhängen. 

Ebenso konnten zahlreiche andere Forschungen diese Aussagen belegen, was die Relevanz der Erkenntnisse noch deutlicher macht.

Weniger arbeiten ist also die Lösung zu diesem Problem? Fleming widerspricht, "die Gefahr, dass alleine das Reduzieren von Arbeitszeit nicht viel verändern wird, wenn es um Gesundheit geht", ist sehr hoch. Der Professor meint, dass für eine bessere Lebens- und Arbeitsqualität Jobs notwendig sind, die vielfältigere Aufgabenbereiche haben und bei denen die Aufstiegschancen für alle greifbarer sind.

Das vermisst man im Kapitalismus: ein Leben

Im Zeitalter des Kapitalismus allerdings sind genau solche Arbeitsplätze ein absolutes Manko. Die Folgen dieser fehlenden Stellen sind unschwer zu erkennen: In Großbritannien ergab eine Umfrage, dass über 33 Prozent der Angestellten ihre Jobs für bedeutungslos halten. Fleming meint in seinem Beitrag abschließend, dass, wenn die Arbeitsmoral so niedrig ist, keine Ausgleichsangebote der Arbeitgeber die Mitarbeiter halten kann. Denn selbst der "engagierteste Mitarbeiter wird das Gefühl haben, dass er etwas Essenzielles vermisst: Ein Leben".