"Durchbruch" in der Medizin? - Studie zeigt Zusammenhang zwischen Demenz und Grippe-Impfung

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Eine Studie zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen einer Grippe-Impfung und einem niedrigeren Demenz-Risiko gibt.
Eine Studie zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen einer Grippe-Impfung und einem niedrigeren Demenz-Risiko gibt. Symbolbild.
Eine Studie zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen einer Grippe-Impfung und einem niedrigeren Demenz-Risiko gibt.
Gerd Altmann/Pixabay.com (Symbolbild)

Laut einer aktuellen Studie besteht ein Zusammenhang zwischen regelmäßigen Grippe-Impfungen und einem geringeren Risiko an Demenz zu erkranken. Das könnte einen regelrechten Durchbruch für zukünftige Therapien bedeuten. Es gibt jedoch auch kritische Stimmen.

  • Schützen regelmäßige Grippe-Impfungen vor einer Demenz?
  • Experten und Expertinnen sehen einen Grund für weitere Forschung
  • Das Ergebnis könnte die Demenz-Behandlung revolutionieren

Eine groß angelegte aktuelle Studie kommt zu einer spannenden Hypothese. Laut dieser könnte die regelmäßige Grippeimpfung zu einem geringeren Demenzrisiko führen. Bei den teilnehmenden Probanden und Probandinnen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler "signifikant" weniger Demenz-Erkrankungen feststellen, als bei Menschen, die nicht regelmäßig gegen Grippe geimpft werden. Für die Studie wurden die Krankenakten von 120.000 Kriegsveteraninnen und Veteranen ausgewertet. Die ehemaligen Militärangehörigen waren im Durchschnitt 75 Jahre alt. 3,8 Prozent waren weiblich, 91,6 Prozent hatten eine weiße Hautfarbe.

Welchen Effekt hat die Grippe-Impfung auf das Demenzrisiko? 

Ausgewertet wurden Krankenakten der Studienteilnehmenden aus dem Zeitraum zwischen dem 1. September 2009 und dem 31. August 2019. Einschlusskriterium war, dass bei den Patientinnen und Patienten, die bei der Auswertung berücksichtigt wurden, zwei Jahre vor Studienbeginn sowie zum Zeitpunkt des Einschlusses in die Studie, keine Demenz-Diagnose vorlag.

Die Studienteilnehmenden wurden in Gruppen eingeteilt. Die Einteilung erfolgte je nachdem, ob und wie viele Grippe-Impfungen die Teilnehmenden im Studienzeitraum erhalten hatten. Daraufhin analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei wie vielen Personen eine Demenz neu auftrat. Insgesamt erstreckte sich die Dauer der Studie auf sechs Jahre und acht Monate (80 Monate) bei den geimpften Personen und sechs Jahre und neun Monate (81 Monate) bei den Ungeimpften. Insgesamt 15.933 Studienteilnehmende erkrankten während dieser Phase neu an einer Demenz. 

Bei der Analyse der Daten wurde für die Forschenden deutlich, dass die mit mehreren Grippe-Impfungen geimpften auch ein geringeres Demenzrisiko hatten. Der Effekt kam allerdings nur bei Menschen zum Tragen, die mehr als sechs Grippe-Impfungen innerhalb des Beobachtungszeitraums bekommen hatten. Demnach hatten die Teilnehmenden insgesamt ein um rund 12 Prozent verringertes Demenzrisiko. Der Effekt von anderen Variablen wie etwa das Alter, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Familienstatus sowie Versicherungsstatus wurde herausgerechnet. 

Demenzexperte: Impfung könnte jährlich 40.000 Menschen vor Demenz bewahren

Auch die Häufigkeit der Arztbesuche wurde mit analysiert, um einen möglichen "Früherkennungsbias" zu verringern. Unter dem "Früherkennungsbias" verstehen die Forschenden eine nur scheinbar verlängerte Überlebenszeit bei früher gestellten Diagnosen, als bei Menschen, die erst nach klinischen Symptomen eine Diagnose gestellt bekommen. 

Der Effekt von 12 Prozent, durch eine regelmäßige Grippe-Impfung stellt für die Forschenden ein spektakuläres Forschungs-Ergebnis dar. "Dieser Effekt ist nicht unerheblich. Bei jährlich etwa 330.000 Demenz-Neuerkrankungen in Deutschland könnten somit durch regelmäßige Grippe-Impfungen fast 40.000 Menschen jährlich vor der Diagnose Demenz bewahrt werden", erklärt der Demenzexperte der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Professor Dr. Richard Dodel.

Trotz der vielversprechenden Studienergebnisse müsse man allerdings hervorheben, dass es sich hier um eine retrospektive Auswertung handele. "Zwar eine mit einer hohen Zahl an Studienteilnehmenden und sorgfältiger Durchführung, dennoch hat die Studie keinen Beweischarakter. Es liegen schon mehrere solcher Assoziationsstudien vor, nicht nur zu Grippe-Impfungen, sondern auch zu Impfungen gegen Diphtherie oder Tetanus.

Weitere Studien notwendig

Auch experimentelle Studien haben auf einen Zusammenhang zwischen Impfungen und geringerem Demenzrisiko hingedeutet. "Die Hypothese, die die aktuelle Studie generiert, lässt sich also auch pathophysiologisch begründen, flankiert durch tierexperimentelle Daten", führt Dodel weiter aus. Dodel sagt, dass es auch möglich wäre, dass der beobachtete positive Effekt der Impfung in Bezug auf das verringerte Demenzrisiko darauf zurückzuführen ist, dass Menschen, die routinemäßig geimpft werden, tendenziell gesünder leben und damit auch ein geringeres Erkrankungsrisiko haben.

Die Studienautorinnen und Studienautoren begründen ihre Annahme mit dem pathophysiologischen Mechanismus: Die Impfung führe zu einer Zunahme der Aktivität der Mikroglia. Diese würde krankmachende Stoffe und Abfallprodukte erkennen und die abbauen.

Die Hypothese soll nun durch prospektive Studien bestätigt werden. Zeigen auch diese Studien, dass wiederholte Grippe-Impfungen die gleiche Wirkung haben und Beta-Amyloid abbauen, "wäre das ein Durchbruch für die Demenztherapie", sagt Richard Dodel. Damit würde sich dann das Demenzrisiko durch Impfungen stark verringern lassen.